Die Frage, ob Teilnehmer illegaler Straßenrennen bei Unfällen vorsätzlich handeln, beschäftigt immer wieder die Höchstgerichte.

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Handeln Raser, die Unfälle verursachen, vorsätzlich? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer aktuellen Entscheidung. Ein Mann, der bei einem illegalen Straßenrennen schwere Verletzungen erlitt, machte Ansprüche gegenüber seiner privaten Unfallversicherung geltend. Diese lehnte zu Recht ab, erklärte das Höchstgericht. Der Lenker des Fahrzeugs habe bei der Fahrt nämlich vorsätzlich gehandelt (OGH 28.4.2021, 7 Ob 70/21a).

Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit

Der Mann hatte sich im Oktober 2017 ein illegales Straßenrennen mit einer zweiten Person geliefert. Dabei kam es zu einem schweren Unfall: Während eines hochriskanten Überholmanövers bei einer Geschwindigkeit von 215 bis 230 km/h geriet der Pkw des Mannes ins Schleudern. Er kam von der Fahrbahn ab, prallte zunächst gegen einen Baum und dann gegen ein unbeteiligtes Fahrzeug. Der Lenker und weitere Personen erlitten schwere Verletzungen.

Zwei Jahre später wurde der Mann von Landesgericht Salzburg wegen grob fahrlässiger Körperverletzung und grob fahrlässiger Gefährdung der körperlichen Sicherheit verurteilt. Trotz Verurteilung verlangte der Mann für die Folgen des Unfalls knapp 60.000 Euro von seiner Versicherung. Diese lehnte ab und verwies auf eine Klausel in den Vertragsbedingungen. Demnach bestehe kein Versicherungsschutz für Unfälle, bei denen eine gerichtlich strafbare Handlung verwirklicht wird, für die "Vorsatz Tatbestandsmerkmal ist". Kurz gesagt: Wer bei einem Unfall vorsätzlich handelt, kann gegenüber der Versicherung keine Leistung geltend machen.

Zivilgerichte sahen vorsätzliches Verhalten

Diese Voraussetzung lag im konkreten Fall aber gerade nicht vor, argumentierte der Mann. Er wurde vom Gericht nur wegen grob fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung der körperlichen Sicherheit verurteilt – nicht aber wegen eines Vorsatzdelikts. Das stimmte zwar, das im Versicherungsstreit angerufene Zivilgericht beurteilte den Sachverhalt allerdings anders als das Strafgericht: Es nahm an, dass es der Mann "zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat", dass er bei dem Straßenrennen eine andere Person gefährdet. Damit sei der sogenannte bedingte Vorsatz erfüllt gewesen. Die Versicherung müsse daher nicht zahlen.

Der Mann kämpfte bis zum Obersten Gerichtshof, dieser bestätigte nun aber die Entscheidung des Erstgerichts. Zunächst stellte das Höchstgericht klar, dass die Klausel im Versicherungsvertrag, die eine Versicherungsleistung im Fall eines Vorsatzdelikts ausschließt, zulässig ist. Die Klausel sei weder überraschend, noch würde sie den Versicherungsnehmer grob benachteiligen und damit unwirksam sein. Auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Lenker bei dem illegalen Straßenrennen vorsätzlich handelte, beanstandete der OGH nicht.

Umstrittene Rechtsfrage

Ob man Rasern, die sich auf öffentlichen Straße Rennen liefern, auch Vorsatz vorwerfen kann, wird in juristischen Kreisen breit debattiert. Findet sich jemand, der illegale Straßenrennen veranstaltet, mit der Gefährdung, Verletzung oder gar dem Tod von anderen Verkehrsteilnehmern ab? In den letzten Jahren beschäftigte sich auch der deutsche Bundesgerichtshof vermehrt mit der Frage. Im Fall eines 2017 auf dem Kurfürstendamm in Berlin ausgetragenen Straßenrennens, bei dem ein Mensch ums Leben kam, bestätigte das Höchstgericht letztlich ein Mordurteil gegen einen Raser.

In Deutschland sind illegale Straßenrennen seit 2017 auch per Strafgesetz verboten und können mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Einen vergleichbaren Tatbestand gibt es in Österreich nicht. Hierzulande greifen bei der konkreten Gefährdung von Menschen die Tatbestände der "Gefährdung der körperlichen Sicherheit" und der "vorsätzlichen Gemeingefährdung". Werden Personen getötet oder verletzt, kommen vor allem die Fahrlässigkeitsdelikte zur Anwendung. (Jakob Pflügl, 10.6.2021)