Yair Lapid gelang es, aus acht grundverschiedenen Parteien eine Koalition zu formen.

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In Israel entscheidet das Parlament am Sonntag über die neue Regierung, die Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nach zwölf Jahren im Amt ablösen soll. Parlamentspräsident Yariv Levin gab am Dienstag eine entsprechende Entscheidung bekannt. Sobald die Knesset-Abgeordneten der Koalition aus acht Parteien der Rechten, Linken, Mitte und der arabische Bevölkerungsgruppe ihr Vertrauen ausgesprochen haben, werde die Regierung noch am selben Tag vereidigt.

Hauchdünne Mehrheit

Netanyahu würde dann vom Nationalisten Naftali Bennett als Ministerpräsident abgelöst. Bei der Sitzung am Sonntag soll nun auch ein neuer Parlamentspräsident bestimmt werden. Das geplante Acht-Parteien-Bündnis verfügt in der Knesset nur über eine hauchdünne Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten.

Vergangenen Mittwoch hatte Yair Lapid von der liberalen Partei Yesh Atid erklärt, er und Bennett hätten sich mit den anderen Parteien auf eine Koalition verständigt. Bennett soll als erster die Regierung führen, dann soll Lapid ihn als Ministerpräsident ablösen.

Zu Lapids Bündnis gehören neben Bennetts ultranationalistischer Yamina die Zentrumspartei Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz, die linke Meretz und die Arbeiterpartei sowie die nationalistische Yisrael Beitenu von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman und die Mitte-Rechts-Partei Neue Hoffnung von einem früheren Weggefährten Netanyahus, Gideon Saar. Erstmals in der Geschichte Israels soll mit Raam auch eine unabhängige arabische Partei Mitglied der Regierung werden. Die einzige wirkliche Gemeinsamkeit der teils sehr gegensätzlichen Partner ist, eine weitere Amtszeit Netanyahus zu verhindern.

Netanjahu kämpft gegen Koalition

Der 71-Jährige rechtskonservative Ministerpräsident versucht noch, dies zu verhindern. Er hofft, dass sich in den nächsten Tagen im gegnerischen Lager noch Abtrünnige finden. Netanyahu bezeichnete die geplante Koalition als "Betrug des Jahrhunderts". Seine Anhänger üben großen Druck aus, um einen Machtwechsel zu verhindern. Demonstranten beschimpften Bennett auf Kundgebungen als "Verräter" und verbrannten sein Porträt. Der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet warnte am Wochenende vor Blutvergießen.

Yamina-Chef Bennett hatte Parlamentspräsident Levin gedrängt, die Abstimmung in der Knesset bereits für diesen Mittwoch anzusetzen. Bennett forderte zudem den seit 2009 amtierenden Netanyahu auf, Blockadeversuche aufzugeben. Dieser solle alle Bemühungen einstellen, Abgeordnete dahingehend zu beeinflussen, die Koalition zu verlassen und damit die Amtseinführung der neuen Regierung scheitern zu lassen. Würde dies geschehen, stünde in Israel die fünfte Parlamentswahl in zwei Jahren bevor.

Aus der Parlamentswahl am 23. März war Netanyahus nationalkonservativer Likud zwar als stärkste Kraft vor Yesh Atid hervorgegangen, eine Mehrheit wurde jedoch verfehlt. Netanyahu gelang es nicht, innerhalb der vorgeschriebenen Frist eine Regierung zu bilden. Der 71-Jährige steht wegen Korruptionsverdachts unter Druck und musste Anfang April deswegen vor Gericht erscheinen. Er weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sich als Opfer einer Hexenjagd. (APA, 8.6.2021)