Sokolova packt ihre Botschaften in Rap ein – damit sie auch jene erreicht, die sonst sofort zumachen.

Foto: privat

Wie würde Deutschrap klingen, wenn Künstler wie Yung Hurn, Apache 207, Ufo361 oder Raf Camora feministische Themen verhandeln würden? Die Frage hat sich außer Ebru Sokolova wohl noch niemand gestellt. Es ist ja auch schwer vorstellbar. Deswegen verkleidete sich Sokolova alias Schwesta Ebra, suchte sich einen passenden Beat und rappte im Stil des jeweiligen Künstlers nun ganz andere Zeilen.

In ihren Tiktok-Videos tritt sie also mit aufgemaltem Dreitagebart als Raf Camora auf und sprechsingt "Wir waren die Ersten / die Ersten, die die Tamponsteuer gesenkt haben"; ihr Ufo361 jault "den Opfern werden wir zuhören / Täter Opfer nie wieder umkehren"; und dann ist da natürlich ihr Yung Hurn – das Video, von dem alles seinen Ausgang nahm –, der "Männer haben Egoprobleme / sie ruinieren Frauen die Seele" murmelt.

schwesta_ebra

Der kurze Clip war auf Tiktok so beliebt, dass Sokolova einen ganzen Song daraus machte und ihn als Single mit dem Titel Männer haben veröffentlichte. Auch ihre zweite Nummer, Deine Dickpicks, die heute, Freitag, erscheint, bleibt dem Genre Trap treu und thematisiert die Conditio feminina: "Wir wurden schon belästigt / da waren wir nicht mal 15".

Lehramt Rap

Es ist pädagogisch, was die 23-jährige Sokolova tut, und das passt auch irgendwie zu einer Lehramtsstudentin wie ihr. Gesellschaftskritik mischt sie mit Humor, "weil ich damit eventuell auch Menschen erreichen kann, die sofort zumachen, wenn man ihnen mit politischen Themen kommt. Es gibt zum Beispiel eine Person, die immer wieder meine Videos kommentiert, sonst aber pro FPÖ ist. Trotzdem findet sie die Videos lustig und cool. Wenn ich solche Leute erreichen kann, kann es nicht so schlecht sein."

Sokolovas Mutter war in ihren Zwanzigern von Bulgarien – die Familie gehört zur türkischen Minderheit – nach Österreich gekommen. Hier wurde Ebru geboren, ihre frühe Kindheit verbrachte sie im Waldviertel. Bereits im Alter von elf Jahren begann sie, damals noch als Sängerin, Musikvideos auf Youtube hochzuladen. Seit dem Umzug nach Wien befasst sie sich stärker mit ihrer Herkunft und setzt sich für einen einfacheren Zugang zur Staatsbürgerschaft ein. "Ich bin hier geboren, aufgewachsen und sozialisiert worden, aber bin nicht Staatsbürgerin. Ich war noch nie wählen! Ich studiere Geschichte, bin sehr politikinteressiert, darf aber nicht mitentscheiden", sagt die Musikerin, die auch zu diesem Thema einen Song veröffentlichen wird.

Greifbare Autos und Uhren

"Klar beschäftige ich mich mit Themen, die mich betreffen. Ein autochthoner Österreicher wird sich halt nicht mit der Staatsbürgerschaft beschäftigen, weil er die eh schon hat." Auch um ihre Sexualität macht Sokolova keinen Hehl, die mit ihrer Freundin einen weiteren Tiktok-Account betreibt, auf dem die Klischees, mit denen sich lesbische Frauen herumschlagen müssen, thematisiert werden. Dass sie das Etikett "Die Lesbe, die rappt" aufgedrückt bekommen könnte, darüber macht sie sich Sorgen, genauso darüber, als reine Witzfigur abgetan zu werden, obwohl ihre Botschaften sehr ernst sind.

schwesta_ebra

Dass man mit Rap gegen das Patriarchat nicht unbedingt in die Charts kommt, ist ihr bewusst. "Viele zucken schon beim Wort Patriarchat aus und sagen, dass es das nicht gibt. Es ist nicht gesellschaftstauglich. Greifbar für viele ist, wenn man über Autos oder Uhren rappt." Unter all den skizzierten Themen, die Sokolova noch in Verse bringen wird, werden Autos und Uhren sicher nicht sein. (Amira Ben Saoud, 11.6.2021)