Stefan Zweig in Südamerika, wo er Zuflucht vor den Nazis fand.

Foto: Atrium Press

Das zentralste Werk im Schaffen Stefan Zweigs wurde nicht publiziert, er nannte es sein "Hauptbuch": ein übergroßes Kontorbuch, das speziell für den Schriftsteller angefertigt worden war und worin auf Doppelseiten sämtliche Details zu Verträgen festgehalten stehen, die Zweig zwecks Übersetzungen oder Verfilmungen seiner Publikationen einging. Von Verlag und Auflage bis Bezahlstatus.

Das Buch ist nun in einer neuen Stefan-Zweig-Ausstellung im Literaturmuseum der Nationalbibliothek in Wien zu sehen. Es sei einzigartig in der heimischen Literaturgeschichte, sagt Kurator Arturo Larcati (Stefan Zweig Zentrum Salzburg). Denn Zweig übertrug die Rechte an seinen Büchern nicht an Verlage, sondern managte deren Verwertung selbst. Ein weltumspannendes Netz von Agenten, Verlegern und Kollegen half ihm dabei. Mit dem Wissen des Hauptbuches im Rücken konnte der Autor sich besonders gute Konditionen aushandeln.

Einer der bekanntesten Autoren

Aus dem Salzburger Literaturarchiv entliehen, ist das Exponat das spannendste der Schau. Um 1930 war der 1881 in Wien geborene Zweig einer der bekanntesten Autoren der Welt. 1942 starb er, vor den Nazis geflohen, in Brasilien.

Weltautor heißt die Schau daher vielsagend: Eine Station befasst sich mit dem Nachleben von Zweigs Werk etwa in chinesischen Verfilmungen und japanischen Mangas. Nicht nur entdeckte die Welt ihn, auch Zweig entdeckte die Welt: Postkarten sind beredte Zeugen des Unterwegsseins seit seiner Jugend.

Notizen des Autors zu "Das erste Wort über den Ozean" aus der Sammlung "Sternstunden der Menschheit".
Foto: Literaturarchiv Salzburg

Etwas unzufrieden lässt einen das Aufgebot allerdings zurück. In einer Vitrine ist etwa Zweigs Notizbuch zum biografischen Roman Magellan ausgestellt. Ein Unbekannter hat sich auf einem Blatt nebenan gemüht, historische Fehler darin aufzulisten. Doch eine Vitrine weiter illustrieren Zimt und Muskat die Sehnsuchtsobjekte der Expeditionen des Seefahrers. Mit diesem Ausstellen von Gewürzen tappt man in eine Klischee- und Banalitätsfalle.

Zu wenig kritische Auseinandersetzung

Es schleicht sich immer wieder das Gefühl einer Heldenverehrung ein. Zweig als Pazifisten und Vordenker eines übernationalen Europa zu loben ist zwar berechtigt, aber auch einseitig. Das wollte man zwar keineswegs, wie Literaturmuseum-Leiter Bernhard Fetz beteuert, kritische Auseinandersetzung etwa mit Aspekten von Kolonialismus findet aber vor allem im Katalog statt. Sie hätte auch in der Schau präsenter sein müssen. Verzerrt war nämlich auch Zweigs gut gemeinte Vorstellung einer Weltliteratur, in die von ihm initiierte Bibliotheca Mundi fanden fast nur westliche Texte Eingang. Wie vieles wird aber auch das vor Ort nur angerissen und nicht weiter diskutiert. (Michael Wurmitzer, 12.6.2021)