Regenbogen-Zebrastreifen im Rahmen des Pride Month in Wien.

Foto: Regine Hendrich

Es ist nicht das erste Mal, dass sich alle Parteien einig sind. Auch 2019 wurde ein Antrag für das Verbot sogenannter Umpolungstherapien bei Minderjährigen einstimmig angenommen, die später eingesetzte Arbeitsgruppe kam aber zu dem Schluss, dass ein explizites Verbot nicht notwendig sei und die rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichen würden. Diese Ansicht dürfte sich nun geändert haben. Denn am Mittwoch stimmten ÖVP, Grüne, SPÖ, FPÖ und Neos gemeinsam für ein gesetzliches Verbot von Angeboten für Minderjährige, die eine Heilung von Homosexualität zum Ziel haben.

Was im Antrag steht

Eingebracht wurde der Antrag von Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne), Nico Marchetti (ÖVP), Mario Lindner (SPÖ) und Yannick Shetty (Neos). Mit dem Beschluss im Ausschuss am Mittwoch sei der erste Schritt zu dem Verbot gesetzt worden. "Jetzt können wir den entsprechenden Antrag im nächsten Plenum des Nationalrats beschließen", freut sich Shetty, LGBTIQ-Sprecher der Neos. Er fordert im Hinblick auf den Beschluss, dass die zuständigen Ministerien "unbedingt rasch aktiv" werden müssen. Nach der Erfahrung 2019 werde er "ganz genau beobachten ob diesmal wirklich etwas weitergeht und LGBTIQ-Jugendliche tatsächlich geschützt werden".

Im Antrag wird als Grund für das Verbot unter anderem angeführt, dass es sich bei der Ausübung von Konversionstherapien und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" an Minderjährigen um einen Verstoß gegen Artikel acht der Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) handle. Der Weltärztebund habe 2013 sogenannte Konversionstherapien außerdem als Menschenrechtsverletzung und als mit der Ethik ärztliches Handelns nicht vereinbar verurteilt. In Österreich seien sich Fachexpertinnen und Experten darüber einig, dass diese als "Konversionstherapien" oder "reparative Verfahren" bekannten "Pseudobehandlungen", wie es im Antrag heißt, unethisch, schädlich und gefährlich sind.

Wo diese Therapien bisher stattfanden

Es sei zwar kein Massenphänomen, aber wer eine solche "Heilung" durchmache, habe oft mit schweren psychischen Folgen zu kämpfen, sagt Shetty. Und obwohl Ärztinnen bzw. Ärzte oder Therapeutinnen bzw. Therapeuten, die Konversionstherapien durchführen, natürlich auch bisher schon mit beruflichen Konsequenzen zu rechnen hatten, seien strafrechtliche Folgen ausgeblieben. Außerdem habe das kein Aus für die Versuche, Homosexuelle zu heilen, bedeutet. Häufig fanden diese Therapien Shetty zufolge in religiösen Feriencamps statt, da habe es keine Handhabe gegeben. Auf Puls 24 berichtete am Dienstag ein junger Mann, der selber in seiner Jugend im Freikirchen-Umfeld einen solchen "Heilungsversuch" durchgemacht hat, über seine Erfahrungen.

Gesellschaft hat "Mitschuld"

Die Neos forderten erst vergangene Woche, zum Beginn des Pride Month, das Ende der Umpolungstherapien und lancierten eine passende Onlinepetition, 7500 Personen hätten diese bereits unterzeichnet. Dabei thematisierten sie auch gesellschaftliche Einstellungen, die bezüglich Gleichstellung noch zu denken gäben. Man habe zwar rechtlich in den vergangenen 50 Jahren viel erreicht – wobei sich das nicht die Politik zuzuschreiben habe, sondern der Verfassungsgerichtshof –, gesellschaftlich gebe es für homo-, bi-, inter- sowie transsexuelle und queere Menschen aber nach wie vor "massive Herausforderungen", sagt Shetty.

Das gilt auch für die so genannten Umpolungstherapien. Denn nicht nur die Glaubenseinrichtungen würden dafür eine Rolle spielen, sondern auch der gesellschaftliche Druck, sagt Ulrike Schiesser von der Beratungsstelle für Sektenfragen zu Puls 24: "Die Gesellschaft hat Mitschuld, dass Leute diese Therapien annehmen und glauben, dass etwas mit ihnen nicht stimmt."

Schulen hissen die Regenbogenfahne

Damit sich das in Zukunft verbessert, gelte es unter anderem in den Schulen anzusetzen, sagt Shetty. Dort seien LGBTIQ-Themen unterrepräsentiert. In Wien ist das dieser Tage – zumindest nach außen hin – nicht so: 50 Schulen hissen aktuell die Regenbogenfahne.

Die Neos haben zu diesem Aspekt einen weiteren Antrag eingebracht, dieser wurde allerdings vertagt. Shetty zeigt sich deswegen "insbesondere von den Grünen" enttäuscht. Im Antrag verlangen die Neos unter anderem inklusivere Lehrmaterialien in Schulen, eine nationale Kampagne gegen Homophobie und den flächendeckenden Ausbau von queeren Jugendzentren. (Lara Hagen, 9.6.2021)