Die bekannt gewordenen Chatnachrichten haben für Thomas Schmid endgültig Konsequenzen.

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Die jüngst veröffentlichten Chats von Thomas Schmid brachten das Fass dann offenbar zum Überlaufen. "Nach intensiven Beratungen innerhalb des Aufsichtsrats ist der Aufsichtsrat gemeinsam mit MMag. Schmid zur Erkenntnis gekommen, dass die sofortige Beendigung der Vorstandstätigkeit von MMag. Thomas Schmid einen notwendigen Schritt für die Öbag darstellt", teilte die Staatsholding Dienstagvormittag in einer Aussendung mit. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) dankte Schmid für seine "ausgezeichnete" Arbeit: "Ich darf mich bedanken beim Aufsichtsrat und bei der ausgezeichneten inhaltlichen Arbeit von Thomas Schmid", sagte er bei einer Pressekonferenz. Öbag-Direktorin Christine Catasta wurde als Interimsvorstand bestellt.

Rücktritt von allen Aufsichtsratspositionen

Schmid trete auch von allen für die Öbag gehaltenen Aufsichtsratspositionen in Beteiligungsgesellschaften zurück. Die Vertretung durch Catasta ist vorübergehend, sie werde sich im laufenden Prozess der Vorstandssuche nicht bewerben.

Christine Catasta übernimmt die Führung der Öbag interimistisch.
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Bislang hatte der Aufsichtsrat unter Helmut Kern an Schmid festgehalten – allerdings hatte der auch unter gewissem öffentlichem Druck bekanntgegeben, dass er seinen Vertrag im März 2022 auslaufen lassen werde. Die Gremien der Öbag haben daraufhin mit der Suche nach einem neuen Chef oder einer neuen Chefin für die Beteiligungsholding begonnen, in zwei Wochen soll die Ausschreibung erfolgen.

Keine Angaben zu Abschiedszahlung

Nun geht es doch schneller, Schmid verlässt die Öbag gleich. Ein Festhalten an Schmid könnte dem Ansehen der Gesellschaft schaden, so lautet dem Vernehmen nach eine der Begründungen für die vorzeitige Trennung vom Manager. Dessen Vertrag soll freilich im Einvernehmen aufgelöst werden, mit sofortiger Wirkung. Wie Aufsichtsratschef Helmut Kern im "Ö1"-Mittagsjournal erklärte, werde der Vertrag nicht ausbezahlt. Zu einer etwaigen Abschiedszahlung wollte Kern mit Verweis auf Vertraulichkeitsgründe keine Auskunft geben.

Grobe Pflichtverletzungen, die eine Abberufung gemäß Paragraf 75 Abs. 4 Aktiengesetz zur Folge hätte, orten auch von der Öbag beschäftigte Arbeitsrechtler in den Chats nicht – sie beträfen Vorkommnisse aus der Zeit vor Schmids Öbag-Zeit. Und der Aufsichtsrat zeigte sich mit Schmids Arbeit an der Öbag-Spitze bisher ja immer zufrieden. Dem dürfte nun aber nicht mehr so sein.

Beratungen über Zukunft

Wie es nach Schmids Abgang weitergeht, darüber wurde am Wochenende und am Montag intern intensiv verhandelt. Erst im Vorjahr hatte man dem seit März 2019 amtierenden, umstrittenen Holdingchef sogenannte Direktoren zur Seite gestellt, darunter Exwirtschaftsprüferin Catasta. Sie übernimmt nun auch interimistisch die Führung, wie die Öbag in einer Aussendung bestätigte. Bis zuletzt war die Frage offen, wer Schmid in den Aufsichtsräten der Öbag-Töchter ersetzen soll; etwa jenem im Kontrollgremium des Verbund, wo Schmid den Vorsitz innehat (ebenso wie in der Immogesellschaft Are) oder in der OMV, in der Schmid Aufsichtsratsvizechef ist. Klar ist jedenfalls, dass Schmid auch all diese Mandate zurückgelegt hat.

Dass man gleich einen fixen Nachfolger für den gebürtigen Tiroler Schmid an der Hand hat, ist höchst unwahrscheinlich, zumal der Job noch nicht ausgeschrieben ist. Eine zweite Bestellung à la Schmid, der an der Ausschreibung für den Leitungsjob selbst mitgearbeitet hatte und bei der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder der neuen Öbag sehr sehr nah dran war, muss die Staatsholding jedenfalls vermeiden.

"Ich liebe meinen Kanzler"

In den Chats, von denen Schmid die meisten noch als Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium geschrieben hat, geht es um seine Vorbereitung auf den von ihm angestrebten Vorstandsjob in der neugegründeten Öbag. Sie verdeutlichen Schmids Nähe zu Politikern wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (Kurz an Schmid: "Kriegst eh alles, was du willst", Schmid an Kurz: "Ich liebe meinen Kanzler") oder dem heutigen Finanzminister Gernot Blümel (Blümel an Schmid: "Schmid AG fertig" oder "Du bist Familie"). Zudem äußerte sich Schmid abschätzig über den damals amtierenden Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP).

Reisen wie der Pöbel

Vorige Woche kamen neue Unterhaltungen an die Öffentlichkeit, und die dürften den Meinungsumschwung im Öbag-Aufsichtsrat bewirkt haben. In seinen Chats kritisierte Öbag-Chef Schmid die Mitarbeiter der Staatsholding scharf, den Betriebsrat wollte er abmontieren: "Und Betriebsrat. Weg damit. Und Öbib-Leute gleich mit." Zudem unterhielt er sich mit seiner Mitarbeiterin über seine Reisen, die er nach seiner Tätigkeit als höchster Beamter im Finanzministerium ohne Diplomatenpass bewältigen muss: "Oh Gott. Reisen wie der Pöbel", meinte er dazu. Chats, deren Bekanntwerden offenbar auch zu einem Ansturm von Anrufern in der Öbag-Zentrale führte. Die war am Mittwoch eine Zeitlang nicht erreichbar, per Tonband wurde zur Kontaktaufnahme per E-Mail verwiesen. Das blieb auch im Aufsichtsrat nicht unbemerkt.

Schmids Vertrag sah, je nach Geschäftsentwicklung, ein Bruttojahresgehalt zwischen 400.000 und 610.000 Euro vor. Für seine ersten neun Arbeitsmonate im Jahr 2019 bekam er rund 304.000 Euro, die Zahlen fürs Vorjahr wurden noch nicht veröffentlicht. Die Staatsholding hält Beteiligungen an elf Unternehmen, darunter 33 Prozent an der Casinos Austria und an den börsennotierten Gesellschaften Österreichische Post AG (knapp 53 Prozent), OMV (31,5 Prozent) und Telekom Austria (rund 28 Prozent). Am Verbund ist die Republik direkt mit 51 Prozent beteiligt. Insgesamt umfasst das Portfolio der Gesellschaft einen Wert von fast 27 Milliarden Euro.

Genugtuung für Kritiker

Für die FPÖ ist der nunmehrige sofortige Rücktritt erst das Vorspiel, es sollten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) folgen, so die FPÖ heute. "Schließlich sind diese beiden ÖVP-Politiker ja die Hauptverantwortlichen für den Umstand, dass die Republik Österreich zu einem korrupten Tollhaus mit ÖVP-Führungsetage umgebaut wurde", so der Fraktionsführer der FPÖ im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker. Auch sei es jetzt notwendig die "einvernehmliche Trennung" zwischen Schmid und der Öbag transparent der Öffentlichkeit darzulegen.

Und auch die SPÖ sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. "Der Rücktritt von Thomas Schmid vom Vorstand der Öbag war ein längst überfälliger, notwendiger Schritt. Seine von vorne bis hinten von Kanzler Kurz und Finanzminister Blümel ausgepackelte Bestellung, die selbst gezimmerte Ausschreibung, seine unsäglichen Äußerungen zu Öbag-Mitarbeiter*innen, zum Betriebsrat und nicht zuletzt die Beschimpfungen der normalen Bevölkerung als 'Pöbel' haben Schmid an der Spitze der staatlichen Beteiligungsgesellschaft untragbar gemacht", erklärte der stellvertretende Klubvorsitzender Jörg Leichtfried.

"Längst überfälliger Schritt"

Die NEOS wiederum sehen einen "längst überfälligen Schritt". Thomas Schmid sei "einzig und allein aufgrund seiner türkisen Familie" Öbag-Chef geworden. "Dass Schmid ohne Industrieerfahrung und ohne internationale Erfahrung überhaupt zum Alleinvorstand der Öbag wurde, liegt in der Verantwortung der Kurz-Blümel-ÖVP", betonte NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn.

Kritik an Schmid kommt nun auch von den Christgewerkschaftern. Fritz Pöltl, der Vorsitzende der FCG-ÖAAB-Fraktion in der AK-Wien sprach heute in einer Aussendung von einem logischen Schritt. "Laut der in mehreren Medien veröffentlichten Chat-Protokolle soll Schmid mit einer Vertrauten darüber diskutiert haben, in seiner neuen Funktion den Betriebsrat "abdrehen" zu wollen. Auch die Worte "Weg damit!" und "Fuck that!" sollen dabei gefallen sein", erinnert er an publik gewordene Nachrichten von Schmid an seine Assistentin. (Renate Graber, APA, 8.6.2021)