Knapp zwei Millionen Flaschen Wein verkauft der burgenländische Winzer Erich Scheiblhofer jährlich. Er erzählt von seinem neuen Hotelprojekt, wie Sport und Wein zusammenpassen und warum man eine Eventhalle in einem der hintersten Zipfel des Landes baut.

STANDARD: Grundsatzfrage: weiß oder rot?

Scheiblhofer: Üblicherweise erst weiß, dann rot, es kommt aber auch auf die Speisenbegleitung an. Ich mag sie beide.

STANDARD: Viele blicken auf ein Corona-bedingt schwieriges Jahr zurück. Wie ist es Ihrem Betrieb ergangen? Haben die Leute weniger getrunken?

Scheiblhofer: Ich glaube nicht, dass die Menschen weniger getrunken haben, das zeigten die vollen Glascontainer. Wir haben zwar weniger Wein verkauft, aber es mit dem Verkauf an Privatkunden halbwegs abgefangen. Es hilft, dass wir bei Spar und Rewe gelistet sind, da ist der Absatz deutlich gestiegen. Die geschlossene Gastro und Hotellerie haben natürlich sehr geschmerzt.

Erich Scheiblhofer in seiner "Hall of Legends". Die Barriquefässer im Hintergrund sind im Winter mit Wein gefüllt, im Sommer wird es in der 1.200 Quadratmeter großen Halle dafür zu warm.
Foto: Heribert CORN

STANDARD: Dennoch investieren Sie kräftig. Die drei Großbaustellen in Andau sind alle von Ihnen?

Scheiblhofer: Bauen war immer schon meine Leidenschaft. Aktuell entstehen ein Hotel mit 118 Zimmern, ein zweites Gästehaus mit 26 Zimmern, und das alte Dorfwirtshaus wird renoviert. Nach dem Bau der Veranstaltungshalle "The Hall of Legends" im Jahr 2015 war das der nächste logische Schritt.

STANDARD: Für eine zentrale Lage ist Andau nicht bekannt, warum baut man hier eine 1.200 Quadratmeter große Veranstaltungshalle?

Scheiblhofer: Mein Risikomanager hat damals gemeint: "Sie können es sich zwar leisten, aber ich versteh es nicht." Niemand kommt zufällig nach Andau, man muss hierher wollen. Ich will den Menschen etwas bieten. Momentan betreiben wir unseren Pop-up-Heurigen The Quarter in der Halle. Hier finden auch Galadinners mit Haubenköchen, Business-Veranstaltungen oder Seminare statt. Einmal wurde ein weltweit neues Medizingerät vorgestellt, wir mussten alle Fenster abkleben.

STANDARD: Ihre Kernkompetenz liegt aber dennoch im Wein?

Scheiblhofer: Das stimmt. Über den Wein haben wir uns vor allem im Westen einen Namen gemacht, das lockt die Leute her. Unser wichtigster Exportmarkt ist die Schweiz. Man möchte kaum glauben, wie viele Schweizer den Weg ins Burgenland auf sich nehmen, um die Kulinarik und Kultur hier zu genießen.

"Für Wein sehe ich in Österreich wegen des Klimawandels kein Problem. Wein ist begnügsam."

STANDARD: Big John ist Ihr Aushängeschild und schmeckt jedes Jahr gleich. Wie geht das?

Scheiblhofer: Dass er jedes Jahr gleich schmeckt, ist für mich ein Lob. Es ist wie in der Top-Gastronomie, ein gutes Steak entsteht in vielen kleinen Schritten. Das ist bei Big John nicht anders. Man braucht das beste Ausgangsprodukt, in meinem Fall die Trauben. Jeder weitere Schritt ist bis ins kleinste Detail abgestimmt. Von der Ernte über die Veredelung in der Grundgärung bis zum Ausbau im Barriquefass.

STANDARD: Klingt ein bisschen nach Systemwinzerei?

Scheiblhofer: Ist es auch. Es hat ein bisschen etwas Amerikanisches. Die Vision heißt Big John oder ein 100-Punkte-Wein, und der Weg dorthin wird angepasst.

STANDARD: Erwarten Sie heuer einen guten Jahrgang?

Scheiblhofer: Kein Jahr ist gleich, man hat jedes Jahr eine neue Chance. So eine späte Vegetation wie heuer hatten wir schon ewig nicht mehr, das macht es spannend.

STANDARD: Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Winzerei aus?

Scheiblhofer: Wein ist genügsam und anpassungsfähig, er gedeiht auch auf den unterschiedlichsten Böden. Mehr Sonne bedeutet mehr Assimilation, mehr Zucker und mehr Alkohol. Eventuell muss man früher ernten, damit er nicht zu stark wird. In Australien ist das ganz normal.

Anders als viele andere Unternehmer stören Erich Scheiblhofer die hohen Lohnnebenkosten nicht, die Bürokratie dafür umso mehr.
Foto: Heribert CORN

STANDARD: Kann diese Entwicklung die Sortenvielfalt beeinflussen?

Scheiblhofer: Bei der Sortenvielfalt wird sich etwas ändern. Cabernet Sauvignon ist die späteste Rotwein-Rebsorte und mittlerweile zu einer unserer wichtigsten geworden. Man wird das Geschmacksprofil der Weine etwas adaptieren müssen. Problem sehe ich wegen des Klimawandels in puncto Weinbau für Österreich aber keines.

STANDARD: Machen Sie sich im Winter Sorgen, ob die Ernte gut wird?

Scheiblhofer: Warum soll ich mich über Dinge sorgen, die ich nicht beeinflussen kann? Hagel, Spätfrost, Dauerregen – kann alles passieren. Ich gehe vom Besten aus und nehme, was kommt. Wer im Vorhinein Angst hat, sollte kein Unternehmer werden, sondern zur Bahn gehen.

"Österreich ist zu klein für gnadenlose Konkurrenz. Jeder hat seinen Stil, und es gibt genug Platz für alle."

STANDARD: Wie stehen Sie zum Standort Österreich?

Scheiblhofer: Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich mit den Lohnnebenkosten kein Problem. Man kriegt ja was dafür, die soziale Absicherung ist viel wert. Ein Blick über die Grenze nach Ungarn genügt, um die E-Card zu schätzen. Kein Verständnis habe ich aber für die übertriebene Bürokratie in diesem Land.

STANDARD: Wegen Corona?

Scheiblhofer: Nein, generell. Während Corona war die Kurzarbeit sehr wichtig für uns. Weil wir ein Mischbetrieb sind aus Gastro und Handel, haben wir aber von den versprochenen Hilfen nichts bekommen.

STANDARD: Wie ist Ihr Verhältnis zu Konkurrenten wie Leo Hillinger oder Jaqueline Klein und Hannes Reeh, die auch in Andau daheim sind?

Scheiblhofer: Freundschaftlich. Ich gehe gern mit Kolleginnen und Kollegen in den Weinkeller und teile mein Wissen. Österreich ist zu klein für gnadenlose Konkurrenz. Nur gemeinsam können wir das Burgenland groß machen. Jeder hat seinen Stil, und es gibt genug Platz für alle. Wir verweisen Gäste zueinander.

"Der Risikomanager hat nicht verstanden, warum ich diese Halle in Andau baue."
Foto: Scheiblhofer

STANDARD: Sie unterstützen die Snowboarderin Julia Dujmovits. Passen Sport und Wein zusammen?

Scheiblhofer: Sport und Bewegung hängen essenziell mit Gesundheit zusammen. Körperlich und geistig. Deswegen gehe ich fast jeden Tag mit meinem Hund laufen. Sport steht für Lebensfreude, ebenso wie ein gutes Glas Wein am Abend. Das passt also schon gut zusammen. Außerdem ist Julia eine der nettesten Personen, die ich kenne.

STANDARD: Schaffen Sie es abzuschalten?

Scheiblhofer: Wirklich abschalten kann ich nur, wenn ich wegfahre, ich wohne auch hier beim Betrieb. Verantwortung abzugeben musste ich lernen, anders geht es bei einem Betrieb mit 100 Leuten aber nicht. Außerdem halten mich meine beiden Kinder ganz gut in Trab.

STANDARD: Ihr Vater hat den Betrieb gegründet, war es immer klar, dass Sie ihn übernehmen?

Scheiblhofer: Ja. Ich bin in bäuerlicher Umgebung aufgewachsen, klassische Landwirtschaft war aber nie eine Option, Wein war immer mein Ding.

STANDARD: Was hat es mit der Großtrappe als Ihr Logo auf sich?

Scheiblhofer: Rebhuhn, Fasan, Ente, ich hab schon alles gehört (lacht). Die Großtrappe ist das Wappentier von Andau und der größte flugfähige Vogel Europas. Mein Vater meinte damals, einen Vogel haben viele, wir haben den größten. (Andreas Danzer, 14.6.2021)