Die Richtigstellung durch den OGH kam für vier Kläger zu spät.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Es waren schlichtweg skandalöse Verleumdungen. KZ-Häftlinge wurden in einem rechtsextremen Blatt als "Kriminelle", "Landplage" und "Massenmörder" bezeichnet. Erst nachdem bereits der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Österreich 2019 verurteilt hatte, wurden die Urteile, die in zwei Instanzen 2016 und 2017 zugunsten der rechtsextremen "Aula" gefällt wurden, nun vom Obersten Gerichtshof (OGH) zerlegt.

Juristisch war die Causa nicht unkompliziert. Es gab zivilrechtliche und medienrechtliche Verfahren, es gab abgelehnte Anträge und vor all dem eine Anzeige , die nicht einmal die erste Hürde schaffte: Die Staatsanwaltschaft Graz stellte die Ermittlungen ein, weil sie es "nachvollziehbar" fand, dass Überlebende eines KZs für die Österreicher als "Belästigung" wahrgenommen wurden. Dass man gedacht hatte, mit einer solchen Entscheidung einfach davonzukommen, spricht nicht für unsere Justiz.

Dank des ungewöhnlichen Engagements Einzelner, darunter die Anwältin, die für ihre zehn hochbetagten Mandanten bis nach Straßburg zog, kam es noch zu dieser Richtigstellung vor dem Höchstgericht. Sonst wäre der Fall versandet.

Übelste Täter-Opfer-Umkehr

Kompliziert ist die Causa aber nur juristisch geworden. Moralisch ist hier einfach nur übelste und primitivste Täter-Opfer-Umkehr betrieben worden. Das hatten jahrzehntelange "Vergangenheitsbewältigung" und Gedenkkultur offensichtlich nicht verhindern können.

Dabei ging es in dem Rechtsstreit sicher nicht nur um die Verteidigung historischer Fakten. Es ging auch um ganz konkrete Menschen, die durch die NS-Diktatur Opfer ganz konkreten Unrechts und Leids wurden. Wenige leben noch. Zehn von ihnen hatten sich aufgemacht, um ihre Würde und jene ihrer bereits lange verstorbenen Leidensgenossen wiederherzustellen.

Man muss es so sagen: Die Republik hatte sie hierbei im Stich gelassen. Vier von ihnen mussten in dem Wissen darüber sterben, nachdem der Holocaust sie bereits ihr ganzes Leben, auch nach 1945, als düsterer Schatten begleitete. Sie erlebten die heutige Urteilsverkündung nicht mehr mit.

Unter ihnen Rudolf Gelbard und Aba Lewit, die ihr Leben lang öffentlich gegen das Vergessen gekämpft hatten. Dass Österreich diese Menschen noch am Ende ihres Lebens so bitter enttäuschen musste, bleibt ganz unkompliziert eine Schande. (Colette M. Schmidt, 11.6.2021)