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Wo sich Expertinnen und Experten einig sind: Wenn Männer einen Teil der Karenz übernehmen, kann das bewirken, dass sie sich auch später mehr kümmern.

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Wenn am Sonntag hierzulande Vatertag gefeiert wird, werden vermutlich viele Väter betonen, was für eine Bereicherung ihre Kinder seien. Gleichzeitig müssen aber viele von ihnen einräumen: Sie sehen ihre Kinder nur kurz, wenn sie abends von der Arbeit nach Hause kommen.

Obwohl Männer seit 30 Jahren die Möglichkeit haben, in Karenz zu gehen, ist die Kinderbetreuung immer noch überwiegend Frauensache. Laut einer Mikrozensus-Erhebung der Statistik Austria nahmen zuletzt drei Prozent der Väter einen Papamonat, fünf Prozent waren in Elternkarenz, und fünf Prozent reduzierten ihre Arbeitszeit, um die Kinder zu betreuen. Dabei würden viele Väter gern mehr Zeit mit Tochter und Sohn verbringen.

Mehr exklusive Betreuungszeit für den Mann wünschen sich auch viele Befragte in einer aktuellen Onlineumfrage der Arbeiterkammer Wien (AK), die dem STANDARD vorab vorliegt. Knapp 44 Prozent der 842 Befragten sind demnach dafür, dass eine höhere Väterbeteiligung auch gesetzlich geregelt wird, ein Fünftel ist dagegen.

Derzeit gibt es verschiedene Karenzmodelle. Beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld verlängert sich der Anspruch von zwölf auf 14 Monate, wenn auch der Vater in Karenz geht. Voraussetzung ist, dass er mindestens zwei Monate übernimmt. Andere Länder gehen da weiter: In Island, wo etwa neun von zehn Vätern in Karenz gehen, sind fünf Monate für Väter reserviert. Nimmt sie eine Familie nicht in Anspruch, verfallen sie. Ganz nach dem Motto "Use it or lose it". Ist so eine gesetzlich verankerte Väterbeteiligung das Um und Auf bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wo hapert es, und was können auch Unternehmen tun?

Dass es mehr Anreize geben müsste, damit sich Väter stärker beteiligen, findet auch Manuela Vollmann. Sie ist Geschäftsführerin des ABZ*Austria, eines Vereins zur Förderung von Arbeit, Bildung und Zukunft von Frauen.

"Elternzeit" mit mehr Geld

Entscheidend sei aber auch, wie Eltern nach der Karenz weiterarbeiten. Häufig ist es so, dass die Frauen in Teilzeit gehen, die Männer weiter Vollzeit arbeiten. Dass Kinderbetreuung und Haushalt dann an den Frauen hängen bleiben, ist kein Wunder. Nur bei etwa jedem siebenten Elternpaar arbeiten laut Statistik Austria beide Vollzeit. Und in weniger als zehn Prozent der österreichischen Partnerschaften ist die Frau haupterwerbstätig oder gehen beide in Teilzeit, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Obwohl letzteres also die Ausnahme ist, sprechen sich 72 Prozent in der AK-Umfrage für finanzielle Unterstützung aus, wenn beide ihre Arbeitszeit reduzieren.

Das ABZ*Austria hat dafür ein Konzept ausgearbeitet: eine gesetzlich verankerte "Elternzeit", bei der beide Eltern 30 Stunden arbeiten. Analog zur Elternteilzeit können Mutter und Vater ihre Arbeitszeit reduzieren – mit dem Unterschied, dass ihr Gehalt aufgestockt wird. Jedoch nur dann, wenn wirklich beide weniger arbeiten. Funktionieren soll die Aufstockung ähnlich wie bei der Kurzarbeit, erklärt Vollmann: "Der Betrieb zahlt die Erwerbsarbeit, die geleistet wird, der Staat zahlt den Rest dazu, sodass jemand zum Beispiel 90 Prozent seines Gehalts bekommt." Die AK hat ein ähnliches "Familienarbeitszeitmodell". Vollmann ist überzeugt, "dass das auf Dauer dazu führen könnte, dass sich die unbezahlte Arbeit in den Familien anders aufteilt."

Keine Meetings am Abend

Ebenso essenziell für eine bessere Vereinbarkeit ist laut Vollmann "eine ausreichende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr". Hier sieht sie einerseits den Staat in der Pflicht, genug Plätze bereitzustellen. Aber auch Betriebe müssten innovativ werden. In Vorarlberg habe eine große Firma zusammen mit kleineren einen Verein für Kinderbetreuung gegründet und Betreuer angestellt. Diese Alternativen brauche es, denn Kindergärten können sich oft nur große Betriebe leisten.

Dass auch die Firmen Maßnahmen setzen müssen, damit sich Eltern nicht mehr zwischen Familie und Job zerreißen, dem stimmen die Teilnehmenden der AK-Umfrage zu. Knapp zwei Drittel sprechen sich dafür aus. Neben Betriebskindergärten brauche es flexiblere Arbeitszeitmodelle, die genug Zeit mit dem Kind ermöglichen, sagt Vollmann.

In puncto flexible Arbeitszeit oder Viertagewoche sollte laut Experten etwa darauf geachtet werden, dass nicht nur von Montag bis Freitag nine to five gearbeitet wird, sondern es auch möglich ist, früher aufzuhören, um das Kind rechtzeitig aus der Betreuung abzuholen.

Aber auch Meetings sollten nicht am Abend oder Freitagnachmittag angesetzt werden, wo viele Teilzeitschaffende nicht mehr im Dienst sind. Auch Jobsharing, also eine Stelle auf zwei Teilzeitkräfte aufzuteilen, ist eine Maßnahme für bessere Vereinbarkeit, die noch dazu Arbeitsplätze schafft. Das geht auch mit Führungspositionen: Vollmann teilt sich die ABZ*Austria-Spitze.

Druck auf die Väter

Ansetzen müssten Betriebe auch bei der Kultur. Herrscht der Glaube, dass Fürsorge Frauensache ist, werden es Männer, die in Karenz oder Teilzeit gehen, schwer haben. "Leider wird von den Unternehmen großer Druck auf die Väter ausgeübt, nicht in Karenz oder Elternteilzeit zu gehen. Die Aufgeschlossenheit fehlt", sagt Renate Anderl, Präsidentin der AK Wien. Die AK hat im Vorjahr mit einem Karenzvater erstmals eine Klage gegen Diskriminierung aufgrund des Familienstands gewonnen – DER STANDARD berichtete.

Vorbilder sind laut Vollmann essenziell für mehr Akzeptanz: Chefs, die beim Baby bleiben oder früher gehen, um das Kind abzuholen. Kleine Kampagnen wie Poster von aktiven Vätern könnten ebenfalls ein Umdenken schaffen. Was Betriebe davon haben? "Einen guten Ruf, der sie für Bewerberinnen und Bewerber interessant macht."

Sie ist überzeugt, dass nun die ideale Zeit für einen Wandel ist, weil im Lockdown auch einige Väter ihre Kinder mehr betreut hätten. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die Pandemie einen Backlash gebracht hat: Viele Frauen haben im Job zurückgesteckt, als Kindergärten und Schulen geschlossen waren.

Wo sich Expertinnen und Experten jedenfalls einig sind: Wenn Männer einen Teil der Karenz übernehmen, kann das bewirken, dass sie sich auch später mehr kümmern. (Lisa Breit, Selina Thaler, 13.6.2021)