Ein Wiener jagt dem Eierlaberl in Arizona nach: Bernhard Seikovits.

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Nach außen wirkt Bernhard Seikovits so, als ob er in sich ruhen würde. "Wie lange spielt der denn schon Football?" Diese Frage hörte Seikovits in den USA oft. "Sie haben mir gesagt, dass ich nicht wie ein Tight End aussehe, sondern nur wie ein Junge, der versucht, Gewicht zuzulegen." DER STANDARD kann diese Aussage nicht bestätigen, sitzt ihm im Gespräch in Wien doch ein Kraftpaket gegenüber, 1,97 Meter groß, 120 Kilo schwer. Der 23-jährige Wiener schaffte als einer von vier Akteuren über das International Player Pathway Program (IPPP) den Sprung zu den Arizona Cardinals in der National Football League (NFL). Seikovits, der 2020 in dem internationalen Austauschprogramm noch leer ausgegangen war, kämpft bei den Cardinals um einen Kaderplatz, mittrainieren darf er die ganze Saison.

In den USA werden Footballer aus Europa immer noch als Exoten betrachtet. Wer das Spiel nicht im Mutterland gelernt hat, ist grundsätzlich suspekt. "Sie wissen wenig über mich, ich will überraschen, zeigen, dass ich ein schlauer Typ und lernwillig bin", sagt Seikovits, der einen kurzen Heimaturlaub macht.

Seit Mai trainiert Seikovits in Phoenix, Arizona, schupft Gewichte, sprintet und schiebt andere Bröckerl aus seinem Team durch die Gegend. "Beim ersten Gang aufs Trainingsgelände hat es schon gekribbelt." Um fünf Uhr ist Tagwache, um sechs Uhr stehen die ersten Termine an. "Ich bin immer der Erste in Meetings, beim Training, stelle viele Fragen. Sie testen meine Lernkurve." Der Umgang ist respektvoll, "man wird nicht angeschrien, der Konkurrenzkampf ufert nicht aus". Klimatisch liegt Phoenix in einer Wüstenzone, die Temperaturen klettern im Sommer auf mehr als 40 Grad. Die Stadt hat Seikovits laufend erkundet. "Viele Leute liefen aber nicht herum, vielleicht wegen der Mittagssonne."

Ideale Mischung

Die Position des Tight End ist im Idealfall eine Art Mischung aus Verteidiger und Passfänger. Der Tight End wird meist am nähesten an der Offensive Line positioniert und muss ein sehr guter Blocker sein, aber auch das Eierlaberl fangen können. Einer der Besten auf dieser Position war lange Zeit Rob Gronkowski, der mit den Tampa Bay Bucaneers zuletzt seinen vierten Super Bowl gewann. So weit denkt Seikovits natürlich nicht. "Zuerst bringen sie mir das Blocken bei, irgendwann werde ich auch fangen dürfen."

Allein für seine Position gibt es zwei Coaches, "so viele Trainer hatten wir bei den Vikings für die ganze Offense". Seikovits weiß natürlich, dass es nur wenige Jobs gibt, etwa 250 Spieler werden in der Liga jedes Jahr vom College gedraftet, als Free Agents verpflichtet. "Es ist eine beinharte Auslese."

Seikovits, der bei den Vienna Vikings groß geworden ist, galt den Scouts im Vorjahr noch als zu dünn um die Rippen und wurde heimgeschickt. Auf das Scheitern folgte der Fortschritt, "ich kann mit Niederlagen gut umgehen". Innerhalb eines Jahres formte er seinen Körper um, ohne Ernährungswissenschafter, aber mit Kraftanleitung. "Ich habe einfach mehr trainiert und mehr gegessen als vorher. Trotzdem kann ich mich mit dem größeren Gewicht gut bewegen. Es fühlt sich nicht an wie 120 Kilogramm. Ich kann athletisch mithalten."

Die Cardinals schrammten in der Vorsaison mit einer Bilanz von acht Siegen und acht Niederlagen zum fünften Mal in Folge an den Playoffs vorbei. Kommende Saison soll alles besser werden. Quarterback Kyler Murray dirigiert eine passlastige Offensive, mit Maxx Williams hat der Klub nur einen namhaften Tight End im Kader.

Seikovits ist der dritte Österreicher, der in der kommenden Saison um einen Platz in einem 53-Mann-Kader eines NFL-Teams rauft. Sandro Platzgummer hat einen Vertrag mit den New York Giants, ob er eingesetzt wird, ist fraglich. Thomas Schaffer ist nach wenigen Monaten seinen Platz in der NFL vorerst wieder los. Um eine Reihe erfahrenerer Spieler aufnehmen zu können, setzten die Chicago Bears den Wiener auf die sogenannte Waiver-Liste. Von dort kann ihn theoretisch ein anderer Klub der US-Liga wieder abrufen. Nach einer gewissen Frist wäre er anschließend ein "Free Agent", das heißt ohne vertragliche Bindung zu einem Team.

Nicht nur kicken

Seikovits will der erste Österreicher sein, der das Eierlaberl nicht nur kickt. Die beiden Tonis, die ehemaligen Fußball-Teamspieler Toni Fritsch und Toni Linhart, waren als Kicker in den 70er-Jahren bei diversen NFL-Teams engagiert.

Langweilig ist Seikovits nach verrichteter Arbeit abends nicht, viel Literatur muss er aus der Heimat nicht mitbringen. Das Playbook mit den Spielzügen der Cardinals reicht. "Das ist ein Wälzer. Damit bin ich stundenlang beschäftigt." (Florian Vetter, 8.7.2021)