Die Supermarktkette Tesco Stores wurde von tausenden ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geklagt.

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In einem Gerichtsverfahren gegen den britischen Handelskonzern Tesco Stores haben Frauen in ihrem Ansinnen um faire Bezahlung einen Teilerfolg errungen: Laut dem Europäischen Gerichtshof dürfen sie sich gegenüber ihrem Arbeitgeber auf den im EU-Recht verankerten Grundsatz der gleichen Entlohnung zwischen Männern und Frauen stützen. Dies auch dann, wenn nicht "gleiche", sondern bloß "gleichwertige Arbeit" unterschiedlich bezahlt wird (EuGH 3.6.2021, C-624/19 – Tesco Stores).

Unterschiedliche Betriebe

Tausende Arbeitnehmerinnen, die in den Geschäften des Handelsunternehmens tätig sind oder waren, klagten 2018 ihren Arbeitgeber, weil sie weniger verdienten als jene Mitarbeiter, die in den Vertriebszentren des Konzerns tätig sind. Die weiblichen Bediensteten stützten sich dabei auf den Grundsatz im EU-Recht, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit auch gleich entlohnt werden müssen.

Die Arbeit der Frauen in den Supermärkten und jene der Männer in den Vertriebszentren seien gleichwertig, argumentierten die Klägerinnen. Dass es sich um unterschiedliche Betriebe handelt, ändere daran nichts. Die ungleichen Arbeitsbedingungen ließen sich auf eine einheitliche "Quelle" zurückführen, nämlich das Unternehmen Tesco Stores. Auch die Männer, die in den Supermärkten tätig sind, klagten auf faire Entlohnung. Deren Verfahren wurde allerdings bis zur Entscheidung über das Verfahren der Mitarbeiterinnen aufgeschoben.

Unmittelbare Wirkung beim Arbeitgeber

Das britische Arbeitsgericht, das sich mit dem Fall beschäftigte, wandte sich an den Europäischen Gerichtshof und bat ihn um Auslegung der betreffenden Bestimmung. Das EU-Höchstgericht stellte nun klar, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen auch bei gleichwertiger Arbeit unmittelbare Wirkung entfaltet. Soll heißen: Arbeitnehmerinnen können sich gegenüber ihrem Arbeitgeber direkt darauf berufen, dass sie trotz gleichwertiger Arbeit weniger verdienen.

Der Gerichtshof verweist zwar darauf, dass die Diskriminierung auf "ein und dieselbe Quelle" zurückzuführen sein muss – also etwa einen einheitlichen Arbeitgeber. Das kann aber auch dann der Fall sein, wenn Jobs in unterschiedlichen Betrieben desselben Unternehmens verglichen werden.

Die wohl entscheidende Frage, wann überhaupt "gleichwertige" Arbeit vorliegt, überlässt der Gerichtshof den nationalen Gerichten. Für das britische Arbeitsgericht ist das Urteil bindend. Trotz Brexit ist der Europäische Gerichtshof für Verfahren, die vor Ende 2020 im Vereinigten Königreich eingeleitet wurden, weiter zuständig. (japf, 8.6.2020)