Thomas Schmid war der Wunsch des Eigentümers, aber nicht der beste Kandidat.

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Die Bestellung und nunmehrige Verabschiedung von Thomas Schmid werfen hohe Wellen in der österreichischen Politik- und Medienlandschaft. Zuletzt war sogar eine Auseinandersetzung zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und der Unternehmensrechtsprofessorin Susanne Kalss entstanden, die die Corporate Governance bei der Öbag "auf den Kopf gestellt" sah und konstatierte, Schmid habe sich seinen Aufsichtsrat selbst ausgewählt. Dies wiederum bezeichnete der Aufsichtsratschef als eine "ungeheuerliche Unterstellung".

Dass Schmid sich "seinen Aufsichtsrat ausgesucht" hat, ist überspitzt formuliert; dass er in die Auswahl eingebunden – und zwar nicht nur im Sinne von "informiert" – war, zeigt die veröffentlichte Korrespondenz aber deutlich. Das wäre noch nicht verwerflich, zumal Schmid damals beim Eigentümervertreter, dem Finanzministerium, tätig war.

Zum Problem wird die Sache jedoch, wenn der Aufsichtsrat dadurch seine Unabhängigkeit einbüßt. Für Umtriebe vor Beginn seiner eigenen rechtlichen Existenz ist er natürlich nicht verantwortlich und daher auch nicht dafür, dass noch vor seiner Bestellung das vom Alleinaktionär gewünschte Vorstandsmitglied die Ausschreibung wesentlich mitgestaltete.

Sofort nach seiner Bestellung und Konstituierung hätte der Aufsichtsrat aber die Sache neu aufsetzen, die Ausschreibung völlig eigenständig durchführen und es insbesondere auch nicht hinnehmen dürfen, dass auf Betreiben des Favoriten Schmid das Erfordernis "internationaler Erfahrung" gestrichen wurde.

Vielmehr verlangt § 4 Abs 2 Satz des Stellenbesetzungsgesetzes, dass auf internationale Erfahrungen "besonders Bedacht zu nehmen" ist, wenn solche erforderlich sind. Letzteres kann man bei der Öbag schwer bezweifeln.

Wunsch des Eigentümers

Das Problem aus der Sicht des Aufsichtsrates war, dass der Alleinaktionär sich ganz klar Schmid wünschte, dieser entgegen den späteren Beteuerungen aber nicht der fachlich qualifizierteste Bewerber war und der Alleinaktionär auch kein zweites Vorstandsmitglied neben Schmid duldete. Das Öbag-Gesetz erlaubt zwar einen mehrgliedrigen Vorstand, nicht aber die vom Alleinaktionär Bund beschlossene Satzung, die der Aufsichtsrat nicht ändern kann.

Genau das ist jedoch ein schwerer Konstruktionsfehler der Öbag, und zwar einer, der ganz bewusst begangen wurde. Denn die "Schmid-AG", wie sie der Finanzminister nannte, zu sichern erforderte es, dem Aufsichtsrat die Bestellung eines zweigliedrigen Vorstandes zu untersagen.

Damit muss sich ein sorgfältig agierender Aufsichtsrat aber nicht abfinden. Vielmehr hätten dessen Mitglieder schon die Annahme ihrer Bestellung davon abhängig machen können/sollen, dass zumindest die Möglichkeit der – sei es auch späteren – Bestellung eines zweiten Vorstandsmitgliedes bestand.

Erstaunliche Sichtweise

Auch jetzt könnte der Aufsichtsrat zumindest darauf hinwirken, dass die Satzung in diesem Sinne geändert wird. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat freilich schon verlauten lassen, dass er das nicht für notwendig hält. Dies ist eine erstaunliche Sichtweise. Zwar stimmt es, dass auch die frühere ÖIAG in ihrer Spätphase (das unselige Öbib-Zwischenspiel sei hier ausgeklammert) zweimal Alleinvorstände hatte, doch bis zur Gründung der Öbib lenkten die ÖIAG immer erfahrene Industriemanager.

Abgesehen davon empfiehlt C-Regel 16 des "Österreichischen Corporate Governance Kodex", dass der Vorstand "aus mehreren Personen", also mindestens aus zwei, besteht. Dem Kodex haben sich alle relevanten börsennotierten Gesellschaften unterworfen.

Deshalb leuchtet nicht ein, dass für eine Gesellschaft, die Mehrheits- oder Kernbeteiligungen an großen börsennotierten Gesellschaften verwaltet, ein eingliedriger Vorstand genügen soll.

Abberufung war nicht nötig

Große Aufmerksamkeit erregte auch der letztlich abrupte Abgang von Schmid. Vor allem die Opposition bemängelte die angebliche Zahlung von 200.000 Euro. Um dies zu beurteilen, muss man sich Folgendes vergegenwärtigen: Der Umstand, dass Schmid in seine eigene Bestellung zum Öbag-Alleinvorstand intensiv involviert war, rechtfertigte noch keine Abberufung.

Denn ein Stellenbewerber darf grundsätzlich alle rechtlich zulässigen Mittel dafür einsetzen, um die Stelle zu bekommen. Deshalb ist es auch weder verboten noch offenlegungsbedürftig, dass ein Bewerber um ein Vorstandsamt politische Protektion in Anspruch genommen hat.

Die zunehmende Ausweitung der Affäre mit der Konsequenz, dass das Vorstandsmitglied sich mehr damit als mit seinem Amt zu beschäftigen hatte, könnte aber den Abberufungsgrund der Dienstunfähigkeit (§ 75 Abs 4, zweiter Fall AktG) verwirklichen. Und auch die Reputationsschädigung der Gesellschaft kann einen Abberufungsgrund bilden (ähnlich wie in der "Causa Sidlo").

Die zuletzt öffentlich gewordenen Nachrichten sind darüber hinaus dazu geeignet, das Vorstandsmitglied vertrauensunwürdig zu machen. Damit wäre nicht nur ein Abberufungsgrund (das Gesetz nennt diese nur demonstrativ) verwirklicht, sondern auch ein Grund für eine fristlose Entlassung, bei der keine Abfertigung gebührt. Statt Abberufung sich zu einigen und 200.000 Euro zwecks Prozessvermeidung zu zahlen lag wohl noch innerhalb des Aufsichtsratsermessens.

Der Fall Schmid ist ein anschaulicher Beleg dafür, welche Bedeutung ein wirklich unabhängiger Aufsichtsrat in einer Aktiengesellschaft hat und welche Probleme entstehen können, wenn ein solcher vom Eigentümer gar nicht gewollt ist. (Georg Schima, 15.6.2021)