Nach einem Gespräch zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premier Boris Johnson kam es zu Verstimmungen.

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London – Im Streit um Brexit-Regeln für Nordirland hat der britische Außenminister Dominic Raab der EU fehlenden Respekt vorgeworfen. Manche EU-Politiker versuchten, den Status Nordirlands als Teil des Vereinigten Königreichs zu untergraben, sagte Raab am Sonntag dem Sender Sky News. "Wir haben reihenweise erlebt, wie führende EU-Vertreter über Nordirland sprachen, als sei es ein anderes Land", sagte Raab. Das sei beleidigend und führe zu großen Sorgen sowie großer Betroffenheit.

Streit um die Wurst

Eine Debatte über Würstchen sorgte zudem für Verstimmungen zwischen Paris und London. Die britische Seite reagierte am Sonntag empört auf Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Gespräch mit Premierminister Boris Johnson am Rande des G7-Gipfels. Bei dem Treffen am Samstag ging es um die Warenkontrollen in Nordirland nach dem Brexit.

Johnson fragte Macron, wie er es fände, wenn Wurst aus Toulouse nicht mehr in Paris verkauft werden dürfe, wie aus dem Elysée-Palast verlautete. Der französische Präsident habe "erstaunt" reagiert. Er habe ihm gesagt, dass Toulouse und Paris "Teile des gleichen Staatsgebiets" seien. Für Nordirland gelte dies nicht, da die Provinz durch die Irische See von Großbritannien getrennt sei. Die geografischen Gegebenheiten seien daher vollkommen unterschiedlich, sagte Macron den Angaben zufolge. Dies habe bei Johnson für Ärger gesorgt, berichtete die "Sunday Times". "Nordirland und Großbritannien sind Teil des gleichen Landes", erwiderte der demnach im Gespräch mit Macron.

Respekt für "territoriale Integrität"

Der britische Außenminister Raab verlangte am Sonntag mehr "Respekt" von der EU für die territoriale Integrität seines Landes. Ranghohe EU-Politiker würden über Nordirland reden, als wäre es ein Land außerhalb des Vereinigten Königreichs, kritisierte Raab. Die EU-Spitzen hatten die Regierung in London am Samstag am Rande des G7-Gipfels in Carbis Bay aufgerufen, sich an das nach dem Brexit vereinbarte Nordirland-Protokoll zu halten. Auch Macron appellierte an den britischen Premier, sein Wort zu halten. Johnson bat die Europäer seinerseits um Kompromissbereitschaft.

Das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags soll sicherstellen, dass zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland keine Zollkontrollen stattfinden. Denn diese könnten nach Einschätzung beider Seiten zu einem Wiederaufflammen des blutigen Nordirland-Konflikts führen.

Die Kontrollen sollen deshalb zwischen Großbritannien und Nordirland stattfinden. Nach früheren Verstößen Londons fürchtete die EU, dass Großbritannien eine Ausnahmeregelung für Fleischprodukte nun nochmals einseitig über Ende Juni hinaus verlängert. Britische Medien warnten zuletzt vor einem "Wurst-Handelskrieg" mit der EU. Gespräche zur Lösung des Problems waren am Mittwoch in London ohne Einigung gescheitert. Brüssel drohte mit Strafmaßnahmen, sollte London die Vereinbarung nicht umsetzen.

Irischer Premier hoffnungsvoll

Der irische Premier Micheal Martin hält indes einen baldigen Durchbruch im Streit für möglich. Wenn der Wille da sei, sei es möglich, eine einvernehmliche Lösung zu finden, sagte Martin dem britischen Nachrichtensender Sky News am Sonntag und fügte hinzu: "Es gibt einen Willen seitens der Europäischen Union, ich weiß das". Und auch beim britischen Premier spüre er, dass London bestrebt sei, die Sache beizulegen.

Martin legte den Briten nahe, sich den EU-Binnenmarktregeln für pflanzliche und tierische Erzeugnisse wieder anzuschließen. Das würde 80 Prozent der Schwierigkeiten beim Handel zwischen Nordirland und Großbritannien beseitigen, so der Ire. "Ich glaube sie (die britische Regierung) sollten das sehr ernsthaft erwägen und es könnte zu einem Durchbruch führen." Er hoffe darauf, dass sich London von der Zusage Washingtons überzeugen lasse, ein derartiges Abkommen mit der EU werde einem Freihandelsabkommen mit den USA nicht im Wege stehen. (red, APA, 13.6.2021)