Magische Blitze als die letzten Spuren von menschlicher Präsenz: Die Künstlerin Borjana Ventzislavova beschäftigt sich in Fotografie und Film mit dem Zusammenspiel von Natur und Mensch.

Foto: Borjana Ventzislavova

Der Wald wächst neuerdings auch in Ausstellungsräumen. Im Wiener Mak sind bei Planet Love gerade in einer dicht gehängten Schau Arbeiten zu sehen, die eine Art Awareness-Politik für den Klimawandel eint. Darunter auch die Installation Invocation for Hope von Superflux, die man wie eine postkatastrophische Idylle durchschreiten kann, samt abgebrannten Nadelbäumen und künstlichem Karpfenteich.

Borjana Ventzislavovas Ausstellung We/re Nature im Tresor des Kunstforums Wien bildet dazu so etwas wie eine Außenstelle. Denn auch die bulgarisch-österreichische Künstlerin beschäftigen Fragen wie das Verhältnis des Menschen zur Natur. Wobei die Ambiguität schon im Titel der Schau angelegt ist: Sind wir ein Teil der Natur, oder geht es nicht vielmehr um eine Gegnerschaft, die sich im Anthropozän durch die globale Transformation der Umwelt durch den Menschen bemerkbar macht?

In der zentralen Filminstallation We the Nature kehrt Ventzislavova die Perspektive dahingehend um, dass sie der Natur eine Stimme verleiht. Im Voiceover tritt diese als eine Mahnerin in Erscheinung, die sich trotz aller Versehrtheiten und der menschlichen Gier nach Ressourcen ihre Nachsicht und Güte bewahrt hat. Sie klagt nicht an, sondern verleiht vielmehr ihrer Verwunderung darüber Ausdruck, dass der Mensch mit der Zerstörung der Umwelt auch seine Existenz aufs Spiel setzt.

Entvölkerte Erde

Die Bilder, die dieses Plädoyer einer gottähnlichen Instanz begleiten, hat die Künstlerin in den letzten zehn Jahren an etlichen Schauplätzen der Welt gefilmt: Es sind entvölkerte Landschaften, zwischen dem Death Valley, den Niagarafällen und solchen Tatorten, an denen der industrielle Eingriff in die Natur besonders deutlich wird.

Doch We the Nature ist keine umweltaktivistische Arbeit, zumindest nicht im gängigen Sinn. Die Landschaften sollen weniger betroffen machen, sondern den Betrachter betören, ja sinnlich umgarnen. Die Farben des Himmels strahlen bisweilen in Farben, die einem Technicolorfilm entstammen könnten, und immer wieder erhascht man subtile Verweise auf die Kunst- und Popgeschichte. Mitunter wünscht man den Bildern mehr Raum zum Nachwirken, denn das "Redebedürfnis" der Natur erweist sich als eher hoch.

Blitze und Wetterleuchten

Von der Präsenz des Menschen zeugen nur Blitzlichter, die Ventzislavova wie Edelsteine in den Fluss des halbstündigen Films streut – und die eine eigene Art von Magie, ähnlich einem Wetterleuchten oder flackerndem Sonnenlicht, entfalten. Dasselbe Verfahren solcher bewusst erzeugter Lichteffekte bestimmt auch die Fotografien, die den zweiten Hauptteil der sehenswerten Schau bilden.

Über die mittels Langzeitbelichtung in die Aufnahmen gehievten Lichter erscheint der Mensch nur noch wie ein mysteriöses Nachbild – eine Sternengruppe oder ein Geist, von dem bisweilen noch einzelne Glieder, verschwommene Bewegungen zu erkennen sind. (Dominik Kamalzadeh, 9.6.2021)