In der Bundespolitik in Österreich sieht es momentan düster aus. Man misstraut einander, mag einander nicht, manche Medien und manche Politiker sprechen von "blankem Hass". Nicht so in der Kommunalpolitik. In der Hauptstadt Wien, aber auch in vielen kleineren Städten und Gemeinden scheint das politische Werkl ziemlich reibungslos und friedlich zu funktionieren.

In Wien, aber auch in vielen kleineren Städten und Gemeinden scheint das politische Werkl ziemlich reibungslos und friedlich zu funktionieren.
Foto: imago images/Viennareport

Warum ist das so? Christian Denkmaier, Bürgermeister von Neumarkt im Mühlkreis in Oberösterreich, erklärt es mit dem Pragmatismus, den Gemeindepolitiker haben müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Eine gut verwaltete Gemeinde, sagt er, sieht nicht viel anders aus, wenn sie von einer oder einer anderen Partei regiert wird.

Er weiß, wovon er spricht. Denkmaier ist engagierter Sozialdemokrat, seine Gemeinde liegt in einer tiefschwarzen Gegend, aber er wird von deren Bürgern wieder und wieder mit überwältigender Mehrheit gewählt.

Eine Bäuerin, auf Bundesebene lebenslange ÖVP-Wählerin, begründet ihre Stimmabgabe für den roten Bürgermeister damit, dass "der Christian am Sonntag in der Kirche immer so schön die Orgel spielt". Kein Wunder, der Kommunalpolitiker ist im Hauptberuf Chef der Musikschule in Linz.

Bei Gemeindewahlen wählt man nach Leistung, nicht nach Ideologie. Funktioniert der öffentliche Verkehr? Die Müllabfuhr? Gibt es genug Jobs, genug Wohnungen, ist der Kindergarten gut? Das gilt offenbar nicht nur für Kleinstädte wie Neumarkt, sondern auch für die Landeshauptstädte. Wien ist rot, Graz ist schwarz, Innsbruck ist grün. Gewiss gibt es auch dort Auseinandersetzungen, aber wirklich Böses hört der Normalbürger aus den diversen Rathäusern nur selten.

Persönliche Anständigkeit

Die – vielfach direkt gewählten – Bürgermeister schließen, je nach Thema, "Arbeitsübereinkommen" mit anderen Parteien. In Linz etwa hat der dortige Stadtchef, in Studententagen weit links angesiedelt, ein solches Arbeitsübereinkommen mit der lokalen FPÖ abgeschlossen. Keine Koalition, aber punktuell machte man gemeinsame Sache. Erst nach dem Ibiza-Skandal war damit Schluss. Das ging dann doch zu weit.

Der Grat zwischen Pragmatismus und Opportunismus ist schmal. Letztlich kommt es auf die persönliche Anständigkeit der Beteiligten an. Toleranz ja, moralische Kapitulation nein. Kompromiss ja, Prinzipienlosigkeit nein. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, ein Schwarzer alter Schule, meinte neulich in der ORF-Pressestunde, ein gestandener roter Gewerkschafter sei ihm hundertmal lieber als einer, der nicht wisse, wo er hingehöre.

Könnte es sein, dass sich die "großen" Bundespolitiker von den "kleinen" Lokalpolitikern etwas abschauen sollten? Mehr auf das Wohl der Bürger schauen als darauf, den politischen Gegner fertigzumachen?

Das ist gewiss leichter, wenn es um Fragen geht wie ein neues Altersheim oder ein paar Bäume im Park als über Themen wie die Migrationspolitik, die Vermögenssteuer oder das Verhältnis zur Europäischen Union. Aber wünschen darf man sich das allemal. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 10.6.2021)