Im Zentrum der Sammlung von Christian Skrein stehen Fotoikonen. Hier ein Bild von Henri Cartier-Bresson.

Foto: Cartier/Bresson/Sammlung Skrein

Ein guter Fotograf? "Das ist einer, der ein ikonisches Bild geschossen hat." Christian Skrein muss nicht lange überlegen, bevor er eine Antwort gibt. Der 76-Jährige sitzt in der Gartenlaube seiner Villa am Wolfgangsee und zieht an seiner Havanna. Vor ihm die Liste der Fotos, die das Museum der Moderne in Salzburg der Öffentlichkeit präsentieren wird. Viele Ikonen sind darunter, das Napalm Girl, der Kuss des Matrosen am Times Square, Moritz Nährs Klimt-Porträt mit Katze. Und natürlich einige Bilder, die Skrein selbst fotografiert hat. Nein, sagt er, ein ikonisches Bild habe er nie geschossen.

Für einen Mann, der gerne in Superlativen spricht, eine ungewöhnlich bescheidene Aussage. Immerhin ging Skreins Foto der in Salzburg aus dem Flieger steigenden Beatles um die Welt. Und seine Aufnahme des Künstlers Joseph Beuys ist ein Klassiker. Aber eine Ikone? Nein, sagt Skrein, eine solche habe er nicht zustande gebracht.

Er gehört zu den wichtigsten Fotosammlern der Welt. Wirklich bekannt aber ist Christian Skrein nicht.
Foto: privat

Und das, obwohl der Mann in den 1960ern der wohl berühmteste heimische Fotoreporter war. Mehr als eine Handvoll, muss man sagen, gab es damals in Österreich aber nicht.

Bekannt ist Skrein weniger für die eigenen Fotos als für seine Fotosammlung, die er in den vergangenen fünf Jahrzehnten aufgebaut hat. Weltweit gebe es nur zwei weitere Sammler, die ähnlich viele Fotoikonen besäßen wie er selbst, sagt er. Da ist er wieder, der Skrein’sche Superlativ. Die wichtigsten von ihnen werden ab heute, Freitag, in der Ausstellung Tell Me What You See am Mönchsberg gezeigt und wohl wieder eine Diskussion anfachen, die seit einigen Jahren mit dem Namen des Sammlers verbunden ist.

Permanente Herberge

Um seiner Sammlung eine permanente Herberge zu geben, wünscht sich Skrein die Errichtung eines Bundesmuseums für Fotografie. Standort: gleich neben dem Museum der Moderne am Mönchsberg. Finanzierung: Land und Bund. Ein Projekt gegen den Willen der meisten Museumsdirektoren in diesem Land (Details siehe Artikel-Link unten).

Seit dem Ausbruch der Pandemie ist es ruhig geworden um das von Landeshauptmann Wilfried Haslauer unterstützte Vorhaben, die neue Ausstellung, hofft Skrein, soll die Diskussion jetzt wieder beleben. Immerhin ist sie mit 300 Bildern die vielfältigste Schau, die jemals aus der Sammlung von Christian und seiner Frau Maria Skrein ausgerichtet wurde. So umfangreich diese ist, so wenig bekannt ist sie außerhalb von Fachkreisen. Nicht einmal Skrein selbst kann sagen, wie viele Bilder sie umfasst. Weniger als eine Million? Oder sogar mehr? Auch was ihre Qualität anbelangt, gehen die Ansichten auseinander. Kann sich die Sammlung von Westlicht-Gründer Peter Coeln mit jener von Skrein messen? Skrein selbst hat diesbezüglich naturgemäß eine klare Meinung und verweist auf die hohe Anzahl an wertvollen Vintageprints.

Die Beatles landen am Flughafen Salzburg. Ein legendäres Skrein-Bild.
Foto: Christian Skrein

Andere Experten sind vorsichtiger und monieren die mangelnde Transparenz, was den Bestand der Sammlung angeht. Sicher ist: Die Sammlung erstreckt sich von den Anfängen der Fotografie bis in die 1960er-Jahre, sie umfasst fast ausschließlich Schwarz-Weiß-Fotografien und beinhaltet neben einer Vielzahl ikonischer Fotos eine Reihe von Schwerpunkten, etwa über 6000 Bilder der Kubanischen Revolution. Genauso wie Skreins eigene Bilder aus der Bohème und Künstleravantgarde der Wiener 1960er-Jahre (mit umwerfenden Bildern der Wiener Gruppe) sind diese bereits öfters ausgestellt worden.

Leidenschaft Snapshots

Was aber ist mit den hunderttausenden vernakularen Fotografien, also Fotos nicht künstlerischen Ursprungs, die Skrein sein Eigen nennt und von denen die meisten nicht archiviert wurden? Snapshots sind eine besondere Leidenschaft des Sammlers, 2004 brachte er ein gleichnamiges Buch heraus, die Ausstellung tourte durch Europa. Ganze Fotobestände kaufte Skrein auf, nur um manchmal an ein Bild zu kommen. "Manchmal war auch kein besonderes dabei", sagt der Sammler, während seine Frau die Augen verdreht. Wie Sammler ticken, das ist für Außenstehende oftmals kaum nachvollziehbar. "In meiner Familie gibt es einen Grundsatz", sagt Skrein: "Wir verkaufen nichts." In der Jahrhundertwendevilla in Sankt Gilgen gibt es noch die Originalvertäfelungen, von der Decke im Salon hängt ein Gropius-Luster. "Hier saß Kreisky im Pyjama", erzählt Skrein.

Lange vor Bert Steins Marilyn-Aufnahme: Dieses Foto ziert das Plakat der Skrein-Ausstellung in Salzburg.
Foto: Friedrich Seidenstücker_Skrein_Collection

Geschichten über Geschichten reihen sich an diesem strahlenden Nachmittag aneinander, angefangen bei der großbürgerlichen Wiener Familie, dem Vater Raoul Bumballa, der Widerstandskämpfer und Mitbegründer der ÖVP war, über die wilden 60er in Wien und die arbeitsamen Jahre in Hollywood, wo Skrein als Werbefilmer gutes Geld verdiente. Nein, ein wilder Hund sei er nicht gewesen, stellt der Sammler klar, auch wenn die Geschichten anderes erzählen.

An den Wolfgangsee zog Skrein in den 1970ern, in jener Zeit, als seine Sammlung die ersten Konturen gewann. Fotos zu sammeln, das war damals nicht mehr als eine Leidenschaft, als Kunstform anerkannt wurde die Fotografie erst viel später. Bis heute ist der Umgang mit Fotografie davon geprägt. "Du mit deinen depperten Bildern": Diesen Ausspruch hörte Skrein immer wieder. Manche tragen ihn auch heute noch auf ihren Lippen. (Stephan Hilpold, 11.6.2021)