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Cam Newton ist bei den Football-Experten ein heiß diskutierter Spieler, in der Welt des Fantasy-Football gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit, das Gleiche.

Foto: John Munson / AP

Sonnenschein, quälende Hitze, Hundstage. Im südlichen Burgenland hocken zehn Personen in einer Sommerlaube und starren gespannt auf ihre Laptopbildschirme. Auf dem Tisch sieht man Pizzakartons und Softdrinks, dazu Notizblöcke, vollgekritzelt mit Namen von Football-Spielern, -Teams und -Ergebnissen. Doch die zehn Freunde schließen hier keine Wetten auf reale Spiele ab. Sie sind Mitglieder der südburgenländischen Fantasy-Football-Liga – und halten hier ihren Draft-Day ab.

Fantasie wird Realität

Fantasy-Sport funktioniert nach einem simplen Prinzip: Die Spieler registrieren sich auf einer Plattform und stellen dann mit einem virtuellen Budget, aber anhand realer Spielerstatistiken ein eigenes Team zusammen, mit dem sie dann an Wettbewerben teilnehmen. Die Punkte, die man als Besitzer einer virtuellen Mannschaft erhält, basieren auf den Leistungen der jeweiligen Sportler im echten Leben. Beim Draft-Day können die Team-Manager in einer bestimmten Reihenfolge rundenbasiert Spieler für die kommende Saison aufnehmen.

Peter Grandits ist der Kopf einer Fantasy-Football-Liga. Bereits im Jahr 2012 erkannte die Runde den Spaßfaktor des virtuellen Managerdaseins.
Foto: Heribert Corn/ DER STANDARD

Wer hat die meisten Pässe gespielt, die meisten Assists gegeben oder die meisten Meter zurückgelegt? Statistiken sind heilig, auch und vor allem im Fantasy-Sport. Das Ligasystem belohnt die Spieler, die sich für die richtige Zusammensetzung der Sportstars am jeweiligen Spieltag entschieden haben. Wer am Ende eines Spieltags oder auch der Saison die meisten Punkte gesammelt hat, erhält ein ordentliches Preisgeld – in amerikanischen Ligen kann die Gewinnsumme sogar in Millionenhöhe gehen.

Millionenschwere Liga

Fantasy-Sport mag für Außenstehende nerdig wirken, ist aber eine gigantische Industrie: Laut dem Marktforschungsinstitut Statista haben im Jahr 2019 knapp 57 Millionen Menschen täglich an einer Fantasy-Liga teilgenommen. Der Markt wird mittlerweile auf einen Wert von 8,2 Milliarden US-Dollar geschätzt. In Podcasts mit bis zu zehn Millionen monatlichen Abrufen, Livestreams, Youtube-Videos und Foren diskutieren Spieler und Fans die Ergebnisse, Strategien und Spielerleistungen. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg von Fantasy-Sport haben in erster Linie zwei US-Unternehmen: Fanduel und Draftkings.

Beide wurden zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts als kleine Start-ups gegründet, mittlerweile haben sie jeweils über 1000 Mitarbeiter und gelten als große Anbieter nicht nur im Bereich klassischer Sportwetten wie Pferderennen, sondern auch für Fantasy-Sport. Das Versprechen, den großen Gewinn innerhalb eines Tages zu lukrieren, wirkt eben auch in der Fantasie anziehend. Damit die Fantasy-Ligen von Gesetzgebern nicht als Glücksspiel klassifiziert (und damit für unter 18-Jährige verboten) werden, lobbyieren die Anbieter massiv. Und so gilt Fantasy-Sport weiterhin als Geschicklichkeitsspiel – obwohl es freilich keinen großen Unterschied macht, ob man statt auf den Ausgang eines Spiels auf die Statistiken eines Einzelspielers wettet

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Mit wenig Einsatz zum Millionär: Mit diesem Versprechen macht Draftkings auf sich aufmerksam.
Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/SCOTT OLSON

"Bei internationalen Plattformen wie Fanduel oder Draftkings den ersten Platz eines Bewerbs zu erreichen ist ungefähr genauso realistisch wie ein Lotto-Sechser", sagt Peter Grandits. Der Lehramtsstudent hat 2012 die eingangs erwähnte südburgenländische Liga gegründet. Er selbst ist zwar nicht der erfolgreichste Spieler – die Faszination am virtuellen Team-Manager-Dasein liegt für den 28-Jährigen aber auch gar nicht in der Höhe des Preisgelds: "Man kann bei diesem Spiel sein Wissen unter Beweis stellen", sagt er. Außerdem sei es eine nette Abwechslung. Wenn das echte NFL-Team seiner Wahl verliert, können zumindest noch weiter Erfolge in der Fantasy-League gefeiert werden. "So bleibt noch immer eine gewisse Spannung und ein Ansporn, die laufende Saison zu verfolgen."

Hire and Fire

Der Einstieg beim Fantasy-Football sei ziemlich einfach. Die große Kunst liege darin, über eine komplette Saison in der National Football League (NFL) bis zum großen Spektakel Superbowl immer die richtigen Sportler auf dem virtuellen Feld zu positionieren. Der fiktive Kader, den ein Spieler zur Verfügung hat, kann sich ständig ändern.

Verletzt sich ein NFL-Spieler, muss schnell Ersatz gefunden werden. Handlungsbedarf gibt es natürlich auch, wenn ein Footballer der erwarteten Leistung nicht gerecht wird. Das "Hire and Fire"-Prinzip feiert während einer Fantasy-Saison Hochkonjunktur. Gegen Ende der letzten Saison hatte Grandits nur noch zwei Spieler in seinem Team, die er am Draft-Day gewählt hatte.

CBS Miami

Selbst wenn die Gewinnsummen in Österreich natürlich weit geringer sind: Auf Auktionsplattformen bieten auch hierzulande manche Spieler ihre besonders erfolgreichen Teams für bis zu 200 Euro zum Verkauf an – dem Vernehmen nach muss aber den meisten Interessenten schnell abgesagt werden. Denn oft handelt es sich dabei um Kinder, die bereit wären, ohne das Wissen der Eltern ihr Taschengeld zu opfern.

Virtuelle Schmach

In der von Peter Grandits gegründeten Südburgenland-Liga erhält der Gewinner maximal ein paar Hundert Euro, der Verlierer muss die anderen Spieler zum Abendessen einladen. In anderen Runden kommen die Verlierer nicht so leicht davon. Im Internet gibt es unzählige Fotos von Spielern, die sich ein Tattoo stechen lassen mussten, weil sie die Letztplatzierten der Saison waren.

Manchmal werden sogar lokale Werbeplakate gemietet, auf denen dann zumindest ein paar Wochen das Konterfei des Verlierers prangt. Kurzum: Wer in der Fantasy-Welt versagt, muss sich realiter um Spott nicht sorgen. (Florian Zsifkovics, 22.06.2021)