Lederjacken zeigen an, wer zur schwulen Szene gehört. Aus dem Anbahnungsversuch wird allerdings ein Überfall.

Foto: Ilgin Erarslan Yanmaz

Spät im Stück gehen die Feuerzeuge in den Händen der jungen Männer an, und jene präsentieren entblößte Körperstellen im orangen Schein. Sanft beleuchtet er Oberarme und Bäuche. Zwar wächst daraus szenisch nicht mehr, aber es ist immerhin der Funke einer poetischen Idee an einem wenig inspirierenden Abend. Das lässt bereits die Bühne erwarten, auf der eine Art Realismus regiert: Auf dem Screen hinten plätschert ein kleiner Teich in einem Park, davor steht eine Bank. Auf der wird einen Gutteil der 90 Minuten lang geredet werden. Vielleicht aber ist die Kargheit ja Sinnbild der Härte der Welt.

Denn die Menschen, die einander hier an einigen Frühlingsabenden begegnen, sind Stricher. Sie verkaufen ihre Körper für etwas Geld an Männer, die sie "Schwuchteln" spotten. Manchmal überfallen sie sie auch nur oder rauben nach der "Lutsch-und-Rutsch-Aktion" ihre Wohnung aus. Sahibinden Kiralik heißt das trostlose Stück, was übersetzt "Vom Eigentümer zu mieten" bedeutet. Geschrieben wurde es schon 2002, die Festwochen haben die Inszenierung der Gruppe Biriken mit dem Istanbuler Theaterfestival koproduziert. Bei der Premiere im Wiener Schauspielhaus kamen die deutschen Übertitel zum türkischen Ensemble oft arg verzögert daher.

Dienstuniform Lederjacke

Die Dialoge erzählen von Hoffnungen und Enttäuschungen, Gewalt und Ohnmacht, sind aber doch recht schwach. Wir werden in die Modalitäten der Verdienstaufteilung eingeführt, denn der Boss schneidet mit. Eine junge Frau trennt Sex von Liebe, von der sie nur träumen kann, solange diese unschuldig ist. Lederjacken halten als inoffizielle Dienstuniform her, und die schon Verlorenen akquirieren neue Hoffnungslose, ein hübscher Bursche überlegt es sich aber vielleicht doch noch und wird Bäcker, statt für Geschenke mit dessen Frau zu schlafen. Alle hier haben schwierige Biografien, im Alter will man Rosengärten hegen. Geld dafür scheint ihnen anders unerreichbar.

Soziologisch fokussierte Zuschauer mögen befriedigter nach Hause gehen. Künstlerisch wähnt man sich nicht an einem Höhepunkt aktuellen Theaters. (Michael Wurmitzer, 11.6.2021)