Bis 2030 soll Hunger weltweit der Vergangenheit angehören. So lautet das zweite der insgesamt 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Die Corona-Pandemie könnte die Zeitpläne der Staatengemeinschaft deutlich in weite Ferne rücken: Die Zahl jener Menschen, die akut an Hunger leidet, hat sich durch Covid nach Angaben des Welternährungsprogramms verdoppelt. Ende 2020 waren mehr als 265 Millionen Menschen betroffen. Der Grund dafür ist unter anderem der starke Anstieg an Lebensmittelpreisen, wie eine Studie zeigt.

Demnach sind die globalen Nahrungsmittelpreise zwischen Mai 2020 und April 2021 um rund 25 Prozent gestiegen – und damit so stark, wie noch nie im vergangenen Jahrzehnt. Gründe dafür sehen die Autoren des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der demnächst erscheinenden Studie gleich mehrere: Logistische Probleme sowie zum Teil auch der Mangel an Arbeitskräften hätten zu Verzögerungen innerhalb von Lieferketten geführt. Darüber hinaus hätten Lockdowns und andere Corona-bedingte Maßnahmen nach Angaben der Wirtschaftsforscher dazu beigetragen, dass Einkommen weltweit "dramatisch" gesunken seien.

Die Preise für Lebensmittel sind in vielen Ländern empfindlich gestiegen – mit schwerwiegenden Folgen.
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Zentral- und Westafrika sind laut den Vereinten Nationen besonders stark von der Entwicklung betroffen. Dort sind heuer rund ein Drittel mehr Menschen von Hunger bedroht als noch vor einem Jahr. In der Region sind die Preise für Grundnahrungsmittel mit einem Plus von 40 Prozent besonders stark gestiegen. An einigen Orten haben sie nach Angaben des Welternährungsprogramms sogar um mehr als 200 Prozent zugelegt.

Sicherheitsnetz spannen

Der Analyse zufolge sind Veränderungen des Realeinkommens mit Abstand der größte Hungertreiber, gefolgt von Nahrungsmittelpreisen und sozialer Absicherung. Gerade diese habe im Corona-Jahr 2020, in dem die Bekämpfung der Pandemie im Vordergrund stand, gelitten. Für die Zukunft legen die Autoren politischen Entscheidungsträgern daher nahe, vor allem für einkommensschwache Haushalte ein Sicherheitsnetz zu spannen, um sie vor plötzlich steigenden Lebensmittelpreisen besser zu schützen. Wie genau dieses aussehen könnte, wird in dem Papier nicht skizziert.

Unterm Strich könnte die rasant wachsende Zahl an hungernden Menschen – allen voran in Ländern mit niedrigen Einkommen – aus Sicht der Experten einer der größten Kollateralschäden der Pandemie sein: "Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie könnten uns bei der Beseitigung der Unterernährung um ein ganzes Jahrzehnt zurückwerfen", heißt es in dem Papier.

Weniger starker Anstieg in Österreich

Und in Österreich? Auch hier hat Corona seine Spuren hinterlassen, der Nahrungsmittelsektor war aber bei weitem nicht so stark betroffen, wie in vielen anderen Ländern. Laut Statistik Austria fiel die Teuerung im Corona-Jahr 2020 bei Nahrungsmitteln mit 2,4 Prozent etwa doppelt so hoch aus wie im Jahr davor. Die allgemeine Inflationsrate sank hingegen von 1,5 auf 1,4 Prozent.

Teurer wurden etwa Getreide und Ölfrüchte, erklärt Franz Sinabell, Agrarexperte vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Grund dafür sei unter anderem die gestiegene Nachfrage nach Biokraftstoffen. Auf längere Sicht könnten die höheren Preise zu einem Anstieg der Fleisch- und Milchpreise führen, da Landwirte von den nun teureren Rohstoffen als Tiernahrungsmittel abhängig sind. Bisher zeichne sich ein Preisanstieg auf Erzeugerseite jedenfalls noch nicht ab, sagt der Wifo-Experte.

Vor allem Getreide und Ölfrüchte wurden zuletzt deutlich teurer.
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"Global sind viele Wirtschaften nicht so resilient", erklärt Sinabell den Unterschied. "Da kann es schon zu Unterbrechungen bei wichtigen Lieferketten kommen." In Österreich sei die Pandemie in der Lebensmittelversorgung jedenfalls nicht schwer ins Gewicht gefallen. Engpässe habe es vor allem bei Saisonprodukten gegeben. Aufgrund der strikten Einreisebestimmungen fehlten heimischen Landwirten im Vorjahr vielerorts schlichtweg die Erntehelfer aus dem Ausland. (Nora Laufer, 9.6.2021)