Wenn das Private politisch zu werden droht, schickt das marode Imperium Kurz seinen Hanger aus, um das Politische im Privaten unter viel Luftrudern wieder einzufangen. Anschaulicher ist es nicht möglich, mit plumpen Ablenkungsversuchen die öffentliche Aufmerksamkeit dorthin zu lenken, wohin sie gehört, sie Sebastian Kurz aber partout nicht haben will, nämlich auf einen neuen Stil des Regierens. Wir haben es mit einem Paradigmenwechsel in der Öffentlichkeitsbetreuung zu tun: Wo die teure Beraterschar des Bundeskanzlers mit dem Rat aufgehört hat, Bibi in seinem Wahlkampf mit einer Grußbotschaft das Rückgrat zu stärken, begann der Kanzlergehilfe Andreas Hanger seine Arbeit für viel weniger Geld, aber ähnlich erfolgreich damit, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in den Rücken zu fallen. Seine Schuld, wenn man von niemandem mehr verlangen kann, als er vermag?

Der Kanzlergehilfe Andreas Hanger begann seine Arbeit damit, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in den Rücken zu fallen.
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Jetzt wirft Kurz Ballast ab. Nicht den falschen, doch nicht den einzigen, und es ist einer, den er selber geladen hat. Im Vertrauen darauf, die Privatheit einer "Kriegst eh alles, was du willst"-Gesinnung ließe sich kommod in das Politische staatlicher Industriepolitik verpflanzen. Es ist ja geradezu rührend, dass Thomas Schmid seine Hoffnungen fahren lassen muss, nur weil er privat Pöbel, tierische Mitmenschen und einen Betriebsrat geringschätzt, nicht aber, weil er politisch auf eine Weise bestellt wurde, in der das – wie man heute wissen will – niemals hätte geschehen dürfen.

Private Einstellung

Umgekehrt wird es noch klarer: Diese Entscheidung wäre nie korrigiert, sondern ewig gepriesen worden, wäre die private Einstellung des Öbag-Chefs nicht in die Sphäre einer staatsanwaltlichen Untersuchung gelangt, zu der es nie gekommen wäre, wäre von Anfang an alles öffentlich und korrekt zugegangen. Wenn Kurz die Meinung Hangers teilt, Chats von wem und worüber immer seien privat und gingen eine politische Öffentlichkeit nichts an, hätte er Schmid nicht eliminieren dürfen. Dass es eigenmächtig der Aufsichtsrat gewesen sein soll, der Schmid einmal anstandslos besetzt hat, sollte man Kurz nicht unterstellen.

Ein privates Gespräch unter Freunden und öffentliche Äußerungen sind gänzlich verschiedene Dinge, hat Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter gemeint. Vielleicht doch nicht ganz so verschieden, wenn die beiden Freunde hochrangige Staats- oder Justizfunktionäre mit Einfluss auf den öffentlichen Bereich sind und über öffentliche Themen parlieren. Sollten sich ein Bundespräsident und ein Bundeskanzler – rein privat – über die Möglichkeiten eines Staatsstreichs unterhalten, würde man doch auch gern mithören.

Aber ja, das Privatgespräch verdient Schutz, erleben wir doch traurig, wie den Privatiers nach Veröffentlichung oft richtig ekelt vor dem, was sie sagten. Ihre abstoßenden Worte stehen im völligen Widerspruch zu ihrer Persönlichkeit. Es muss sich um ein Chat-induziertes Tourette-Syndrom handeln, dagegen hilft bisher nur die WKStA. Einer wollte sogar privat beim steirischen Landeshauptmann um eine öffentliche Rangerhöhung der Frau Gemahlin vorstellig werden. Wie man sich so in der Adresse irren kann! Der ist doch voll damit beschäftigt, sich den jungen Kanzler nicht herausschießen zu lassen. Und das wird immer nötiger. (Günter Traxler, 10.6.2021)