Die Mission Barkhane mit heute 5.100 Soldaten verfolgte seit 2014 das Ziel, den Vormarsch der Jihadisten im Sahelgebiet zu stoppen.

Foto: APA / AFP / DAPHNE BENOIT

Die französische Militäroperation Barkhane im Sahelgebiet werde beendet, erklärte Präsident Emmanuel Macron am Mittwochabend. Datum und Umstände des zumindest teilweisen Truppenrückzugs nannte er nicht. Die Mission mit heute 5.100 Soldaten verfolgt seit 2014 das Ziel, den Vormarsch der Jihadisten im Sahelgebiet zu stoppen.

Die Meinungen über ihren Erfolg gehen auseinander: Die Errichtung eines Gottesstaates namens Azawad wurde durch die französischen Truppen zwar vor sieben Jahren gestoppt; die aus Libyen und Algerien gekommenen Kämpfer mit ihren mobilen Pick-up-Einheiten breiten sich trotzdem aus. Am vergangenen Wochenende wurden bei einem einzigen Angriff auf ein Dorf in Burkina Faso 160 Zivilisten umgebracht. Ein solches Massaker hatte das Land noch nie erlebt.

Französische Opfer

Macron sagte, auch viele französische Soldaten – nach letzter Zählung 55 – seien in der Barkhane-Mission ums Leben gekommen. Dieser Hinweis richtete sich zum einen an die französische Öffentlichkeit, in der die Zustimmung zum Saheleinsatz von ursprünglich fast 80 auf 50 Prozent gesunken ist. An die Adresse der neuen malischen Junta um Oberst Assimi Goïta meinte Macron ferner, Frankreich kämpfe nicht gegen Al-Kaida- und IS-Milizen, wenn die Putschregierung in der Hauptstadt Bamako gleichzeitig mit ihnen verhandle.

Seinen Ärger darob nicht verhehlend, kündigte der französische Präsident an, dass mehrere Hundert französische Barkhane-Soldaten in der aus zehn EU-Mitgliedern (ohne Österreich) bestehenden Taskforce Takuba aufgehen sollten. Diese Mission ist allerdings so wenig einsatzfähig wie der G5-Verbund aus Truppen der fünf betroffenen Länder Mali, Niger, Tschad, Burkina Faso und Mauretanien. Deutschland ist in Mali an Takuba, der Uno-Mission Minusma und der Ausbildung regionaler Streitkräfte mit insgesamt 1700 Soldaten beteiligt.

Macron versucht mit der nicht sehr überraschenden Ankündigung zweifellos, Frankreich aus dem Schussfeld der Kritik zu nehmen, nachdem es in der malischen Hauptstadt mehrfach zu antifranzösischen Kundgebungen gekommen war. Französische Generäle beklagen sich bitter, sie versuchten in einem aufreibenden Wüstenkrieg, Westafrika vor einer islamistischen Terrorherrschaft zu bewahren, würden aber von den Maliern wegen kolonialistischer Absichten gescholten; und auch die Europäer überließen den Franzosen gerne die gefährliche Frontarbeit.

Es gehört indes zu den französischen Widersprüchen, dass Paris das Heft in Westafrika selbst nicht aus der Hand geben will. Wenn Macron erklärt, die Franzosen sollten die Takuba-Mission "stärken", meint er damit zweifellos: anführen. Dass sich diese EU-Mission neuerdings auf die eigentliche Terrorbekämpfung konzentrieren soll, wie Macron sagte, ist auch kein Novum: Schon Barkhane hatte sich einzig dieser Aufgabe verschrieben. Wichtige französische Barkhane-Garnisonen wie etwa in Gao (Nordmali) dürften zudem Bestand haben.

Keine Wahl

In Paris herrscht die Meinung vor, Frankreich habe gar keine Wahl, als im Sahel militärisch präsent zu bleiben. "Wenn nicht wir, dann die Russen", sagen Pariser Diplomaten ohne Umschweife. Russische "Militärberater" und Soldaten der angeblich privaten russischen Truppe Wagner haben sich in den vergangenen Monaten in der sehr labilen Zentralafrikanischen Republik festgesetzt.

Im nur wenig solideren Vielvölkerstaat Mali haben mehrere Putschoffiziere russische Militärakademien absolviert. Der Einfluss Moskaus ist auch in anderen Sahelländern spürbar. Der russische Präsident Wladimir Putin warte nur darauf, dass die Franzosen ganz aus Mali abzögen, hört man in Paris.

Macron will diesen Umstand beim G7-Treffen diskret zur Sprache bringen. Er will, dass die USA weiterhin die Luftüberwachung der Region beisteuern; Deutschland soll die regionalen Truppen stärker unterstützen.

Die Skepsis wächst allerdings in Berlin wie Washington. Auch in Paris meinte der einflussreiche Militärexperte Jean-Dominique Merchet, der französische Einsatz im Sahel sei "nicht nur nicht gewinnbar, sondern schon verloren".

Falls er recht hat, würde Barkhane als weiteres westliches Debakel nach Afghanistan oder Vietnam in die Geschichte eingehen. (Stefan Brändle aus Paris, 12.6.2021)