Omar Sy behält als Meistergauner "Lupin" auch in der zweiten Staffel der Netflix-Serie den Überblick.


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Den Pariser Louvre als Tatort in einer Serie gab es zum allerersten Mal 1965. In Belphégor oder das Geheimnis des Louvre geht eine geheimnisvoll maskierte Gestalt in den nächtlichen Museumshallen um. Ein junger Student will den mysteriösen Spuk aufdecken und gerät in eine Riesenverschwörung – inklusive Liebeshändel mit zwei schönen Damen, eine davon ist Juliette Gréco.

Die Miniserie trägt den düster-trashigen Charme deutscher Edgar-Wallace-Filme, transferiert aber in der Art der Erzählung, Kamera, Dialoge und Musik geschickt existenzialistische Elemente vom Kino ins Fernsehen. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland, wo die Serie zwei Jahre später lief, war Belphégor ein Straßenfeger mit Millionenpublikum.

Im Louvre fing alles an

Ein halbes Jahrhundert später gelingt einer französischen Streamingserie ein ähnliches Kunststück. Ein Straßenfeger ist Lupin zwar nicht, die Zeiten dafür sind endgültig vorbei. Aber der Plot um Meistergauner Assane Diop ist eine der erfolgreichsten Netflix-Serien. Im Louvre fing schließlich auch hier alles an. Und wie es begann, so geht es weiter: Die zweite Staffel von Lupin ist so gut wie die erste.

Die Voraussetzungen dafür schuf ein gemeiner Cliffhanger, der zum Weiterschauen zwang und am Beginn der Fortsetzung im typischen Lupin -Stil aufgelöst wird: Verkleiden, verfolgen, austricksen und in der letzten Sekunde haarscharf entkommen – das ist der Rhythmus des sich auf den Romanhelden Arsène Lupin berufenden Meistergauners Assane (Omar Sy).

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Ein Rhythmus, bei dem man mitmuss. In neuen, trickreichen Wendungen wird der Hauptplan weiterverfolgt. Er heißt, den Tod des Vaters zu rächen und die Liebe des Lebens zurückzuerobern, inklusive Familienzusammenführung.

Es ist vor allem die spielerische Leichtigkeit, mit der Lupin hier der Geschmack der Zeit trifft. Einfach zum Spaß die Rechnung im Restaurant nicht bezahlen, sich ein Motorrad stibitzen und damit die Champs-Éliysées hinunterbrettern – das sind Szenen wie früher. "Dumm, dass man die Zeit nicht anhalten kann." Lupin sagt ständig solche Sätze, in denen sich Zuschauer finden können. Er ist das Leben, der unbeirrbare positive Geist. Aufgeben ist keine Option.

Aber das ist nicht alles. Mit einer Story, die Drama, Krimi, Action, Humor und Emotion beinhaltet, bringt die Serie zudem französisches Flair in Corona- und neuerdings Post-Corona-Haushalte. Die Schönheiten einer Weltstadt sind das Tourismusprogramm für ein reisehungriges Serienpublikum, das dankbar sein kann, nicht mit abstrusen Klischees wie etwa in der anderen Paris-ist-so-schön-Netflix-Serie Emily in Paris konfrontiert zu werden. Verfolgungsjagd in den Katakomben? Diese Stadt ist einfach toll.

Keine Trottel

Lupin funktioniert in ganz altmodischen Kategorien, im hohen Identifikationspotenzial der Hauptfigur. Dieser Assane ist kein Actionheld mit Superkräften. Ihn haben die Erfahrungen geprägt, er hat trotz widrigster Umstände etwas aus sich gemacht. Und er ist einfach clever. David gegen Goliath lautet das handlungsleitende Motiv, und darin gleicht Lupin eins zu eins der hochverehrten Schachkönigin Beth Harmon aus The Queen’s Gambit, der zweiten erfolgreichen Netflix-Serie im Lockdown. Dabei braucht der Lupin-Modus nicht einmal die totale Polarisation Gut-Böse. Assanes Gegenspieler sind keine Trottel – bis auf die uniformierten Polizisten, die schon, aber die übrigen Figuren werden nicht schwarz-weiß gezeichnet. Selbst Schurke Pellegrini (Hervé Pierre) hat menschliche Züge.

Dazu kommen jede Menge Überraschungsmomente, Fäden, die auseinander und wieder zusammenlaufen, und ein Showdown, der seinem Namen gerecht wird. Natürlich halten die Drehbuchautoren ihre Zuschauer mitunter ordentlich zum Narren – Achtung, jetzt kommt ein Spoiler: Auf der Suche nach dem verschwundenen Raoul nehmen Assane und der Polizist Guédira zusammen die Verfolgung der Kidnapper auf. Die sind zwar schon über alle Berge. Den Aufenthaltsort finden sie über die Straßenkarte heraus. In der Normandie. Einfach so die richtige Straße genommen.

Egal. Dieser Serie verzeiht man alles. Endet Lupin hier? Bestimmt nicht. (Doris Priesching, 12.6.2021)

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