Roms Dauerproblem: der Müll.

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Wenn es nicht zum Weinen wäre, dann wäre es zum Lachen: In einigen Quartieren der Römer Peripherie sind in den vergangenen Wochen mehrere Tempo-30-Zonen geschaffen worden – nicht etwa vor Kindergärten und Schulen, sondern in der Nähe von Müllcontainern. Der Grund: Die überquellenden Abfallbehälter locken neben Möwen und Heerscharen von Ratten, inzwischen auch zahlreiche Wildschweine an, die den nicht abgeholten Abfall nach Essbarem durchsuchen.

Wenn die schweren Tiere in Rudeln die Straßen überqueren, stellen sie eine Gefahr für Auto- und Zweiradfahrer dar. Bei einem Zusammenstoß mit einem Wildschwein ist bereits ein Vespa-Fahrer ums Leben gekommen.

Im Zentrum noch halbwegs sauber

Die Ewige Stadt befindet sich permanent am Rande des Müllkollapses: Im touristischen Centro Storico, dem historischen Zentrum, gelingt es den Behörden in der Regel, die Situation unter Kontrolle zu halten, aber spätestens außerhalb der Aurelianischen Stadtmauer funktioniert die Müllabfuhr nur mehr schlecht als recht und gelegentlich auch überhaupt nicht mehr. Der Ausfall einer mechanischen Abfallsortieranlage oder die Schließung einer Notdeponie reicht aus, dass sich die Müllsäcke in den Quartieren gleich wieder meterhoch zu türmen beginnen.

Genau ein solches Szenario – eine neue, akute Müllkrise wie zuletzt im Winter 2018/2019 – blüht den Römerinnen und Römern nun auch wieder diese Woche – und wohl für den Rest des Sommers.

Emilia-Romagna will nicht mehr

In Panik versetzt hat die Stadtbehörden auf dem Kapitolshügel der Entscheid der Region Emilia-Romagna: Diese hat die Behörden der Hauptstadt schon vor längerem wissen lassen, dass sie ab Dienstag nicht mehr bereit sei, wie bisher täglich 200 Tonnen Römer Müll zu übernehmen und zu verbrennen.

Und damit ist man auch gleich beim Kern des Problems angelangt: Die Drei-Millionen-Einwohner-Metropole Rom, deren Bewohnerinnen und Bewohner täglich rund 4700 Tonnen Müll produzieren, verfügt über keine einzige Müllverbrennungsanlage. Außerdem liegt der Anteil des getrennt eingesammelten Mülls bei nur 45 Prozent. Mit anderen Worten: Mehr als die Hälfte des Abfalls muss irgendwie anderweitig entsorgt werden.

Teure Müllentsorgung

Ein großer Teil davon wird einfach in den Rest des Landes exportiert: Täglich verlassen 180 große Lkws die Stadt, um den Abfall Roms meist über hunderte von Kilometern in die Entsorgungsanlagen und Verbrennungsöfen anderer Regionen zu karren. Das ist nicht nur ein ökologischer Irrsinn, sondern auch teuer: In den letzten fünf Jahren hat der Müllexport die Stadt eine Milliarde Euro gekostet.

Mit dieser Summe hätte Rom problemlos zwei bis drei eigene Verbrennungsanlagen bauen können. Doch davon will Bürgermeisterin Virginia Raggi nichts wissen: Für sie und ihre Fünf-Sterne-Bewegung sind diese Öfen wegen der Abgase Teufelswerk. Raggis Rezept lautet: Müllvermeidung, Mülltrennung und Wiederverwertung zu 100 Prozent. Nur ist in den fünf Jahren seit ihrer Wahl ins Kapitol der Anteil des getrennt eingesammelten Mülls in Rom konstant niedrig geblieben.

Zweites "Entsorgungsproblem"

Die traurige Wahrheit ist, dass in ihrer gesamten Amtszeit, die im Herbst dieses Jahres zu Ende gehen wird, die heute 42-jährige Raggi nicht einmal ansatzweise ein Konzept entwickelt hat, wie die Müllkrise gelöst werden könnte. Und der Hausmüll ist keineswegs das einzige "Entsorgungsproblem", bei dem die Bürgermeisterin versagt.

Im Mai hat Rom weltweit Schlagzeilen gemacht, weil es seinen Behörden nicht mehr gelang, seine Toten beizusetzen: Über 2.000 Verstorbene warteten teilweise wochenlang in den Kühlhäusern der Friedhöfe – und zum Teil auch außerhalb der Kühlhäuser –, bis sie endlich kremiert und bestattet werden konnten. Zuständig für Kremationen und verantwortlich für das Bestattungsdebakel ist übrigens dieselbe städtische Abteilung, die auch für die Müllentsorgung zuständig wäre. (Dominik Straub aus Rom, 14.6.2021)