"Mit der Digitalisierung ist so viel auf dem Markt, das nicht evidenzbasiert ist. Deshalb braucht es Forschung, um das Wissen darüber zu verbessern." Thomas Probst

Foto: Andrea Reischer

Wiederholte Lockdowns, eine ungewisse Zukunft und Sorgen um Angehörige oder sich selbst: Die Pandemie wirkte sich auch auf die psychische Gesundheit aus. Thomas Probst, Professor für Psychotherapiewissenschaften an der Donau-Universität Krems, war einer der Ersten, die das Thema wissenschaftlich erforschten. Gemeinsam mit seinen Kollegen führte er zuerst im April 2020 und dann noch einmal im Herbst und vor Weihnachten eine Befragung mit rund 1000 Personen durch.

Die Ergebnisse überraschten: "Wir hätten erwartet, dass die psychische Belastung nach den ersten Lockerungen etwas zurückgeht. Aber die Depressions- und Angstwerte waren stets im auffälligen Bereich", sagt Probst. 20 bis 25 Prozent der Menschen gaben laut Screening-Fragebogen – der keine Diagnose bedeutet – an, eine solche psychische Belastung verspürt zu haben.

Zum Vergleich: Vor der Pandemie waren es vier bis fünf Prozent. Die höchsten Werte fanden die Forschenden unter jungen Erwachsenen und Schülern. "Unsere Motivation war, das schnell zu untersuchen und zu begleiten, weil klar war: Der Bedarf für psychische Hilfsangebote ist groß."

Telepsychotherapie

Probst interessiert auch der Umgang mit der Belastung und die zugrunde liegende Frage: Wie hat sich die psychotherapeutische Versorgung über die Pandemie hinweg verändert, und wie gehen Therapeuten damit um? Am Anfang war es ungewohnt, auf Telefon oder Internet umzusteigen.

"Die Ausbildung in Österreich ist darauf ausgelegt, Therapie in direkter Anwesenheit zu machen." Im internationalen Vergleich ist Österreich wenig digitalaffin. Das zeige auch eine Richtlinie: In dieser werde das Angebot von Psychotherapie über das Internet abgelehnt.

Doch der Graubereich wurde schnell aufgelöst: "Telepsychotherapie ist während der Corona-Pandemie salonfähiger geworden", sagt Probst. Auch die Krankenkassen erstatteten die Angebote bald auf gleiche Weise. Probst hofft, dass das so bleibt: Schließlich können Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen sowie langen Anfahrtswegen oder jene, die sich wegen ihrer psychischen Symptomatik nicht trauen, das Haus zu verlassen, davon profitieren. Die Digitalisierung der Psychotherapie interessiert Thomas Probst schon seit seinem Studium der Psychologie und seiner Zeit als praktizierender Psychotherapeut.

Ängste abbauen

"Mit der Digitalisierung ist so viel auf dem Markt, das nicht evidenzbasiert ist. Deshalb braucht es Forschung, um das Wissen darüber zu verbessern." Etwa: Welche Programme kann man für Telepsychotherapie nützen, welche Selbsthilfe-Apps kann man als Ergänzung zur Therapie empfehlen, und was ist aus Datenschutzsicht eher gefährlich.

Außerdem startete er soeben ein Projekt, in dem er erforscht, wie sich die Beziehung zwischen Therapeut und Patient verändert und wie sich das auf das Therapieergebnis auswirkt. Hier gebe es noch immer Skepsis: "Viele Therapeuten haben Angst, dass ihr Prozess beleuchtet wird und vielleicht rauskommt, dass man nicht so effektiv ist wie gedacht." Das ist auch eine Motivation Probsts: "Ich möchte diese Ängste abbauen, denn Praxis und Forschung können sich gut gegenseitig befruchten." (Katharina Kropshofer, 13.6.2021)