Vor allem Leica-Kameras kommen unter den Hammer.

Foto: STANDARD/Manakas

Egal ob Nikon, Leica, Rollei oder ein gänzlich anderer Branchenliebling: Kamerahersteller haben meist eine reichhaltige, schon viele Jahrzehnte andauernde Historie. Auf der Suche nach einem puristischen Erlebnis bewegt dies insbesondere junge Menschen dazu, erneut zu analogen Geräten aus den 1950er- und 1960er-Jahren zu greifen. Hohe Nachfrage und limitierte Stückzahlen bedeuten jedoch zunehmend steigende Preise und machen Vintage-Kameras zu einer Wertanlage für Sammler.

Eine Auswahl ganz besonderer Stücke kommt am Samstag zum 38. Mal im Rahmen der Leitz Photographica Auction in Wien unter den Hammer. Darunter auch die persönliche Leica I von Ernst Leitz II., dem Sohn des Leica-Gründers Ernst Leitz. Mit einem Startpreis von 40.000 Euro liegt der Schätzpreis zwischen 80.000 und stolzen 100.000 Euro. Um das wertvollste Los handelt es sich dabei allerdings noch keinesfalls.

Blättert man hingegen durch den Auktionskatalog, erwischt man sich im ersten Moment bei einem verwirrten Kopfschütteln. Warum sollte irgendjemand hunderttausende – in der Vergangenheit sogar mehr als eine Million – Euro für eine Kamera auf den Tisch legen? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, hat sich DER STANDARD die heurigen Exponate auf Einladung in der Wiener Westbahnstraße selbst angesehen.

Hier ist nur ein Teil der Kameras zu sehen, die im Rahmen der 38. in Wien stattfindenden Auktion unter den Hammer kommen.
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Wien, ein Paradies für analoge Kameras

Dass ein Streifzug durch den dortigen Leica Shop das Herz der meisten Fotografie-Enthusiasten höher schlagen lässt, kann kaum geleugnet werden. Aus hölzernen Vitrinen lächeln einem schon kurz nach Betreten eine Vielzahl unterschiedlichster Leica-M-Modelle entgegen; in Reih und Glied stehen sie dort gemeinsam mit dem einen oder anderen Schmankerl aus Nikons F-Serie und auch unbekannteren Geräten aus russischer Hand. Aus Konsumentensicht wird hier allerdings schnell ersichtlich, wie stark die Preise der beliebtesten Modelle in den letzten Jahren tatsächlich stiegen.

Während eine Leica M6 vor wenigen Jahren noch um etwa 1.500 Euro ergattert werden konnte, wird man inzwischen kaum noch unter 2.500 Euro fündig. Vor allem nicht im Einzelhandel. Aber selbst die vollautomatische Kompaktkamera Contax T2 erlebt seit einem Fernsehauftritt des Reality-TV-Stars Kylie Jenner im Jahr 2017 einen rasanten Anstieg des Preises. Damals zeigte diese ihre persönliche Kamera im Gespräch mit Moderator Jimmy Fallon her.

Zeitgeschichte hinter Glas

Diese Entwicklung ist kein Einzelfall und scheint sich auch in den erwarteten Gebotssummen der diesjährigen Leitz-Auktion widerzuspiegeln. Denn jahrelang stabile Preise lassen auch Sammler einen Trend der kontinuierlichen Wertsteigerung erkennen. Insbesondere deshalb, weil im Rahmen der Versteigerung vor allem Unikate hervorgehoben werden. Darunter drei Rolleiflex-Mittelformatkameras, die einst dem bekannten US-amerikanischen Fotografen Walker Evans gehörten. Aber auch ein 50-mm-Zeiss-Planar-Objektiv, das 1966 für die Weltraumorganisation Nasa entworfen wurde.

Auch Kameras russischer Hersteller erfreuen sich steigender Beliebtheit.
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Dass solche zeitgeschichtlich relevanten Gegenstände außerordentlich hohe Preise erzielen, verwundert nicht. Es handelt sich um Unikate, für die Enthusiasten und Sammler mit entsprechend großer Geldbörse unter Umständen bereit sind, auch deutlich mehr als den ausgeschriebenen Preis zu bezahlen. An sich sind Kameras diesbezüglich zum Beispiel vergleichbar mit Uhren. Während Marken wie Omega oder Rolex noch immer sündhaft teure Produkte auf den Markt bringen, sind bestimmte Modelle aus der Vergangenheit aufgrund unterschiedlichster Merkmale besonders beliebt – und teuer.

Im Vergleich mit anderen noch immer produzierenden Kameraherstellern sticht auch Leica deutlich hervor. Nicht nur handelt es sich um das wohl letzte Unternehmen, das analoge Kameras herstellt. Bei den in Deutschland entworfenen und produzierten Geräten handelt es sich hingegen klar um exklusive Luxusprodukte. Dass Leica, als Erfinder der Kleinbildkamera, von der stetigen Ausschöpfung der eigenen Geschichte lebt, ist zudem kein Geheimnis.

Des einen Freud, des anderen Leid

Im Umkehrschluss bedeutet das zweierlei: einerseits einen negativen Effekt für all jene Menschen, die sich in der Praxis mit analoger Fotografie auseinandersetzen wollen. Während eine Leica M für viele seit jeher unleistbar war, scheint der Preis inzwischen gar astronomisch hoch. Selbst bei Spiegelreflexkameras von Nikon und Canon kann man inzwischen Ähnliches beobachten. In gutem Zustand gehen diese für immer höhere Summen über den Ladentisch.

Andererseits war das öffentliche Interesse und die Wahrnehmung innerhalb der Fotografie-Community schon lange nicht mehr entsprechend groß. Das Geschäft mit Mittelformat- und Kleinbildfilmen floriert, und immer mehr kleine, unabhängige Produzenten sprießen aus dem Boden. Insbesondere in Österreich und Wien scheint es zahlreiche Interessenten zu geben, was sich auch an einer Vielzahl von Vintage-Kameraläden erkennen lässt.

Dementsprechend spricht aktuell alles für einen nicht enden wollenden Lauf dieser Technologien. Sammler hoffen auf eine weitere Wertsteigerung, für Konsumenten wird es immer schwieriger, ein Schnäppchen zu ergattern. Allerdings stellt sich weiterhin die Frage, ob es sich bei all dem gar um eine Blase handeln könnte – und ob der Wert seltener Geräte durch ein möglicher Platzen ebendieser sinken würde. Manche hoffen vermutlich darauf. Denn es würde zumindest in monetärer Hinsicht den Einstieg in das Medium erleichtern. (Mickey Manakas, 12.6.2021)