Die vom Borkenkäfer zerstörte Fichte steht exemplarisch für den Verlust von mehr als 110.000 Hektar Wald zwischen 2018 und 2019 in Deutschland.
Foto: Kahan Art Space

Das Thema scheint einen irgendwie zu verfolgen, und das ist gut so. Der Wandel lässt sich nicht bekämpfen, wenn man einfach wegschaut. Der Planet braucht mehr Liebe, so die Botschaft. Die Vienna Biennale for Change, die im Mak ihren wuchernden Ursprung nimmt, ihre Wurzeln an anderen Wiener Standorten wie dem Kunsthaus geschlagen hat, beginnt jetzt auch im Kleinen zu keimen. Im Anfang April eröffneten Kahan Art Space Vienna (Ecke Große Sperlgasse 37, Große Pfarrgasse 7) im zweiten Bezirk ergründet Andreas Greiner das Gedächtnis des Waldes.

Der Berliner Künstler stellt diesen als Protagonisten ins Zentrum seiner Arbeit, untersucht ihn als wissenschaftlichen Gegenstand und mithilfe künstlicher Intelligenz. In der Schau Jungle Memory berichten digitale Collagen von großflächigem Waldsterben in Deutschland. Sein Fotoarchiv speiste Greiner in ein Deep-Learning-Programm ein, das nun mittels Algorithmen eine eigene Idee des Waldes entwirft.

Lebende Skulptur: Der Neue im Augarten.
Foto: Darius Edlinger/ Kahán Art Space

Karl, der Baum

Unterschiedliche Rinden und Hölzer sogar ein Fichtenstamm hat der Künstler hier als Opfer des Borkenkäfers versammelt: Zerfressen und zerstört stehen sie nur noch als hölzerne Zeugen da. Akustisch vermischt sich eine Rekomposition von Felix Mendelssohn Bartholdys Abschied vom Walde mit melancholischem Waldrauschen. Eine Kapitulation?

Zwar noch zart und jung, recken sich Buchensetzlinge inmitten des Kunstraums in die Höhe. Gepflanzt sind sie in und auf Holz aus dem Wald in Goslar und stehen als Boten der Hoffnung. Vom gleichen Ansporn berichtet das Foto einer Hängebuche namens Karl. Diese hat Greiner als Akt der Offenlegung seines eigenen ökologischen Fußabdrucks und als lebende Skulptur im Wiener Augarten gepflanzt. Joseph Beuys wäre stolz. (Katharina Rustler, 10.6.2021)