Attila Hildmann bei einer Demonstration gegen die Anti-Covid-19-Maßnahmen im Juli 2020.

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Für Rechtsextreme und Verschwörungserzähler ist das Internet in den vergangenen Monaten ein deutlich unfreundlicherer Ort geworden. Nachdem sie jahrelang große Plattformen wie Facebook oder Youtube als Verstärker für ihre Behauptungen nutzen konnten, griffen deren Betreiber zuletzt verstärkt gegen hetzerische Inhalte durch. Die Konten zahlreicher einschlägiger Akteure wurden gesperrt.

Die davon Betroffenen machten sich in der Folge auf die Suche nach neuen Kanälen zur Verbreitung ihrer Hassnachrichten – und wurden bei Telegram fündig. So ist der Messenger in den vergangenen Monaten zum wohl wichtigsten Verbreitungsweg für entsprechende Inhalte avanciert. Doch auch hier scheint es nun eng für entsprechende Inhalte zu werden – oder zumindest enger.

Blockade

Der Kanal des deutschen Verschwörungserzählers Attila Hildmann ist seit kurzem in den entsprechenden Apps für iPhones und Android-Smartphones nicht mehr erreichbar. Auf diesem Weg hatte Hildmann, der als veganer Koch bekannt wurde, zuletzt aber vor allem antisemitische und rechtsextreme Inhalte servierte, zuletzt mehr als 100.000 Leser erreicht. Zusätzlich wurde ein – kleinerer – Zweitkanal von Hildmann blockiert, und die Aktion scheint auch nicht auf den Verschwörungskoch beschränkt zu sein: Laut Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland wurde – zumindest – noch ein weiterer Kanal blockiert, in dem Rechtsterroristen glorifiziert worden sein sollen.

Was ist passiert?

Eine offizielle Stellungnahme von Telegram gibt es zu den Vorgängen bisher nicht. Klar ist jedenfalls, dass die Sperren offenbar auf jene Telegram-Versionen, die über Apples App Store und Googles Play Store vertrieben werden, beschränkt sind. Über die Webversion sind sämtliche erwähnten Kanäle also weiter erreichbar.

Auf den mobilen Plattformen sieht es hingegen anders aus: Während es unter Android theoretisch möglich ist, die Telegram-App auch auf anderem Weg zu installieren, steht diese Option auf dem iPhone nicht zur Verfügung. Für den Verschwörungserzähler – und die anderen betroffenen Kanäle – dürfte dies also ein schwerer Schlag sein, wird damit doch die Reichweite der eigenen Nachrichten stark beschränkt.

Über die aus dem Play Store heruntergeladene Android-App gibt es keinen Zugriff mehr auf den Kanal von Attila Hildmann.

Diese Vorgänge ließen Beobachter schnell vermuten, dass hier Apple und Google in einer konzertierten Aktion eigenmächtig eingegriffen haben und die betreffenden Kanäle blockieren. Das ist aber sowohl aus technischen als auch politischen Gründen äußerst unwahrscheinlich, immerhin würden die Betreiber damit eine Diskussion über systemweite Inhaltsfilter im Betriebssystem aufmachen, an der die Unternehmen kaum ein Interesse haben dürften.

Dies bestätigt denn auch Google mittlerweile in einem kurzen Statement gegenüber dem STANDARD: "Vermutungen darüber, dass Google den Zugang zu einem persönlichen Kanal innerhalb der über Google Play bezogenen Telegram App gesperrt hätte, sind falsch. Ein derartiger Eingriff kann nicht von Google vorgenommen werden."

Druck statt direkter Eingriff

Wahrscheinlicher ist insofern eine andere Option: dass Apple und Google gemeinsam Druck auf Telegram ausgeübt haben, damit der Messenger die Kanäle selbst blockiert. Immerhin hat man hier einen ziemlich großen Hebel zur Verfügung: Entsprechende Inhalte sind ein klarer Verstoß gegen die Regeln der App Stores der beiden Unternehmen. In diesen wird etwa die Verbreitung von Gewaltaufrufen oder auch die Verherrlichung des Nationalsozialismus für sämtliche Apps untersagt. Wer sich an dieses Regelwerk nicht hält, riskiert einen kompletten Rauswurf aus dem jeweiligen App Store.

Dass dies nicht bloß eine theoretische Option darstellt, musste Anfang des Jahres das rechte Twitter-Pendant Parler feststellen, das von beiden Plattformen geworfen wurde, nachdem man sich geweigert hatte, rechtsextreme Gewaltaufrufe zu entfernen.

Vorgeschichte

Auch Telegram selbst musste schon einmal einen Kanal sperren, um einer Sperre durch Apple zu entkommen: Der iPhone-Hersteller störte sich an einer Diskussion von Oppositionellen in Belarus, in deren Verlauf personenbezogene Daten von Polizisten veröffentlicht wurden. Ansonsten gibt sich der Messenger gerne als Hort freier Meinungsäußerung, Ausnahmen davon machte man bisher nur für kinderpornografische Inhalte sowie Kanäle von islamistischen Terrorgruppen.

Antisemitismus und Gewaltaufrufe

Über seinen Kanal hat Hildmann zuletzt vor allem mit antisemitischer Hetze für Aufregung gesorgt. So bezeichnete er Deutschland als "Judenrepublik" und rief zum bewaffneten Widerstand gegen diese auf. Zuletzt postete er auch kaum mehr verklausulierte Gewaltaufrufe gegen Juden und Jüdinnen. So hieß es in einem Beitrag vor wenigen Tagen: "Der Jude will dich und deine Kinder mit seinen Spritzen ermorden" – in Anspielung auf antisemitische Verschwörungsbehauptungen rund um die Covid-19-Schutzimpfung. Dieser Satz wurde kombiniert mit Aufnahmen, die ihn beim Abfeuern von Schusswaffen auf einem Schießstand zeigen.

Gegen Hildmann gibt es bereits seit einigen Monaten einen aufrechten Haftbefehl der deutschen Behörden. Der Rechtsextreme soll sich aber bereits zuvor in die Türkei abgesetzt haben, wo er sich derzeit aufhalten soll. (Andreas Proschofsky, 9.6.2021)