Wie kann sich die Weltwirtschaft möglichst rasch von der katastrophalen Corona-Pandemie erholen, ohne wieder in klimaschädliche Verhaltensweisen zurückzufallen? Die Frage stand am Freitag im Mittelpunkt der Beratungen auf dem G7-Gipfel in Cornwall. Gemeinsam verpflichteten sich die wichtigsten westlichen Industrienationen außerdem zur Finanzierung und Produktion von einer Milliarde Dosen Impfstoff bis Mitte nächsten Jahres – ein Plan, den Hilfsorganisationen allerdings heftig als "zu wenig und zu spät" kritisierten.

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Fast schon eine Tradition: Am Rande des alljährlichen G7-Gipfels verkörpern maskierte Demonstranten die Staats- und Regierungschefs. Heuer streiten sie um den Impfstoff, der der Pandemie ein Ende bereiten soll.
Foto: AP / Kirsty Wigglesworth

Das persönliche Stelldichein im atlantischen Seebad Carbis Bay markiert die Rückmeldung der USA als westliche Führungsmacht unter dem neuen Präsidenten Joe Biden. Den Dialog mit dem demokratischen Bewohner des Weißen Hauses habe er "wie eine frische Brise" empfunden, schwärmte der britische Gastgeber Boris Johnson nach dem bilateralen Zusammentreffen am Donnerstagabend.

Offenbar "sehr, sehr gute Stimmung"

Nach bilateralen Gesprächen mit seinem japanischen Kollegen Yoshihide Suga, Italiens Mario Draghi und dem Kanadier Justin Trudeau begrüßte der Premierminister am Freitagnachmittag auch die Vertreterinnen und Vertreter Deutschlands, Frankreichs und Italiens – Angela Merkel, Emmanuel Macron und Mario Draghi – sowie die EU-Spitzen Charles Michel (Rat) und Ursula von der Leyen (Kommission).

Die Spitzen der EU und der G7-Staaten USA, Kanada, Japan, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien am Freitag in Carbis Bay.
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Aus vorhergegangenen Verhandlungen der sogenannten Sherpas hörte man zuletzt, die Stimmung sei "sehr, sehr gut" gewesen, weil nach der Abwahl Donald Trumps plötzlich der Multilateralismus wieder funktioniere. Die Gruppe großer, demokratischer Volkswirtschaften wolle Handlungsfähigkeit beweisen und dem Rest der Welt ein "attraktiveres Angebot" machen.

Ohne dass der Name je genannt wird, zielt der Vergleich vor allem auf die weltpolitischen Rivalen China und Russland, die in den vergangenen Monaten durch "Impf-Diplomatie" Sympathien erworben haben. Dem wollen die Demokratien durch großzügige Spenden an das UN-Impfprogramm Covax entgegentreten. Biden hatte bereits vor der Milliarden-Ankündigung der G7 vom Donnerstag den Ankauf von 500 Millionen Dosen des Biontech/Pfizer-Vakzins versprochen und sagte, man werde die Spenden an rund 100 Entwicklungsländer "nicht an Konditionen knüpfen".

Gegen Patentfreigabe

Gesundheits- und Entwicklungsorganisationen kritisierten das Versprechen als unzureichend. Wichtig sei vor allem der Aufbau von Arzneimittelfabriken in den Empfängerländern, dazu gehöre auch die Freigabe von Patenten für die begehrten Impfstoffe. Dagegen sträubt sich Merkel, unterstützt von Johnson, mit aller Macht. Die unzureichenden Bemühungen der G7 stellten "eine ökonomische Narretei, moralisches Versagen und eine diplomatische Katastrophe" dar, schimpft das Magazin "Economist". Stattdessen sollte sich die industrialisierte Welt dazu verpflichten, die Kosten von geschätzt 50 Milliarden Dollar zur Impfung von 70 Prozent der Weltbevölkerung zu übernehmen.

Wie für den neuen US-Präsidenten stellt der Gipfel in Cornwall auch für Gastgeber Johnson eine wichtige Bewährungsprobe auf dem weltpolitischen Parkett dar. Das anglo-amerikanische Duo betonte zuletzt seine Eindämmungspolitik gegenüber dem kommunistischen Regime in Peking; hingegen mahnte Gipfel-Veteranin Merkel zu Beginn ihres letzten G7-Treffens, wichtige Probleme der Welt ließen sich nur "gemeinsam mit China" lösen.

Das gilt nicht zuletzt für die zukünftige Besteuerung weltweit agierender Konzerne. Dafür schlägt die G7 eine weltweit gültige Steuer auf digitale Dienstleistungen sowie die Mindestbesteuerung auf Gewinne von 15 Prozent vor. Seit die G7-Finanzminister sich am vergangenen Wochenende auf den Deal einigten, macht ausgerechnet Großbritannien durch heftiges Lobbying für eine Ausnahmeregel zugunsten der starken Finanzindustrie von sich reden.

Royals geben Glanz

Am späten Nachmittag und Abend gesellt sich zur politischen Prominenz ein wenig royaler Glanz: Dem Empfang im Botanischen Garten des Eden-Projekts präsidiert Königin Elisabeth II. persönlich, unterstützt von Enkel Prinz William und dessen Frau Catherine. Beim Dinner, bestehend aus Melonen-Gazpacho, Steinbutt und Erdbeertörtchen – auch Marshmallows mit Rum am Lagerfeuer standen am Programm –, fungiert Thronfolger Charles als Gastgeber.

Der Prinz hatte zuvor seine Initiative zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums (SMI) vorgestellt, dabei unterstützt durch eine Gruppe von Leitern internationaler Unternehmen. Nur in der Kombination aus staatlichen und privaten Investitionen könne die Welt den Kampf für Klimaschutz und biologische Vielfalt gewinnen, mahnte der 72-Jährige: "Wenn wir die Innovation und Finanzkraft des Privatsektors nicht effektiver einsetzen, haben wir keine Chance." (Sebastian Borger aus London, 11.6.2021)