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Der 12. November 2020 ist ein Datum mit historischer Tragweite. Zumindest für die Fußballchronisten aus Nordmazedonien wird dieser Tag fortan mit einem Mann in Verbindung gebracht: Goran Pandev. Der 37-jährige Stürmer des CFC Genua hat an jenem Abend im Nationalstadion von Tiflis mit seinem Siegestreffer im Playoff gegen Georgien die Qualifikation seines Landes für die EM besiegelt.

Goran Pandev bestreitet am Sonntag sein 120. Länderspiel für Nordmazedonien. Er hält bei 37 Treffern.
Foto: APA/AFP/Fassbender

Eine Premiere, noch nie war die Auswahl der jungen Balkanrepublik auch nur in der Nähe eines Großereignisses. Die Euphorie in Skopje und Umgebung schlug Wellen. Ministerpräsident Zoran Zaev machte sich zu mitternächtlicher Stunde auf den Weg, um den Tross in Empfang zu nehmen. Da der Flieger aus Tiflis wegen dichten Nebels nicht in Skopje landen konnte, wurde die Maschine kurzerhand ins benachbarte Prishtina, in den Kosovo, weitergeleitet. Zaev, der wie Pandev aus der Stadt Strumica stammt und dort auch Bürgermeister gewesen ist, wartete am Grenzübergang Blace auf den Mannschaftsbus. Im Trikot des Goldtorschützen.

Völlig verrückt

Eine weitere Kostprobe seines Könnens gab Pandev in der WM-Qualifikation Ende März gegen Deutschland, als er einen Treffer zum überraschenden 2:1-Sieg beisteuerte. Er selbst konnte es kaum fassen: "Es ist verrückt, was wir vollbracht haben", sagte er nach der Partie in Duisburg, überwältigt von den Emotionen. Es war, wohlgemerkt, das erste Aufeinandertreffen der beiden Länder.

In seiner Laufbahn war er nicht immer auf Rosen gebettet. Als Pandev 2001 von seinem Heimatverein FK Belasica in die U19 von Inter Mailand wechselte, war sein Land knapp einem Bürgerkrieg entronnen. Diese Entwicklungen verfolgte der junge Stürmer in Italien, wo er anfangs von Inter an den Drittligisten Spezia ausgeliehen wurde. "Die ersten Jahre in Italien waren hart, jedoch extrem lehrreich", erinnert sich der stets joviale Angreifer, der mittlerweile auch die italienische Staatsbürgerschaft erworben hat.

Tor gegen Deutschland.
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Die Klubverantwortlichen der "Nerazzurri" schienen am Anfang nicht hundertprozentig von seinem Wirken überzeugt zu sein, sodass er zwischenzeitlich an andere Klubs der Serie A ausgeliehen oder transferiert worden war. Man kann es eine Fügung des Schicksals nennen, dass Pandev nach Stationen bei Ancona und Lazio Rom den ersten Karrierehöhepunkt in der Hauptstadt der Lombardei erleben durfte. Dorthin war er im Jänner 2010 zurückgekehrt, um unter der Federführung von José Mourinho zum Triple-Erfolg von Inter Mailand mit seiner aufopfernden und mannschaftsdienlichen Spielweise beizutragen. Es waren diese Attribute, zu denen auch seine Flexibilität hinzukommt, die ihn unverzichtbar für die strategischen Ausrichtungen des "Special One" machten. Im Endspiel der Champions League wurde Bayern München 2:0 besiegt. "Jeder Spieler wünscht sich einen Trainer wie Mourinho. Er ist fachkompetent, ehrlich, eloquent und ein super Motivator", sagt der zweifache Familienvater.

Parallel zum Triple war Pandev in jenem Jahr auch als Fußballförderer auf dem Balkan aktiv: Er gründete in seiner Heimatstadt Strumica den Verein Akademija Pandev, der anfangs als Talentschmiede gedacht war, ehe sukzessive eine Seniorenmannschaft aufgebaut wurde, die in der ersten Liga Nordmazedoniens spielt und in der Sashko Pandev, der jüngere Bruder des "Fußballmäzens", Kapitän ist. Vor zwei Jahren holte das "Baby", wie Pandev seinen Klub nennt, überraschend den Ligapokal und nahm anschließend an der Qualifikationsrunde der Europa League teil.

Geplanter Rückzug

Eigentlich plant "Góce", wie Pandev in seiner Heimatstadt genannt wird, seinen Rückzug aus dem Profifußball, zumal sein Vertrag bei Genua nicht verlängert wurde. Sein Abschiedsspiel möchte er im Oktober im Nationalstadion in Skopje gegen Deutschland geben. "Bis dahin sollten die Corona-Beschränkungen aufgehoben, das Stadion ausverkauft sein." Zuvor will der Rekordnationalspieler Nordmazedoniens (119 Spiele, 37 Tore) bei der EM für Furore sorgen. Sein Team, die "Reprezentacija", bestreitet die Vorrundenspiele gegen Österreich und die Ukraine in Bukarest, das knapp 600 Kilometer von Pandevs Geburtsstadt entfernt liegt. "Es wäre fantastisch, wenn unsere Fans auch Zugang zu den Spielen haben könnten", sagt er mit einer Portion Wehmut aufgrund der aktuellen epidemiologischen Situation. Kaum tausend Anhänger Nordmazedoniens werden in der Arena National erwartet.

Sollte die Erfolgswelle der Elf von Nationaltrainer Igor Angelovski die EM übertauchen, könnte Pandev seine Rücktrittsentscheidung revidieren. Ginge es nach Angelovski, hätte sein Kapitän längst nicht ausgedient. "Wir müssen mit ihm noch zur WM nach Katar fahren." Zuerst gilt es, am Sonntag die österreichische Hintermannschaft zu ärgern. Pandev sagt: "Wir kennen unsere Stärken und wissen, was wir können. Deswegen wäre es kein Wunder, würden wir die Gruppenphase überstehen." (Dimitrios Dimoulas, 12.6.2021)