Das Mephistophelische an Kickl reicht aber nicht, schließt Günter Traxler aus Andreas Mölzers "Zur Zeit".

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Was wurde in den letzten Tagen nicht alles über Herbert Kickl geschrieben! Nichts davon war wirklich neu, ist der demnächst neue Obmann der FPÖ doch auch nur das abgestandene Exemplar einer Führernatur, wie sie diese Partei nicht das erste Mal hervorbringt. Der journalistische Aufwand war insofern interessant, als er von denen betrieben wurde, die sich den Erfolg von blauen Heilsverkündern damit erklären, dass sie von den Medien hochgeschrieben werden. Sonst wären sie nichts.

"Ein Kanzler und sein Todfeind"

Wer wirklich seriöse Information zu Kickl suchte, durfte nicht zu den Schmiedls, der oder die musste zum Schmied gehen. Also zu Andreas Mölzer in "Zur Zeit". Dessen Editorial kam einem Partezettel für Sebastian Kurz gleich: Ein Kanzler und sein Todfeind. Der Ausdruck Feind wäre Mölzer zu schwach gewesen, und "politischer Gegner", wie er gelegentlich in Demokratien noch vorkommt, blanke Humanitätsduselei. Und der Kanzler war ahnungslos.

Als Sebastian Kurz, von den Göttern und vom Schicksal vermeintlich glücksverwöhnter Jungpolitiker, den Weiterbestand der türkisblauen Bundesregierung von der Abberufung des damaligen Innenministers, des FPÖ-Strategen Herbert Kickl, abhängig machte, ahnte er nicht, dass er sich damit einen Feind, ja, einen Todfeind schuf, der für ihn und seine Karriere zum schwerwiegendsten Problem werden sollte.

Ein Kickl ist da überflüssig

Also das schwerstwiegende Problem für Kurz ist er derzeit selbst, ein Kickl ist da überflüssig. Dennoch: Als Herbert Kickl bei einer dieser Demos als Redner in den Ruf "Kurz muss weg" einstimmte, war dies mehr als politisches Wunschdenken. Es war und ist politisches Programm. Dafür braucht’s in der FPÖ wenig. Die Versuchung, den übermächtigen türkisen Strahlemann gemeinsam von der politischen Bühne zu fegen, den Keim dieser Versuchung, den hat Herbert Kickl, der Mephisto der österreichischen Innenpolitik, zweifellos ausgepflanzt.

Das Mephistophelische an Kickl reicht aber nicht. Wenn der linkslinke Wohlfahrtsausschuss, der hierzulande unter dem Namen WKStA agiert, mit seiner juristischen Wühlarbeit erfolgreich ist und es tatsächlich zu einer Anklage gegen den Kanzler käme, dann dürften diese Keime aufgehen und für die türkise ÖVP-Spitze höchst unangenehme Früchte tragen. Was ist das für ein Mephisto, der die Staatsanwaltschaft braucht, um seinen Todfeind zu erledigen? Man kann es sich vorstellen. Er würde die Staatsanwaltschaft ebenso zum Todfeind erklären, wie das Kurz versucht. Der Mephisto und der von den Göttern glücksverwöhnte Jungpolitiker haben mehr gemeinsam als man bei so viel Todfeindschaft vermuten würde, und das sollte zu denken geben.

"Stoßtruppführer"

Egal, dennoch bleibt es Tatsache, dass der Todfeind des Sebastian Kurz, Herbert Kickl, der einzige gefährliche Herausforderer des juvenilen türkisen Bundeskanzlers ist. Er ist der eigentliche Stoßtruppführer gegen die Bundesregierung, und dieser hat an mehreren Fronten zu kämpfen. Man hört förmlich schon die Handgranaten explodieren. Unter Kickls Kommando werden am Ballhausplatz Schützengräben ausgehoben. Statt Radau zu machen im Wurschtelprater treten Kickls Söldner in der Prater-Hauptalle zum Morgenappell an. Sprung vorwärts decken, da wird der von Göttern und vom Schicksal glücksverwöhnte Jungpolitiker schön schauen, was aus seinem Innenminister geworden ist.

Denn im Zuge dieses Kampfauftrages sieht Kickl die Langzeit-Regierungspartei ÖVP offenbar wie den mythischen Drachen Fafner, der über den Nibelungenschatz wacht, wie die ÖVP über die Republik.

Wotans Altspatzen

Also das ist jetzt für Wotans Altspatzen in der FPÖ. Und diesem Drachen den Kopf – im übertragenen Sinne versteht sich (feig auch noch!) – abzuschlagen, nämlich dem Kanzler den politischen Todesstoß zu versetzen, das ist Kickls zentrale Motivation. Das Nächste ist wohl der Saalschutz, irgendein Spender wird sich doch finden, der den blauen Stoßtrupps Parteiuniformen finanziert. Dass der alte Mölzer, so oft von seinen Führern bitter enttäuscht, das noch erleben und heraufbeschwören durfte!

Schwach dagegen die "Presse am Sonntag". Sie bescheinigte dem Todesstoßer bloß dasBerserkerhafte. Als Innenminister wurde Herbert Kickl zum Dämon für den politischen Gegner. Kein Wunder, bei dieser Selbsteinschätzung: Kickl sah sich als Vertreter des "kleinen Mannes". Sein bis heute asketisch gebliebener Lebensstil ist Teil davon. Obacht! Der "kleine Mann" ist nicht asketisch. Und schon einmal hat alles mit einem Vegetarier begonnen. (Günter Traxler, 13.6.2021)