Kein Zweifel, nach dem Absturz der Wirtschaft im Corona-Jahr 2020 geht es zügig wieder bergauf. Auch die heimische Nationalbank (OeNB) hat ihre Prognosen leicht nach oben revidiert. Nach einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Österreich um 6,7 Prozent im Jahr 2020 rechnet die Nationalbank für 2021 und 2022 mit einem Wachstum von 3,9 Prozent bzw. 4,2 Prozent.

Die Stimmung hat sich weiter aufgehellt. Impffortschritte und Rücknahme der Corona-Maßnahmen sollten das Wachstum erheblich beflügeln. Noch Ende vergangenen Jahres rechnete die Notenbank für heuer mit einem BIP-Plus von 3,6 Prozent.

"Wir befinden uns in einem deutlichen Aufholprozess", sagt OeNB-Gouverneur Robert Holzmann bei einer Pressekonferenz. "Im ersten Quartal 2022 wird Österreich voraussichtlich das Vorkrisenniveau erreicht haben." Die OeNB ist mit dieser Prognose optimistischer als die OECD, die für Österreich jüngst ein Wachstum von 3,4 Prozent prognostizierte. Holzmann begründet dies mit der besseren Datenlage, die die Nationalbank gegenüber der Industrieländerorganisation habe.

Sorgenkind Inflation

Sorgenfrei ist die Notenbank aber nicht. Es ist vor allem die Inflation, die für Kopfzerbrechen sorgt. Den aktuellen Anstieg im Mai um 2,8 Prozent könne man mit Pandemiesondereffekten erklären, unter anderem der Rohstoffknappheit und der Ölverteuerung, sagt OeNB-Chefökonomin Doris Ritzberger-Grünwald. Für 2022 und 2023 wird mit einem leichten Rückgang der Inflationsrate auf jeweils 1,8 Prozent gerechnet. Würde diese über drei Prozent steigen, würde es wohl zu "einem Überdenken der Strategie" der Europäischen Zentralbank kommen, Holzmann.

Mit den Öffnungen geht es in der Wirtschaft wieder aufwärts. Damit wird auch das Fachkräftethema wieder virulent.
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Geht es mit der Wirtschaft wieder aufwärts, wird auch das Fachkräftethema wieder virulent. Die Regierung adressiert es am Freitag, indem sie kräftig die Werbetrommel für die Lehre – und ein bisschen für sich selbst – rührt. Österreich habe dank Lehrlingsbonus die noch im Vorjahr befürchtete Delle in der Lehre aufgefangen, lobt Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck (ÖVP). Im Corona-Frühling 2020 hätten 80 Prozent weniger Junge eine Lehre angefangen, im Juni habe sich die Lage aber entspannt. 50 Millionen Euro stellte die Regierung für den Bonus bereit, gut 12.900 Betriebe hätten einen Antrag gestellt.

Lehrlinge gesucht

Derzeit seien Lehrlinge mehr gesucht als je zuvor, sagt die Ministerin, assistiert von Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG OÖ und Präsident der Initiative Zukunft.Lehre.Österreich. Das gelte zumindest in manchen Bundesländern, ergänzt Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP). Während es in Wien mehr Bewerber als offene Stellen gebe, herrsche in Oberösterreich und Salzburg Mangel. Insgesamt seien 6400 offene Lehrstellen beim AMS gemeldet und damit sogar mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019, sagt Kocher.

Vielfältigere Wege

Die Lehre sei attraktiver geworden, sagt Schramböck und verweist neben neuen Berufsbildern wie etwa Chocolatier oder Betonfertigungstechniker auf die neue duale Akademie (verkürzte Lehrzeit nach der Matura). Sie ergänze die Lehre mit Matura und sei in Deutschland sehr viel üblicher als in Österreich. Außerdem kündigt Schramböck drei neue Lehrberufspakete mit 25 neuen Berufsbildern an, wie etwa den der Metalltechnik. Letzterer sei bei heimischen Betrieben am stärksten nachgefragt.

Gleisbautechnik können Interessierte etwa bei den Wiener Stadtwerken lernen.
Foto: Michèle Pauty

Beim Image gibt es nach Steineckers Einschätzung noch Luft nach oben. In den vergangenen Jahrzehnten sei angesichts des Nachholbedarfs in Sachen Akademisierung etwas untergegangen, dass auch eine Lehre ihre Berechtigung hat. Auch IV-Chef Georg Knill verweist auf die Vorzüge einer Lehre. Das Lebenseinkommen könne mit Akademikereinkommen mithalten, wirbt er. Es gelte nun aber auch junge Frauen davon zu überzeugen, dass frau nicht nur Friseurin und Einzelhandelskauffrau werden, sondern auch in technischen Berufen Karriere machen kann. Klagen über mangelnde Bildung der Bewerber, wie zahlreiche Firmenchefs, will Knill nicht.

Kritik an der Politik

Kritik an der Lehrlingspolitik der Regierung kam von der FPÖ. "Zu spät, zu wenig und zu inhaltslos sind die Vorschläge der ÖVP-Ministerin, die über Ausbildungspunkte und neue Berufsbilder nicht hinausreichen", klagt FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer. Auch Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn zeigt sich wenig überzeugt: "Nichtssagende Pressekonferenzen helfen weder den jungen Menschen, die gerade eine Lehrstelle suchen, noch den Unternehmen, die händeringend auf Fachkräfte warten. Das große Problem ist nicht die Corona-Pandemie, sondern der langfristige Trend", meinte er. In Österreich gibt es 10.000 Lehrbetriebe weniger als noch vor zehn Jahren. Die Zahl der Lehrlinge ist um 25.000 zurückgegangen, richtet er der Regierung aus. (Regina Bruckner, Andreas Danzer, 12.6.2021)