Bundeskanzler Kurz gibt an, mit Hartwig Löger über einen Verbleib als Finanzminister konferiert zu haben

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Wurde der einstige Finanzminister Hartwig Löger vor Ermittlungsschritten in der Causa Casinos gewarnt – und welche Rolle spielte dabei Bundeskanzler Sebastian Kurz? Diese Fragen wirft ein Amtsvermerk der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf, der an den U-Ausschuss gegangen ist. In ihrer Auswertung von Lögers Handydaten stellt die WKStA fest, dass "jeweils nachdem die genannten Verfahrensschritte außerhalb der WKStA kommuniziert wurden, praktisch umgehend Kontaktaufnahmen von Kurz" bei Löger erfolgt waren.

Dafür nennt die WKStA in ihrem Amtsvermerk, der STANDARD, "Profil" und ORF vorliegt, mehrere Beispiele: Am 15. Oktober 2019 gaben die Korruptionsermittler ihrer Fachaufsicht von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien bekannt, dass gegen Löger und den Raiffeisen-Manager Walter Rothensteiner in der Causa Casinos ermittelt wird; am nächsten Tag wurde das ab 15 Uhr in einer Besprechung mit der Soko Tape thematisiert.

Vier Stunden und sechs Minuten später "rief Kurz bei Löger an und telefonierte mit ihm annähernd fünf Minuten". Vor dieser Kontaktaufnahme hatte es "laut dem Mobiltelefon von Löger rund vier Monate keine telefonische Kommunikation" gegeben, schreibt die WKStA. Der Kanzler rief mitten im Wahlkampf also erstmals bei seinem Ex-Finanzminister an, nachdem die Polizei Stunden zuvor von dessen Beschuldigtenstatus erfahren hatte – bei den Korruptionsermittlern lässt das die Alarmglocken schrillen.

Aus dem Kanzleramt heißt es jedoch, der Anruf sei politischer Natur gewesen: Tatsächlich fanden nach der Nationalratswahl in dieser Phase gerade Sondierungsgespräche mit anderen Parteien statt. Kurz habe Löger gefragt, ob dieser bei anstehenden Regierungsverhandlungen mitverhandeln wolle.

Persönliche Termine

Ähnliche Anrufe entdeckte die WKStA jedoch kurz vor der Hausdurchsuchung bei Löger: Am 8. November 2019 übermittelte die WKStA die Vorabinformation über die Razzia an ihre Vorgesetzten von der OStA Wien und an die Soko. Am selben Tag rief Kurz um 23.16 Uhr "bei Löger über WhatsApp an, wobei Löger nicht abhob". Unmittelbar darauf probierte er es erneut. Der einstige Finanzminister meldete sich erst am nächsten Tag in der Früh und schrieb Kurz, er freue sich auf "unser Treffen um 15:30 Uhr". In Lögers Notizbuch war das Treffen mit der Privatadresse des Kanzlers eingetragen worden. Die beiden verschoben kurzfristig auf 16 Uhr, da rief Löger dann Kurz an, laut Ermittlern "vermutlich, um sein Eintreffen bekanntzugeben".

Laut Kanzleramt hat Kurz seinen einstigen Finanzminister zu diesem Zeitpunkt über das Ergebnis der Sondierungen informieren und über einen weiteren Verbleib in der Regierung diskutieren wollen. Tatsächlich sagte Kurz am 8. November 2019 vor Medienvertretern, er wolle die nächsten Tage nutzen, um "die unterschiedlichen Eindrücke Revue passieren zu lassen".

Auch für den 12. November machten sie sich einen Termin aus, diesmal über Kurz' persönliche Assistentin. Das Treffen kam nicht zustande, an diesem Tag fand die Hausdurchsuchung bei Löger statt. Hatte die intensive Kommunikation in diesen Wochen mit den Ermittlungen zu tun?

Löger sagte bei seiner Einvernahme selbst, dass es schon im Sommer 2019 Hinweise gegeben habe, wo es geheißen habe: "Na ja, bei dir werden sie auch vorbeikommen, und dann kriegst du auch die Hausdurchsuchung, und du weißt eh." Ihm sei empfohlen worden: "Na ja, dein Handy hast verloren, besorgst du dir ein neues, dann ist es weg." Wer ihm das geraten habe, wollte Löger nicht sagen. Der STANDARD hatte schon Ende September 2019 berichtet, dass ein Aktenvermerk existiert, der Löger belastet. Auch eine anonyme Anzeige gegen den einstigen Finanzminister wurde da schon geprüft.

"Sollten gemeinsame Kommunikation abstimmen"

Ein Pressesprecher von Sebastian Kurz sagt auf Anfrage von STANDARD, "Profil" und ORF, "dass sich die Kommunikation zwischen Hartwig Löger und Sebastian Kurz im Herbst 2019 auf die Regierungsverhandlungen und auf ein mögliches weiteres Engagement von Hartwig Löger in der neuen Bundesregierung bezog". Tatsächlich schickte Löger am 11. November 2019 auch einen Zeitungsartikel an Kurz, in dem stand, dass er "weniger Chancen auf eine Rückkehr als Finanzminister" habe. "Wir sollten tatsächlich bald gemeinsame Kommunikation abstimmen", bat Löger den ÖVP-Chef daraufhin.

"Die Kontakte Kurz – Löger bezogen sich auf die Koalitionsverhandlungen und ein weiteres Engagement Lögers in der zu bildenden Bundesregierung. Dies lässt sich auch durch Medienberichte rund um den 12. November 2019 belegen, als Löger seinen Rückzug aus der Politik bekanntgab. Dieser Entscheidung gingen über mehrere Wochen mehrere Telefonate sowie persönliche Treffen zwischen Kurz und Löger voraus", erklärte das Kanzleramt.

Die telefonischen Kontakte zwischen Kurz und Löger waren auch in einem Dokument der Staatsanwaltschaft Innsbruck erwähnt worden. Darüber hatte vor zwei Wochen die "Presse" berichtet, auch über die neuen Vorwürfe berichtete sie zuerst. Die WKStA stellte damals klar, dass Kurz in der Causa nicht beschuldigt ist. Allerdings würde sich der Kanzler prinzipiell mit der Weitergabe der Information über eine Hausdurchsuchung bei Löger nicht strafbar machen – nur dann, wenn er einen Polizisten oder Justizbeamten dazu angestiftet hätte, dieses Geheimnis zu verraten. Dafür gibt es jedoch keinerlei Indiz. Die WKStA legt allerdings nahe, dass die Information über ein Leck in Soko oder Oberstaatsanwaltschaft Wien zu Kurz gelangt ist. Sowohl der damalige Soko-Chef Andreas Holzer als auch OStA-Wien-Leiter Johann Fuchs schließen das für ihre Behörde aus.

Auch Lögers Anwalt weist Vorwarnung von sich

Auf eine Kommunikation zwischen Löger und Kurz über die Ermittlungen der WKStA sieht diese auch noch andere Hinweise. So trafen sich die beiden am 7. November 2019 um 15 Uhr. Eine Stunde später rief Löger den Aufsichtsratsvorsitzenden der Vienna Insurance Group an – seinen späteren Arbeitgeber. Danach meldete sich Löger beim ÖVP-Parteianwalt Werner Suppan, der ihm anschließend die Adresse seiner Kanzlei schickte. In Lögers Kalender fand sich tags darauf ein Termin mit Suppan, der auch Kurz und Blümel vertritt. "Daher ist mit höchster Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das Gespräch zwischen Kurz und Löger jedenfalls die medial bereits kolportierten Vorwürfe betraf", schreibt die WKStA.

Suppan sagte auf Anfrage von STANDARD, ORF und "Profil", dass er und Löger einander "persönlich schon lange kennen". Eine Vorwarnung von Kurz an Löger schloss Suppan aus, und: "Spätestens seit August 2019 erhielt mein Mandant wiederholt Journalistenanfragen zur Frage des Beschuldigtenstatus und allfälligen Hausdurchsuchung."

Am 31. Oktober 2019 wollte Löger jedenfalls eine "dringliche private Sache" mit dem damaligen Innenminister Wolfgang Peschorn besprechen; davor und danach telefonierte er mit Casinos-Managerin und ÖVP-Vizeparteiobfrau Bettina Glatz-Kremsner und dem Casinos-Aufsichtsratsvorsitzenden Rothensteiner. Worum ging es da? Peschorn reagierte auf eine Anfrage nicht.

Eines stellt das Kanzleramt jedoch klar: "Die Behauptung, Kurz hätte Löger vor einer bevorstehenden Hausdurchsuchung gewarnt, ist frei erfunden, kreditschädigend und wird von uns geklagt werden." (Fabian Schmid, 8.6.2021)