Herbert Kickl hat es geschafft und er ist auch der Richtige. Der Richtige für eine Phase der Entwicklung des Rechtspopulismus, wo es um die Pflege jener Wähler geht, die für andere unerreichbar sind. Rechtspopulistische Wähler haben ihre Kernthemen, namentlich "Ausländer", das Gefühl zurückzufallen und einen Hang zu autoritären "Lösungen". Nun ist noch ein kräftiger Schub an Wahnideen dazugekommen, ausgelöst durch Covid.

Herbert Kickl ist der neue Chef der FPÖ.
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Es gibt genug Leute in Europa und der industrialisierten Welt, die die Pandemie für eine Erfindung oder ein Instrument dunkler Eliten halten, um "das Volk" unten zu halten. Man begegnet ihnen unter anderem bei jenen Corona-Leugner-Demos, wo Kickl einen großen demagogischen Auftritt hatte.

Aber im Grunde ist es egal, wer die FPÖ führt. Der "gemäßigte" Norbert Hofer und der "radikale" Kickl sind nicht so grundverschieden, wie es scheint (und wie es manchmal in den Medien rüberkommt). Die Kernideologie ist die Gleiche: sehr rechts. Hofer hat seinerzeit die Präsidentschaftswahlen auch deshalb verloren, weil er sich zu einem "Sie werden sich wundern, was alles geht" hinreißen ließ. Das wurde im Kontext der Befugnisse des Bundespräsidenten als Ankündigung eines autoritären Kurses verstanden. Kickl hatte als Innenminister unter anderem durch die Razzia beim Verfassungsschutz versucht, die Bekämpfung des Rechtsextremismus zu delegitimieren.

Charakter des Staates

Die Wurzeln der FPÖ liegen im Deutschnationalismus des späten 19. Jahrhunderts und im Nationalsozialismus. Der Kern der FPÖ-Funktionäre hat ein letztlich fragwürdiges Verhältnis zur (liberalen) Demokratie, die sie gern als "System" bezeichnen, und zum Staat, wie er 1945 gegründet wurde. Die Mehrheit der um den Kern gelagerten "Protest"-Wähler, die immer wieder FPÖ wählen, einmal wegen "denen da oben", dann als Corona-Leugner, wissen das nicht oder es ist ihnen egal. Aber die Führungsfiguren der FPÖ wissen ganz genau, dass sie dieses "Erbe" der FPÖ nicht aufgeben dürfen, wenn sie nicht "Verräter an der Idee" werden wollen.

Die FPÖ bildet – wie andere rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien – einen "Systemwiderstand im System". Ihr passt das ganze System der liberalen Demokratie nicht, sie findet sich damit nur taktisch ab. Sie versucht einerseits, ihre Nische zu besetzen, um zu überdauern, andererseits den Charakter des Staates zu verändern, wenn sie dazu die Gelegenheit hat. Aber das muss nicht sein.

Man kann argumentieren, dass auch die türkise ÖVP versucht, den Charakter dieses Staates zu verändern – in Richtung einer schön inszenierten Autokratie, aber das scheitert derzeit bereits. Der Unterschied ist, dass die ÖVP es braucht, an der Regierung zu sein, die FPÖ aber nicht. Sie kann so, wie die Wählerpsychologie ist, auf einen fixen Wählerkern bauen, der einmal größer, dann wieder kleiner ist. Es wird auf absehbare Zeit eine beträchtliche Mindestzahl an zutiefst unzufriedenen, Wahnideen nachhängenden, autoritär denkenden Wählern geben, die die FPÖ bedienen kann. Von denen leben Rechtspopulisten.

Wenn es ein Charismatiker ist wie Jörg Haider, dann sind 27 Prozent drin. Bei Kickl um einiges weniger, aber immer noch genug. (Hans Rauscher, 9.6.2021)