Jahrelange und äußerst zähe Verhandlungen gingen der historischen Einigung der G7-Industriestaaten voran, eine globale Mindeststeuer einzuführen. Konzerne verschieben seit Jahrzehnten ihre Gewinne zu Tochterfirmen in Länder mit sehr niedrigen Steuersätzen. Doch Steuergerechtigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Frage: Wie sieht die Einigung aus?

Antwort: Herzstück ist eine weltweit gültige Mindeststeuer für Konzerne in Höhe von 15 Prozent – quasi eine steuerliche Untergrenze. Fix beschlossen ist das aber noch nicht.

Frage: Warum braucht es so etwas wie diese Steuer?

Antwort: Konzerne verschieben immer größere Teile ihres Gewinns in Steueroasen, oft über Patent-, Software- oder Lizenzzahlungen. Sie zahlen vergleichsweise wenig Steuern, oft deutlich weniger als kleine und mittelständische Firmen.

Frage: Was wäre anders?

Antwort: Bisher zahlten vor allem Digitalkonzerne oft nur an ihrem Firmensitz Unternehmenssteuern. Künftig sollen sie auch dort zur Kasse gebeten werden, wo sie Geld verdienen. Dass Länder einander mit immer noch niedrigeren Steuersätzen unterbieten wollen, um Konzerne anzulocken, könnte damit beendet werden.

Die Grüne Insel gilt als Paradies für zwei sehr unterschiedliche Gruppen: Schafe und multinationale Konzerne.
Foto: EPA/NEIL HALL

Frage: Müssen alle Länder den 15-Prozent-Steuersatz erheben?

Antwort: Nein, es kann bzw. wird auch weiterhin Staaten mit niedrigeren Steuersätzen geben. Das können Länder weiterhin selbst bestimmen.

Frage: Wie soll die Steuer dann funktionieren?

Antwort: Grob gesagt, besteht sie aus zwei Teilen. Zahlt ein Konzern im Ausland beispielsweise nur zwölf Prozent, kann das Heimatland die Differenz zur Mindeststeuer verlangen ("Income Inclusion Rule", Anm.). Teil zwei ist umgekehrt. Sitzt der Mutterkonzern in einer Steueroase, müssen Töchter im jeweiligen Land den Mindeststeuersatz abführen ("Tax on Base Eroding Payments", Anm.). Erhebt aber das Land mit dem Firmensitz schon die 15 Prozent, können die Töchter nicht höher besteuert werden.

Frage: Wer muss noch zustimmen?

Antwort: Die G7-Staaten (USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan) machten den Vorstoß. Das war aber der einfachere Teil, da alle Länder schon jetzt deutlich höhere Steuersätze als 15 Prozent haben. Die Vereinbarung braucht nun im G20-Kreis mit den wichtigsten Schwellenländern und auch in ganz Europa einen Konsens. Staaten wie Irland, Luxemburg oder die Niederlande dürften wenig begeistert sein von der Regel. Irland etwa lockte Unternehmen bisher mit einer Körperschaftssteuer von 12,5 Prozent auf die Insel. Im Juli treffen sich die G20-Staaten in Venedig. Details müssen bis dahin noch ausgearbeitet werden. Am Ende entscheiden allerdings 139 Länder.

Frage: Wer steht im Fokus?

Antwort: Die USA schlagen die 100 größten Unternehmen der Welt vor, gemessen an Umsatz und Gewinn. Im globalen Fokus stehen besonders Techkonzerne ohne physische Produkte. Die Steuer soll nur für jene Konzerne gelten, deren Gewinnmarge mindestens zehn Prozent des Umsatzes beträgt. Alles, was darüber hinausgeht, wird mit 20 Prozent in dem Land besteuert, in dem der Umsatz gemacht wurde.

Frage: Wie viel Geld bringt das?

Antwort: Für die Europäische Union würde das aktuellen Schätzungen der EU-Steuerbeobachtungsstelle, eines unabhängigen Analysehauses, zufolge zusätzliche 50 Milliarden Euro bringen. Für Österreich würden drei Milliarden Euro extra herausschauen. Anderen Berechnungen zufolge könnte das aber auch deutlich weniger sein. Größter Profiteur wären jedenfalls die USA, egal welcher Satz am Ende herauskommt.

Frage: Warum 15 Prozent?

Antwort: Die 15 Prozent sind ein Kompromiss. Bei der vergleichsweise niedrigen Schwelle besteht die Hoffnung, dass der Widerstand der Gegner das Vorhaben nicht zum Kippen bringen wird. Die neue US-Regierung hatte zuvor einen Satz von 21 Prozent vorgeschlagen und war später zurückgerudert.

Frage: Wer sind bisher die Verlierer?

Antwort: Staaten mit durchschnittlichen oder höheren Unternehmenssteuern, Deutschland, Frankreich oder Österreich, entgehen beträchtliche Einnahmen. Geld, das etwa zur Bewältigung der Pandemie fehlt. Auch viele Schwellenländer fordern seit langem Änderungen. Länder wie China, Brasilien und Indien sind riesige Märkte für Großkonzerne, in denen gigantische Umsätze erzielt werden, Steuern aber dann woanders anfallen.

Frage: Was bedeutet das für Konsumenten?

Antwort: Das lässt sich noch nicht klar abschätzen, da es noch keine endgültige Einigung gibt. Da es hier nicht um Umsatzsteuer geht, lassen sich die zusätzlichen Kosten allerdings nicht so leicht auf Konsumenten umwälzen. Die Unternehmen und auch Arbeitnehmer werden wohl einen ordentlichen Teil schultern müssen.

Frage: Welche Reaktionen gab es abseits der Politik?

Antwort: Von den NGOs Oxfam, Attac und dem internationalen Tax Justice Network kommt Kritik, dass die Steuer viel zu niedrig und zu den Steuersätzen von Irland oder der Schweiz viel zu ähnlich sei. Die betroffenen Konzerne ließen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Google, Amazon und Facebook begrüßten das Vorhaben sogar. (Andreas Danzer, 7.6.2021)