Cellistin Julia Hagen gelingt ein ironiefreies Musizieren.

Julia Wesely

Wie wird’s gemacht, wie gelingt der Geniestreich? Wie schwingt sich bodenständiges Handwerk ins Elysium der Kunst empor? Das möchte der Hobbykoch von Heinz Reitbauer wissen, aber auch der Amateurmaler von Gerhard Richter.

Im Berio-Saal des Wiener Konzerthauses fragt Philipp Blom am Mittwochabend mit schmeichelsanfter Stimme bei Julia Hagen und Igor Levit nach: Wie genau haben die beiden den ersten Satz von Beethovens F-Dur-Cellosonate op. 5/1 so hingekriegt, wie sie ihn gerade gespielt haben? Was ist da vorher so passiert bei den Proben?

Auf ihre Art

Igor Levit erklärt erst Grundsätzliches: Wer mit anderen musiziere, müsse bereit sein, Pläne über den Haufen zu werfen. Julia Hagen schätzt an dem 1796 für den preußischen König komponierten Werk, dass das Cello ständig zwischen Hintergrund und erster Reihe hin und her switcht. Blom bittet die Cellistin, die langsame Einleitung erst mit vibratosattem, romantisierendem Ton zu spielen wie zu Karajans Zeiten und dann auf ihre Art.

Später wird ein Sonatenfragment ganz ohne und dann wieder mit Akzenten vorgespielt. Unterschied gehört? Yep. Eines, so erklärt Julia Hagen dann, hätte sie bei der Probenarbeit besonders verblüfft: Dass ein Pianist die Sonate schneller spielen wollte als sie. Das sei ihr noch nie passiert. Und tatsächlich düsen die beiden durch das Kopfsatz-Allegro wie eine Railjet-Doppelgarnitur durch die Donauebenen: pfeilschnell. Warum nur? Und warum frönt Levit dem flauschigen Parlandoton auch dann, wenn er führt? Allzu oft kreiert der Pianist nur lichtes, sphärisches Gewölk, aus dem brutale Akzentblitze schießen. Zum Glück gelingt Julia Hagen ein körperlicheres, dringlicheres, ironiefreieres Musizieren. Begeisterter Applaus im Konzerthaus-Keller. (Stefan Ender, 11.6.2021)