Die Spieler der Dänischen Mannschaft bildeten einen Kreis um Eriksen.

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Kopenhagen – Die erlösende Nachricht kam um 19.25 Uhr, doch der Schock wirkte noch lange, lange nach. Ein Drama um Dänemarks Mittelfeldstar Christian Eriksen hat die EM und die Fußball-Welt am Samstag zutiefst erschüttert. Der 29-Jährige kollabierte in der 43. Minute um circa 18:43 Uhr im Spiel gegen Finnland ohne Fremdeinwirkung auf dem Platz. Notärzte kämpften in Kopenhagen mit Herzdruckmassagen um sein Leben – mit Erfolg.

Eriksen sei "stabilisiert", teilte der Europäische Fußballverband Uefa um 19.25 Uhr mit, der dänische Verband DBU schrieb: "Er ist wach und für weitere Untersuchungen im Krankenhaus." DBU-Direktor Peter Möller sagte dem Rundfunksender DR später: "Wir haben Kontakt mit Christian gehabt, und die Spieler haben mit ihm gesprochen. Es geht ihm gut."

Dramatische Szenen

Zuvor hatten sich dramatische Szenen im Parken-Stadion abgespielt. Eriksen kollabierte ohne Fremdeinwirkung. Als der Ernst der Lage klar wurde, schlugen sich Spieler und Zuschauer entsetzt die Hände vors Gesicht, der Schock breitete sich wie eine Welle über ganz Europa aus. Die Dänen stellten sich im Kreis um Eriksen auf, um einen Sichtschutz zu bilden, die Finnen verließen mit Tränen in den Augen den Platz.

Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand sank betend auf die Knie. Eriksen wurde in einem Spalier seiner Mitspieler eine Viertelstunde nach seinem Zusammenbruch hinter Plastikplanen aus dem Stadion gebracht.

Die Uefa gab gegen 19 Uhr die offizielle Unterbrechung des dritten Spiels dieser EM bekannt. Als später die Nachricht vom stabilen Zustand die Runde machte, wurde die Begegnung um 20.30 Uhr fortgesetzt – "auf Wunsch beider Mannschaften", wie die Uefa betonte. Finnland siegte 1:0, aber das Sportliche war an diesem Samstagabend komplett in den Hintergrund getreten.

Kontaktaufnahme vor Wiederanpfiff

Dänemarks Spieler hatten vor Wiederanpfiff Kontakt mit Eriksen aufgenommen. "Ihm geht es gut und sie spielen das Spiel für Christian", sagte Möller. Für die Spieler sei es "wichtig gewesen" zu wissen, dass es Eriksen gut geht. "Er war zum Glück wach, als er das Stadion verließ", sagte Möller weiter. "Unsere Gedanken sind bei Christians Eltern und seiner Familie."

Eriksens Agent Martin Schoote sagte im niederländischen Radio, er habe kurz mit dem Vater des Inter-Mailand-Profis gesprochen, der ihm gesagt habe, dass Eriksen atmen und sprechen könne. "Das sind die Nachrichten, die wir im Moment haben, und über die wir froh sind."

Genesungswünsche aus der Fußballwelt

Zwischenzeitlich war mit dem Schlimmsten zu rechnen, schlimme Erinnerungen an den Herztod früherer Fußballer wie Kameruns Marc-Vivien Foé oder Sevillas Antonio Puerta wurden wach. Erst die Uefa-Meldung über Eriksens "stabilisierten" Zustand ließ die Fußballwelt dann endlich aufatmen.

Die Fans im Stadion, auch die 5000 Finnen, riefen immer wieder Eriksens Namen, minutenlang im Wechselgesang. "Momente wie diese relativieren alles im Leben. Ich wünsche Christian eine vollständige und schnelle Erholung und bete, dass seine Familie Stärke und Glauben hat. In solchen Zeiten ist die Einheit der Fußball-Familie so stark", sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin.

"Auf so etwas ist man nicht vorbereitet", sagte ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel vor Österreichs EM-Auftakt gegen Nordmazedonien am Sonntag. "Unsere Spieler sind sehr betroffen, es ist schwierig", sagte er. "Das Turnier ist da einmal in zweiter Linie wichtig. Wichtig ist, dass es ihm bald wieder besser geht."

Der stille Star

Der Offensivspieler Eriksen ist der Star im dänischen Team, aber er ist auch ein Leisetreter – wohl ein Grund für seine große Beliebtheit in der Heimat. Das Gehabe einiger großer Branchenkollegen war ihm immer fremd, er glänzt fast ausschließlich auf dem Platz, unter anderem mit seiner brillanten Übersicht und Schusstechnik. Er ist privat eher der Kerl von nebenan. 2018 wurde Eriksen erstmals Vater, 2020 brachte seine Lebensgefährtin Sabrina Kvist Jensen das zweite Kind zur Welt.

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Christian Eriksen.
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Schon seit mehr als zehn Jahren läuft Eriksen für Dänemark auf. Gegen Finnland bestritt er bereits sein 109. Länderspiel, 36 Treffer stehen auf seinem Konto.

Im Jänner 2010 hatte Eriksen sein Profidebüt für den niederländischen Klub Ajax Amsterdam gegeben, mit dem er 2011, 2012 und 2013 Meister wurde. Eine zweite sportliche Heimat fand er in London. Sechseinhalb Jahre war er für Tottenham Hotspur aktiv, wurde in dieser Zeit wiederholt zu Dänemarks Fußballer des Jahres und zum Spurs-Profi der Saison gekürt. 2019 führte er Tottenham ins Champions-League-Finale, dennoch sollte noch etwas Neues her.

Anfang 2020 wechselte er daher zu Inter Mailand, und in diesem Starensemble schien Eriksen zunächst zu scheitern. Im ersten Jahr galt er bereits als Fehleinkauf – auf dem Weg zum heurigen Scudetto mit Inter wurde er aber zum wichtigen Bestandteil der Mannschaft. (sid, red, APA, 12.6.2021)