Thomas Schmid stolperte am Dienstag endgültig über seine Chats und andere Affären

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Sein Ziel war klar: Schon im Sommer 2017 äußerte Thomas Schmid in Chatnachrichten den konkreten Wunsch, sich in Richtung Staatsholding aus dem Finanzministerium zu verabschieden. Aber es sollte noch einige Mühen kosten, bis er dort angelangt war – und nur wenige Wochen geben, die er dort, bei der Öbag, in Ruhe verbringen konnte. Im April 2019 wurde er Alleinvorstand, Mitte Mai folgte dann das Ibiza-Video – und ein halbes Jahr später stand Thomas Schmid mitten im Casinos-Skandal.

"Ich habe heute alles gelöscht", schrieb Schmid am 1. Oktober einer Vertrauten, die mit ihm zur Öbag gegangen war. Am Abend meldete sich der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann per Whatsapp bei Schmid: "War eine Fehlmeldung heute! Sorry hab das mit Bettina schon geklärt. Kann dir nächste Woche mehr dazu sagen! Schönen Abend Harald." Schmid antwortete: "Kenn mich aus! Danke"

Das berichtet die WKStA in einem "Amtsvermerk über Hinweise auf möglichen Informationsfluss" in den Casinos-Ermittlungen. Kurzum: Sie sieht Anzeichen dafür, dass Schmid, wie auch Löger, vor der Hausdurchsuchung gewarnt worden sein könnte – und dass dabei Novomatic-Chef Harald Neumann und die Casinos-Managerin und damalige ÖVP-Vizeparteiobfrau Bettina Glatz-Kremsner eine Rolle gespielt haben. Die Anwälte der beiden Letztgenannten beantworteten eine Anfrage dazu nicht.

Der Fluch der Chatnachrichten

So oder so: Die Löschung, mit der Schmid vor seiner Vertrauten prahlte, war nicht gründlich genug gewesen. Als die Ermittler am 12. November 2019 die Privatadresse des Öbag-Managers durchsuchten, entdeckten sie ein Back-up; seither werden rund 300.000 Chatnachrichten ausgewertet. Sie zeigen, wie eng Schmid mit der "neuen ÖVP" rund um Kanzler Sebastian Kurz verbunden war.

Die Partei muss man sich als konzentrische Kreise vorstellen: Im Mittelpunkt steht Kurz, unmittelbar um ihn herum sind seine Berater wie Stefan Steiner oder Gerald Fleischmann sowie lange Weggefährten wie Finanzminister Gernot Blümel und Kabinettschef Bernhard Bonelli zu finden. Im zweiten, größeren Kreis stößt man dann auf Personen, zu denen immer noch ein hohes Vertrauensverhältnis besteht, die viel wissen – und viel bewegen können. Dort ist jedenfalls auch Thomas Schmid einzuordnen. Als Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium war er dort der wichtigste Ansprechpartner für Türkise, egal ob der Minister über ihm Hans Jörg Schelling oder Hartwig Löger hieß.

Schmid, einst Pressesprecher von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, kümmerte sich um Budget, Steuergesetze, Besetzungen und das Beteiligungsmanagement des Bundes. Er mischte im Eigentümerstreit rund um die Casinos Austria AG mit und stand bereit, als der Milliardär René Benko die Möbelkette Kika/Leiner übernahm.

"Kriegst eh alles, was du willst"

Schmid erwies sich gegenüber der türkisen Führungsspitze als loyal, und das wird geschätzt. Er verhehlte nicht, dass er auf den Chefposten bei der Staatsholding schielte; während der türkis-blauen Koalition kümmerte er sich im Finanzministerium als Generalsekretär um ihre Reform. Aus der Öbib wurde die Öbag – oder: die "Schmid AG", wie Blümel ihm schrieb. Er sei "Familie"; Kurz versicherte ihm: "Kriegst eh alles, was du willst."

So kam es dann auch: Schmid schrieb den Ausschreibungstext für den Öbag-Chefposten mit und suchte jene Aufsichtsratsmitglieder mit aus, die ihn später zum Alleinvorstand bestellten. Auch als all das schon auf dem Tisch lag, war aus der ÖVP kein Mucks der Kritik zu hören – man hätte sich ja selbst vorgeworfen, die Vorgänge nicht genau beachtet oder sogar gefördert zu haben. Je mehr Chatnachrichten nach außen tröpfelten, desto prekärer wurde Schmids Lage allerdings.

Pöbel und Kirchenbeleidigung

Besonders setzten ihm Nachrichten zu, in denen er despektierlich über einen Kirchenvertreter sprach und sich über das "Reisen mit dem Pöbel" ohne Diplomatenpass aufregte. Spätestens da entstand in den Länderorganisationen eine Welle der Empörung, die bis nach Wien schwappte.

Schlussendlich war auch das Image der Öbag und der von ihr mitverwalteten börsennotierten Unternehmen, in denen Schmid Aufsichtsratsmitglied war, zusehends in Gefahr. Der bisherige Verweis auf Schmids gute Arbeit bei der Öbag war mit Blick auf die Turbulenzen in der OMV auch nicht mehr zu halten.

Für zusätzlichen Stress sorgte die Ungewissheit, welche Enthüllungen über Schmid noch drohen – Dinge, die man zum Beispiel bei vorgezogenen Neuwahlen nicht unbedingt gebrauchen kann. (Fabian Schmid, 8.6.2021)