Beim "Medienmittelpunkt Ausseer Land", einer mehrtägigen Kongressveranstaltung in Bad Aussee in der vergangenen Woche, saß auch Vizekanzler Werner Kogler auf einem Podium. Kogler parlierte über seine steirische Politisierung, sein Corona-Jahr und natürlich auch über die Frage, die derzeit in politinteressierten Kreisen kursiert: Wie lange hält die türkis-grüne Koalition?

Ruhe bewahren, weitermachen. So lautet das Credo des Grünen-Chefs Werner Kogler.
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Geht es nach Kogler, hält sie wohl noch länger. Ihm war anzuhören, dass er für den Bundeskongress am Wochenende in Linz übte: Ruhe bewahren, weitermachen. So lautet das Credo des Grünen-Chefs. Sprächen ihn Parteifreunde besorgt auf die Chatnachrichtenskandale der ÖVP an und fragten, wie lange sich die Grünen eine Koalition mit den Türkisen noch "leisten" könnten, frage er zurück: "Wollt ihr regieren oder in Opposition sein?" Die große Mehrheit der grünen Basis, sagt Kogler, wolle dann doch lieber in der Regierung bleiben.

Das zeigt, wie "realo" die österreichischen Grünen sind: Der hehre moralische Anspruch ist das eine – die gelebte Praxis des ständigen Kompromisses das andere. Alles andere wäre realpolitisch unklug. Bei Neuwahlen stagnierten die Grünen im besten Fall – und ob sie danach wieder in die Regierung kommen, wäre höchst ungewiss. Das zeigt auch das Beispiel der deutschen Grünen, bei denen es 16 lange Jahre nach Rot-Grün auf Bundesebene dauerte, bis sie nun, laut Umfragen, wieder in die Nähe einer Regierungsbeteiligung kommen.

Konsequente Klimawende

Das bedeutet freilich nicht die Einkehr von Ruhe und Harmonie in der Koalition. Denn die grüne Strategie beruht nicht nur darauf, demonstrativ am Partner ÖVP festzuhalten. Vielmehr wollen die Grünen noch stärker als bisher betonen, dass sie für Rechtsstaatlichkeit und konsequente Klimawende stehen. Die Staatsanwaltschaft solle ermitteln, da gebe es "kein Zucken", donnerte Kogler in Bad Aussee, und in Sachen CO2-Steuer vermittelte er Entschlossenheit. Justizministerin Alma Zadić kritisierte fast zeitgleich die "unqualifizierten Angriffe" und "Einschüchterungsversuche" der ÖVP in Richtung Justiz. Die ÖVP wiederum sieht ihr momentanes Heil in Gegenangriffen auf Staatsanwälte, die angeblich Chatnachrichten "leaken" – weil diese Chats ein Klima des öffentlichen Verständnisses für die akribischen Ermittlungen schaffen. Das ist nicht gut für die ÖVP, das zeigen auch jüngste Umfragen. Auch hier kann es vorerst kein gesteigertes Interesse an vorgezogenen Neuwahlen geben. Sie würden wohl kein so strahlendes türkises Ergebnis bringen wie beim letzten Mal – zumindest nicht jetzt.

Ganz anders sieht es für den Fall aus, dass Sebastian Kurz wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage vor dem U-Ausschuss angeklagt und freigesprochen würde. Die Chancen dafür stehen nach Meinung vieler Juristen nicht schlecht. Wie ein möglicher Einzelrichter das Motiv des Vorsatzes beurteilen würde – eine Voraussetzung für eine Verurteilung –, ist völlig offen.

Dann könnte die türkise ÖVP auf eine altbewährte Wahlkampftaktik zurückgreifen: aus Kurz einen zu Unrecht verfolgten Helden zu machen. Das hat schließlich schon einmal funktioniert. Anders im Fall einer Verurteilung: Dann wiederum hätten die Grünen jeden Grund, die Koalition zu verlassen – und es ist fraglich, wie dann die ÖVP zu Kurz stünde. Bis dahin ist die Fortsetzung dieser Koalition jedenfalls reine Nervensache. (Petra Stuiber, 11.6.2021)