Alessandro Schöpf und Marco Friedl wollen nach dem Scheitern bei den Vereinen Bewerbungsschreiben abgeben.

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Am Donnerstag haben sich die Ereignisse in Seefeld förmlich überschlagen. ÖFB-Präsident Leo Windtner ist um circa 10.30 Uhr aufgetaucht. Der Besuch war geplant und angekündigt, in Zeiten von Corona ist Spontanität abgeschafft. Er reiste per Pkw aus Linz-Umgebung an (Selbstfahrer, kein Chauffeur), erfüllte die Voraussetzungen für die Visite. Der 70-Jährige ist geimpft und negativ getestet.

Auf dem Seefelder Sportplatz flogen sozusagen die Corona-Fäuste, Windtner begrüßte jeden Spieler einzeln, auch der von Franco Foda angeführte Betreuerstab kam nicht aus. Ein bisserl Smalltalk musste sein. Es ist Recht und Pflicht jedes Präsidenten, sich über die Befindlichkeiten zu informieren. Danach wurde aufgewärmt. Bei Sonnenschein. Es war davon auszugehen, dass Windtner später im Hotel Nidum vor versammelter Mannschaft im Zwei-Meter-Abstand eine Ansprache hielt. Um noch einmal zu erwähnen, wie wichtig und bedeutend eine Fußall-EM sei. Wobei das David Alaba und Co eh wissen. Am Nachmittag ist Windtner wieder abgereist. Samstagmittag besteigt er als Teil des Trosses in Innsbruck den Flieger nach Bukarest, um am Sonntag dem Auftakt gegen Nordmazedonien beizuwohnen.

Hauptaugenmerk

Die Vorbereitung läuft nach Plan, die medizinische Abteilung muss keine Überstunden schieben. Am Mittwoch waren zwei sehr intensive Einheiten angesetzt, kurze Spielformen wurden eingeübt, dem schnellen Umschalten nach Balleroberung galt Fodas Hauptaugenmerk. Fortan wird der Umfang etwas runtergeschraubt, um gegen Nordmazedonien in den Beinen und im Geiste frisch zu sein. 22 Bleifüße wären absolut kontraproduktiv.

Am Donnerstag sprachen vor dem einzigen Training die beiden Tiroler im Kader, Alessandro Schöpf aus Umhausen im Ötztal um Marco Friedl aus Kirchbichl, kurz zu den Medien. Beide gehören wohl nicht der Startformation an. Beide versuchen logischerweise, sich aufzudrängen, sie "geben Vollgas". Sie teilen die Freude, "wieder einmal daheim zu sein". Und sie teilen das Leid. Der 27-jährige Offensivspieler Schöpf (26 Länderspiele, fünf Tore) ist mit Schalke aus der deutschen Bundesliga abgestiegen, der 23-jährige Verteidiger Friedl (drei Länderspiele) mit Werder Bremen.

Prozess

"Das nagt und wirkt nach", sagte Schöpf. "Es ist schwierig, mental damit fertigzuwerden. Der Abstieg war ein langer, schlimmer Prozess." Es sei positiv, "sich nun im Kreis von optimistischen Spielern zu befinden. Ich tanke Energie. Man merkt, wie die Stimmung steigt." Schöpf ist vertragslos. "Ich bin für alles offen."

Für ihn ist die EM "ein Bewerbungsschreiben. Also hoffe ich auf Einsätze." 2016 in Frankreich hat er angeschrieben. Er war Österreichs einziger Schütze im Turnier, netzte beim 1:2 gegen Island. Vor ihm hatte nur Ivica Vastic bei einer EM gescort, 2008 in Wien gegen Polen (Elfer zum 1:1-Endstand). Schöpf hat also schöne persönliche Erinnerungen, seine Karriere erhielt trotz des nationalen Debakels einen Schub. "Aber Fußball ist nicht Vergangenheit, es ist ein Tagesgeschäft."

Gewagter Tipp

Friedl hat zwar noch einen Vertrag in Bremen, allerdings könnte dieser aufgelöst werden, das Interesse an der Zweiten Liga hält sich in Grenzen. Auch ihn hat der Abstieg mental erwischt. "Es war unglaublich, wie wir das in den letzten Runden verkackt haben." Dieser Tage geht es den beiden blendend. Tiroler sind in Tirol bestens aufgehoben. Und wer wird Europameister? Friedl: "Nach uns Frankreich." Schöpf: "Nach uns Portugal." Dass die beiden gelacht haben, war echt bärig und überschlagend. (Christian Hackl, 10.6.2021)