Die WF-1000X M4 sind deutlich kleiner als der Vorgänger, das dazugehörige Case ebenso.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Kabellose In-Ear-Kopfhörer gibt es viele, und die wohl bekanntesten sind Apples Airpods, welche wiederum – vor allem in puncto Design – etliche Nachahmer gefunden haben. Wer sich hier von der Masse abheben möchte, der muss mit eigenen Ideen und Konzepten punkten. Und genau das versucht Sony mit seinen neuen In-Ear-Kopfhörern WF-1000X M4, welche der STANDARD einem ausführlichen Test unterzogen hat.

Vorfahren des WF-1000X M4: Was bisher geschah

Die ersten Wireless-Kopfhörer der Serie hatte Sony im Jahr 2017 mit den WF-1000X vorgestellt, die bisher neueste Version waren die 2019 vorgestellten WF-1000X M3 – und mit den nun vorgestellten M4 will man nun das Nutzerfeedback bis ins letzte Detail aufgenommen und umgesetzt haben, wie es von Sony heißt.

Der Leitspruch der M4: Der User soll tiefer in den Inhalten versinken können, die für ihn gerade relevant sind – womit wiederum auch schon zu Beginn dieses Testberichts klar sein dürfte, dass Noise-Cancelling ein zentrales Feature der neuen Kopfhörer ist.

Noise-Cancelling: Abschotten, wo es gerade passt

Und das Noise-Cancelling – inklusive seiner verschiedenen Abstufungen – ist wirklich beeindruckend. So wurde mir der Straßenlärm auf der Vorderen Zollamtsstraße zum Beispiel erst bewusst, als ich einen Kollegen auf der Straße traf und zur Begrüßung die Kopfhörer aus den Ohren nahm. Auch Baustellen oder brüllende Kinder nimmt man nur stark gedämpft war – wobei die Lautstärke genau auf dem Level angesetzt ist, dass man ein heranfahrendes Auto sehr wohl noch rechtzeitig hören würde.

Möglich ist dies, indem Sony mit dem V1 dem M4 einen stärkeren Prozessor verpasst hat, welcher vor allem lautere Geräusche – wie Auto- und Flugzeuglärm – stärker reduziert als zum Beispiel menschliche Stimmen. Doch auch die Bauweise selbst hat einen Einfluss: So wurden die im Ohr steckenden Gummiaufsätze mit tausenden kleinen Luftblasen versehen, die den Lärm zusätzlich reduzieren.

Jeder Ort ist anders

Weiters trägt Software dazu bei, Ort und Verhalten zu analysieren und die Geräuschreduktion entsprechend anzupassen. So erkennt das System etwa, wenn ich vom Bahngleis in eine U-Bahn einsteige, und stellt das Noise-Cancelling entsprechend ein.

Dieser Shift von einem Modus in den anderen wird standardmäßig mit einem Begleitton verkündet, welcher auf Dauer nervt – die Funktion kann in der begleitenden App aber einfach abgestellt werden.

Sprechen, um zu unterbrechen

Eine weitere intelligente Lösung in Bezug auf die Interaktion mit der Umgebung ist "Speak to Chat". Denn die Kopfhörer erkennen, wenn ihr Träger den Kiefer bewegt und Laute von sich gibt – ein Verhalten, das gemeinhin als "Sprechen" bekannt ist –, und unterbrechenden sodann das Noise-Cancelling und die Musikwiedergabe. Spricht der Träger eine Zeitlang nicht mehr, so wird die Wiedergabe automatisch fortgesetzt.

So sitzen die WF-1000X M4 im Ohr. Ich bitte höflichst, meine Corona-Koteletten zu ignorieren.
Foto: Der Standard/Mickey Manakas

Auf diese Weise konnte ich meine Wiedergabe des STANDARD-Podcasts "Thema des Tages" unterbrechen, um im Aufzug mit der Nachbarin einen kurzen Plausch zu halten. Als sie ausgestiegen war, konnte ich weiterhören – alles, ohne die Wiedergabe händisch unterbrechen oder gar die Kopfhörer aus den Ohren nehmen zu müssen.

Ein Manko dieser Funktion ist wiederum, dass manchmal nicht nur Sprechen als Aufforderung zur Unterbrechung wahrgenommen wird – sondern auch zum Beispiel, wenn man sich räuspert oder bei einem besonders mitreißenden Lied lauter mitsummt. In dem Fall wird die Wiedergabe einfach durch einen Tippser auf einen der Kopfhörer wieder aktiviert. Und wer gerne regelmäßig laut mitsingt und somit von der Funktion genervt ist, der kann "Speak to Chat" in der App auch einfach deaktivieren.

Das Design der WF-1000X M4

Bevor wir nun weiter auf die inneren Werte der Kopfhörer eingehen, wollen wir uns an dieser Stelle noch kurz ganz oberflächlich dem äußeren Erscheinungsbild widmen. Denn die M4 sehen im Gegensatz zu anderen Kopfhörern auf dem Markt den Apple Airpods nicht einmal annähernd ähnlich, sondern folgen einer eigenen Designform – die ein wenig so aussieht, wie man sich wohl im Japan der 1980er die Zukunft vorgestellt hat: Wahlweise in Schwarz oder Silber (das eher wir Grau aussieht), auf jeden Fall aber mit goldfarbenem Sony-Schriftzug, goldfarbenen Pünktchen auf der Innenseite und goldfarbenen Mikrofonen auf der Außenseite. Ist das schön? Das ist freilich Geschmackssache. Sony betont jedenfalls, dass die M4 zehn Prozent kleiner sind als die Vorgänger.

Silber (a. k. a. Grau) mit Gold: Schönheit ist Geschmackssache.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Verbessert hat Sony außerdem das Case, denn dieses ist gleich um 40 Prozent kleiner als beim Vorgänger. Und: Es hat die flache Seite auf der Unterseite, was bedeutet, dass man das stehende Case öffnen kann. Klingt selbstverständlich? Ist es nicht: Das Case der M3 stand noch auf dem Kopf.

Akkuleistung und Wasserfestigkeit

Mit dem Case wird die Batterieleistung von Sony mit 24 Stunden angegeben, die Kopfhörer selbst schaffen laut Hersteller mit Noise-Cancelling acht und ohne Noise-Cancelling zwölf Stunden. Im Praxistest bedeutet das, dass ich nach einem einmaligen Aufladen problemlos durch eine Woche mit Arbeits- und Freizeitaktivitäten gekommen bin. Sollte es doch mal knapp werden, dann hilft ein Chick-Charge: Nach fünf Minuten Laden kann eine Stunde lang Musik gespielt werden, was für die meisten Pendelstrecken reichen sollte.

Bezüglich der Wasserfestigkeit gibt es hingegen einen Tropfen Wermut: Denn diese geht nur bis IPX4 – was in der Praxis bedeutet: Man kann damit zwar joggen gehen und dabei ordentlich ins Schwitzen geraten, sogar Regenschauer sollen die M4 aushalten. Von einem Sprung ins Schwimmbad oder einer Mitnahme unter die Dusche hat mir Sony aber explizit abgeraten.

Sauberer Sound

Sprechen wir nun über jenen Punkt, der für viele Menschen das wichtigste Entscheidungskriterium bei Kopfhörern ist: den Sound. Diesen habe ich vor allem mit Reggae getestet, da diese Musikrichtung einen guten Mixen aus Bässen, mittleren Tönen und Höhen bietet. Und das Ergebnis kann überzeugen: Während viele andere Kopfhörer die Bässe hoffnungslos übersteuern, punkten die M4 mit einem ausgeglichen Soundspektrum, bei dem alle Tonlagen zur Geltung kommen und auch die Bässe so sauber klingen, wie es sich für einen smoothen Reggae gehört.

Auch das Case ist deutlich kleiner als beim Vorgänger.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Wer seine Musik wiederum lieber mit mehr Wumms hört, der findet in der begleitenden App eine Equalizer, bei dem die gewünschten Einstellungen vorgenommen werden können – ja, freilich auch mit einem "Bass Boost" oder einem "Treble Boost", wenn man es denn unbedingt braucht. Wer ohnehin lieber Podcasts hört, der kann auch den Modus "Sprache" zur optimalen Wiedergabe auswählen.

Unterstützt wird außerdem ein Setup für 360 Reality Audio, das eine entsprechende Raumklang-Wahrnehmung ermöglichen soll. Hier geht die App so weit, dass der User seine eigenen Ohren fotografieren soll, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Mangels Content habe ich diese Funktion jedoch noch nicht weiter getestet.

Schwaches Noise-Cancelling beim Telefonieren

Eher mittelmäßig ist wiederum übrigens die Tonqualität für das Gegenüber beim Telefonieren. So wurde mir in einem redaktionsinternen Call etwa gesagt, dass die Tonqualität generell zwar passe, es aber "eine leichte Roboterfärbung im Abgang" gebe – will heißen: Es klingt im Großraumbüro-Umfeld ein wenig blechern.

Unzufrieden waren Gesprächspartner auch bei Gesprächen auf offener Straße. Denn das Noise-Cancelling ist zwar super für den Träger der Kopfhörer – der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung hat davon jedoch recht wenig und muss sich daher mit den auf Wiens Straßen scheinbar omnipräsenten Baustellen herumplagen.

Immerhin: Mir selbst ging's gut. Ich hatte ja mein Noise-Cancelling mit tausenden Luftbläschen.

Pairing, die neue App und mein Assistent im Ohr

Ein Pain Point bei vielen Bluetooth-Kopfhörern ist das Koppeln mit dem Smartphone. Dies ist zumindest bei Android gelöst, denn dank Fast Pair for Android werden die M4 automatisch gekoppelt, noch bevor irgendeine App gestartet wird. Das funktionierte im Test bestens. Anders bei iOS: Hier müssen wie so oft zuerst etliche Berechtigungen erteilt werden, bevor es losgeht. Und öfters mussten die Kopfhörer in der App erneut gekoppelt werden.

Apropos App: Auch diese wurde von Sony grundlegend erneuert und bietet etliche Funktionen. Darunter etwa der erwähnte Equalizer und die Möglichkeit, Funktionen wie "Speak to Chat" oder Systemtöne ein- und auszuschalten. Gesteuert wird die Wiedergabe über die Kopfhörer übrigens, indem man ein- oder mehrmals auf die Außenseite der Hörer tippt – und auch hier kann man den Gesten über die App diverse Funktionen zuteilen. Und: Man kann den Kopfhörern sagen, dass sie Siri, Alexa oder Google Assistant aktivieren sollen, wenn der User die Außenseite gedrückt hält.

Das funktionierte im Test in Kombination mit dem Google Assistant auf einem iPhone bestens: Mein Assistent erzählte mir beim Spazierengehen Witze, redete über das Wetter und erinnerte mich auch im späteren Verlauf des Tages daran, dass ich "Mario fragen wollte, ob er deppert ist". Keine Ahnung, was ich mir in dem Moment dabei gedacht hatte. Das liegt aber nicht an den Kopfhörern, sondern an mir.

Fazit: Viele Funktionen für gutes Geld

Die WF-1000X M4 sind in Österreich in den Farben Schwarz und Silber ab 11. Juni für 280 Euro verfügbar. Das ist natürlich happig, zugleich wird mit der guten Klangqualität, dem ausgefeilten Noise-Cancelling und der Integration der Smart Assistants viel geboten. Auch die Akkuleistung kann sich sehen lassen, und das Design hebt sich deutlich von der Konkurrenz ab.

Wermutstropfen sind hingegen die noch etwas schwache Wasserfestigkeit und die bloß passable Qualität beim Telefonieren – ein Faktor, den ich bei günstigeren Kopfhörern nicht ganz so kritisch beurteilt hätte. Zugleich ist es aber auch gut möglich, dass Sony das Problem noch über ein Software-Update adressiert.

Fazit: Wer guten Sound und viele Funktionen sucht sowie zugleich vom hohen Preis nicht abgeschreckt wird, der kann zugreifen. Wer auf viele der beschriebenen Funktionen verzichten kann, der findet auch günstigere Alternativen. (Stefan Mey, 8.6.2021)