Freitag im "Amtsblatt" ausgeschrieben: Der Geschäftsführer der Wiener Zeitung GmbH, die es mit der "Wiener Zeitung" herausgibt.

Foto: Faksimile Amtsblatt Wiener Zeitung

Ganz oben im Amtsblatt sucht die republikeigene "Wiener Zeitung" am Freitag einen Manager für ihre Zukunft ohne dieses gedruckte Amtsblatt – und womöglich auch ohne die Tageszeitung: Weil Pflichtveröffentlichung von Firmen wegfallen sollen, arbeiten Management und Redaktion an – jeweils eigenen – Konzepten und strategischen Partnern für das Medienhaus.

Manager Martin Fleischhacker steht Ende August 2021 zur Verlängerung an, wie auch "Wiener Zeitung"-Chefredakteur Walter Hämmerle. Die am Freitag veröffentlichte Ausschreibung über den Manager klingt durchaus nach einer Verlängerung des Vertrauensmanns. Er wurde mit September 2018 Geschäftsführer, Bundeskanzler war schon Sebastian Kurz (ÖVP), Gernot Blümel im Kanzleramt zuständiger Medienminister.

Ende der Pflichtveröffentlichungen

Die Pflichtveröffentlichungen insbesondere von Unternehmen im gedruckten Amtsblatt der "Wiener Zeitung" dürften nun mit Ende 2022 wegfallen. Eine EU-Richtlinie verlangt eine Vereinfachung solcher Veröffentlichungen über nur eine öffentliche Stelle.

Die Pflichterveröffentlichungen machen den Großteil der Einnahmen der republikeigenen Zeitung und ihres Verlages aus, ein Wegfall bedroht die Existenz der weltweit ältesten noch erscheinenden Tageszeitung.

Konzepte des Managements und des Kanzleramts sehen nun nach bisherigen STANDARD-Infos vor, dass solche (digitalen) Veröffentlichungen auch zentral bei der Wiener Zeitung GmbH angesiedelt werden könnten. Dafür müssten aber mehrere Ministerien bisherige Aufgaben an diese abgeben.

Konzepte und Partner – mit und ohne Tageszeitung

Zudem soll die "Wiener Zeitung" nach bisherigen Konzepten etwa als Lehrredaktion für Journalistinnen und Journalisten dienen, sie soll digitale öffentliche Infoplattformen ausbauen und auf Corporate Publishing für öffentliche Stellen setzen – sie produziert schon das "Verwaltungsmagazin" "Die Republik"* Im Auftrag des Bundeskanzleramts erstellt die "Content Production das Europamagazin "Unser Europa. Unsere Gemeinde"*. Die Redaktion der "Wiener Zeitung" sieht darin eine Blaupause für eine Zukunft als eine Art PR-Redaktion des Kanzleramts.

Die Finanzierung einer Tageszeitung deckten die bisherigen Konzepte nicht ab. Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger etwa sprach in den vergangenen Monaten von einer gedruckten Wochen- oder Monatspublikation und/oder digitaler Erscheinung.

"Digitales schwarzes Brett" der Republik

Kanzler Sebastian Kurz sprach in einer Anfragebeantwortung von einem "digitalen schwarzen Brett" der Republik; Betrieb und Finanzierung einer Tageszeitung gehöre nicht zu den Aufgaben der Republik, erklärte Kurz.

Die Redaktion verwies daraufhin auf das geltende Staatsdruckereigesetz. Es überträgt die Verwaltung der Anteile an der Wiener Zeitung GmbH dem Bundeskanzleramt, Paragraf 2 besagt: "Unternehmensgegenstand der Wiener Zeitung GmbH (§ 1 Abs. 4) ist die Herstellung und der Verlag der Wiener Zeitung."

Die Redaktion arbeitet an einem eigenen Konzept, um den Fortbestand der Tageszeitung zu sichern – insbesondere mit einem oder mehreren Finanz- und/oder strategischen Partnern. Öffentliche Mittel für den Verlag sah dieses Konzept nach bisherigen Infos vor, allerdings schrittweise abnehmend über vier Jahre auf dem Weg zur eigenständigen Finanzierung.

Industrie und Medienmanager

Das Konzept wollte Chefredakteur Hämmerle dem Kanzleramt Ende Mai, Anfang Juni vorlegen, in diesen Tagen soll es so weit sein. Laut Hämmerle ist das Konzept fertig, mit einem strategischen Partner habe man aber vorerst Stillschweigen vereinbart.

Das regt in der Branche gerade die Fantasie über über mögliche Partner an – spekuliert wurde etwa über Telekom/A1 (mit Republikanteil), wo man derlei aber ziemlich überrascht verneint. Spekuliert wurde auch über Partner aus dem Umfeld der Industriellenvereinigung (IV), der STANDARD bat eine Sprecherin Donnerstagnachmittag um Rückruf.

Mehrere Menschen aus der Branche haben in den vergangenen Monaten Interesse an der "Wiener Zeitung" bekundet oder durchklingen lassen. Medienmanager und -berater Markus Posset etwa zusammen mit dem möglichen Investor Paul Swarovski; auch Christian Pöttler (Echo-Medienhaus) wollte informiert werden, sollte die Republik die "Wiener Zeitung" oder Anteile daran verkaufen wollen.

Aufgabe: Restrukturierung

Die Ausschreibung des Geschäftsführers für die "Wiener Zeitung" – wiederum für drei Jahre – verweist auf die Ankündigung im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen, "die Veröffentlichungspflicht in Papierform in der 'Wiener Zeitung' abzuschaffen". Ebenso auf dessen Auftrag, "ein neues Geschäftsmodell der 'Wiener Zeitung' mit dem Ziel des Erhalts der Marke zu entwickeln und Serviceplattformen des Bundes zu bündeln".

"Aufgabe des Geschäftsführers / der Geschäftsführerin ist neben der Leitung des Unternehmens vor allem die Restrukturierung und die Umsetzung der zukünftigen neuen strategischen Ausrichtung", heißt es in der Ausschreibung.

Sie verlangt "Erfahrung in Restrukturierung und Neuorganisation", ein abgeschlossenes Studium, "vorrangig Wirtschaft oder Medienmanagement", Erfahrung in "Unternehmensplanung in Hinblick auf digitale Geschäftsmodelle", "Expertise" in digitalen Medien, "sehr gutes Verständnis" internationaler Trends und Entwicklungen.

Bewerberinnen und Bewerber sollen sich in Führungspositionen im Medienmanagement "bewährt" haben, mit "nachweisbarem Erfolg in Personalführung und Reorganisation". Und die Ausschreibung verlangt "Erfahrung im Umgang mit Behörden und öffentlichen Institutionen auf Führungsebene im Inland und angrenzenden Ausland". Der Manager oder die Managerin soll auch eine "ausgeprägte Fähigkeit" haben, "mit unterschiedlichen Stakeholdern aus komplexen Interessengebieten umzugehen".

Einen Monat ist Zeit für Bewerbungen. Bis dahin könnte schon etwas klarer sein, welches Konzept das Kanzleramt sich vornimmt. (fid, 11.6.2021)