Die Dänen schirmen Christian Eriksen ab, bilden sozusagen einen Schutzwall um die Würde ihres Teamkollegen.

Foto: imago images/Ritzau Scanpix

Als der dänische Spieler Christian Eriksen im Match gegen Finnland kurz vor der Pause zusammengebrochen war, befürchteten viele schon das Schlimmste.

Frage: Was ist ihm genau passiert?

Antwort: Die Ursache ist nicht geklärt. Gerry Foitik, der Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, geht aber von einem "Kreislaufstillstand aufgrund eines Kammerflimmerns" aus.

Frage: Was heißt das?

Antwort: Bei einem Kammerflimmern kontrahieren die Herzmuskelfasern nicht mehr koordiniert. Man kann es sich wie einen zitternden Muskel vorstellen. Laut Foitik muss es dann schnell gehen: "Ab dem Moment, an dem der Patient keinen Kreislauf hat, also das Blut nicht in den Kreis gepumpt wird, hat das Gehirn keinen Sauerstoff mehr, diesen Zustand hält es höchstens rund zehn Minuten aus, dann ist es irreversibel tot. Es ist also extrem wichtig, dass schnell mit der Herzdruckmassage begonnen wird, wenn jemand das Bewusstsein verliert und einen Atem-Kreislauf-Stillstand hat." Für Foitik waren die Ereignisse beim Spiel ein Best-Case-Szenario.

Frage: Und wenn’s daheim passiert?

Antwort: Ohne Hilfe hat man keine Chance. Foitik sagt: "Wenn in den ersten fünf bis zehn Minuten niemand Erste Hilfe leistet und mittels Herzdruckmassage das Gehirn mit Sauerstoff versorgt, verstirbt man." Bei Erste-Hilfe-Kursen lernt man vor allem die Übung bei der wichtigen Herzdruckmassage.

Frage: Passieren solche Vorfälle bei Fußballspielen oft?

Antwort: Laut Foitik kommt das im Schnitt einmal pro Jahr vor. "Wenn ein Fußballer, also ein fitter Mensch, ohne Ursache plötzlich das Bewusstsein verliert, weiß man schon, dass da etwas Gröberes passiert ist."

Frage: Welche psychologischen Auswirkungen hat das auf Mitspieler?

Antwort: Dazu sagt Brigitte Lueger-Schuster, Professorin für Psychotraumatologie: "Es ist ein großer Schock und reißt einen aus der vollen Konzentration heraus, die man als Hochleistungssportler auf das Spiel hat. Jedes Ereignis, das Todesnähe hat, triggert eigene Erfahrungen. Aber es sind Sportler, die sehr stark fokussieren können und nicht nur körperlich schnell, sondern auch mental schneller in der Verarbeitung sind."

Frage: Haben Eriksens Mitspieler richtig reagiert?

Antwort: Die Mitspieler bildeten einen Kreis, einen Sichtschutz um ihren Teamkollegen. Lueger-Schuster: "Es geht um den bestmöglichen Schutz für den Betroffenen, damit nicht die ganze Welt neugierig auf diese Person schaut. Das wäre nämlich entwürdigend."

Frage: Die Regie hat die Wiederbelebungsmaßnahmen lange dokumentiert und gefilmt. War das richtig?

Antwort: Laut Lueger-Schuster war es "nicht hilfreich. Es klingt für mich danach, dass man nicht darauf vorbereitet war. Letztendlich geht es insbesondere um die Würde der betroffenen Person und der Angehörigen. Man muss auch nicht zeigen, wie Teamkollegen entsetzt und Fans geschockt sind oder Angehörige weinen. Das hat alles keinen Neuigkeitswert, keinen Informationswert und tut nichts zur Sache."

Frage: Was sind die typischen Abläufe in der Bewältigung?

Antwort: Es geht vor allem um den Informationsfluss und den Schutz für das betroffene Umfeld. Lueger-Schuster: "Üblicherweise, wenn so etwas passiert, zum Beispiel an Schulen, ist es so, dass man alle in einem Raum versammelt und die Informationen weitergibt. Was passiert? Wie geht es weiter? Und die Leute fragt: ,Wie geht es euch damit? Wie habt ihr es erlebt? Was braucht ihr jetzt?‘ Dann geht es auch darum, vielleicht paradoxe Verantwortungsgefühle und Schuldgefühle zu relativieren."

Frage: Wenn man die Szenen im TV mit seinem Kind verfolgt hat, wie spricht man mit ihm darüber?

Antwort: Für Lueger-Schuster kommt es auch auf das Alter des Kindes an. Denn: "Auch kleine Kinder verstehen Krankheit, aber das ist etwas Größeres, bei dem das Kind verstehen muss, um was es geht. Ich würde sagen, dass man alle Fragen des Kindes beantworten kann, natürlich abhängig von der Entwicklungsstufe. Und wegschalten, bis es neue Informationen gibt." (Andreas Hagenauer, 14.6.2021)