Selbst hoch zu Rad sinnt Joachim Löw über das richtige Rezept für die Partie gegen Frankreich nach.

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Euro-Ticker: Ungarn vs. Portugal, Frankreich vs. Deutschland, Di., ab 18 Uhr

Die Gruppe F ist, wie man so sagt, eine Mördergruppe. Und sie beginnt gleich einmal mit einem kannibalistischen Festmahl: Der Topfavorit auf den Turniersieg trifft in München auf jenes Team, dessen Ruf, eine Turniermannschaft zu sein, durch das vorzeitige Ausscheiden bei der WM 2018 nur leicht ramponiert worden ist.

Eine der größten Vorzüge des vorzügereichen Joachim Löw ist ja die Bereitschaft, g’scheiter werden zu wollen. Von der schon in Russland längst überlebt gewesenen Ballbesitzidee ist Löw längst abgerückt. Er hat einen Leroy Sané aus Bayern, einen Serge Gnabry von ebendort, einen Timo Werner von Chelsea im Kader. "Für uns ist es gut", sagt er also, "wenn wir Räume kriegen."

"Kontrattacks" demnach. Dass er dazu Altgediente holt wie den Bayern Thomas Müller und den Dortmunder Mats Hummels, sollte nicht drüber hinwegtäuschen, dass auch Löw gewissermaßen zu kloppen beabsichtigt: Balleroberung und ruck, zuck!

Frühes Finale

Nicht wenige Deutsche und Franzosen sehen in dieser Partie – erste Runde in der Vorgruppe F – ein vorweggenommenes Finale. Höchstfavorit Frankreich, regierender Weltmeister und seit 2018 noch besser, erfahrener, abgestimmter, geschliffener geworden, braucht sich vor niemandem zu fürchten. Höchstens vor sich selbst. Didier Deschamps, der Trainer, warnt darum: "Viele denken: Kaum sind wir auf dem Platz, haben wir schon gewonnen."

Nur an den Haaren ist solche Hybris freilich nicht herbeigezogen. Frankreichs Aufstellung liest sich wie ein ballesterisches Gedicht: Pogba, Kanté, Rabiot, Benzema, Griezmann, Mbappé. Letzterer, beschäftigt bei Paris Saint-Germain, lag zuletzt ein wenig im Clinch mit seinem Ersatz, Olivier Giroud von Chelsea. Mbappé wolle, verspricht er aber, "keine große Story" daraus machen.

Was das Team nämlich am wenigsten brauche, seien "Stöcke im Rad". So wie 2010 in Südafrika, als die Mannschaft gar gestreikt hat. Die Erinnerung daran ist, was den Deutschen die Erinnerung an ihre zur dasigen Ballverlustangst neurotisierte Spielanlage ist: die heiße Herdplatte, auf die gegriffen wurde. Für die heutige Abendpartie verspricht das jedenfalls einige Kurzweil.

Bixente Lizarazu, der als Altbayer sowohl die einen wie die anderen bestens kennt, glaubt an die L’Équipe: "Momentan sind bei den Franzosen alle Ampeln auf Grün gestellt. Sie spielen nicht nur erfolgreich, sondern attraktiv, und sind in der Defensive kaum verwundbar." Das Schöne nicht nur am Fußball: Einem jeden, der sich als Siegfried fühlt, lag irgendwann ein Lindenblatt auf der Schulter.

Selbst hoch zu Rad sinnt Joachim Löw über das richtige Rezept für die Partie gegen Frankreich nach. (Wolfgang Weisgram, 15.6.2021)

Mögliche Aufstellungen zum Fußball-EM-Spiel Frankreich – Deutschland am Dienstag in München:

Gruppe F, 1. Runde:

Frankreich – Deutschland (München, Fußball Arena, 21.00 Uhr/live ORF 1, SR Del Cerro Grande/ESP):

Frankreich: 1 Lloris – 2 Pavard, 4 Varane, 3 Kimpembe, 21 Hernandez – 6 Pogba, 13 Kante, 12 Tolisso – 7 Griezmann – 19 Benzema, 10 Mbappe

Ersatz: 16 Mandanda, 23 Maignan – 5 Lenglet, 15 Zouma, 18 Digne, 24 Dubois, 25 Kounde, 8 Lemar, 14 Rabiot, 17 Sissoko, 20 Coman, 9 Giroud, 11 Dembele, 22 Ben Yeddar, 26 Thuram

Deutschland: 1 Neuer – 4 Ginter, 5 Hummels, 2 Rüdiger – 6 Kimmich, 8 Kroos, 21 Gündogan, 20 Gosens – 7 Havertz, 10 Gnabry, 25 Müller

Ersatz: 12 Leno, 22 Trapp – 3 Halstenberg, 15 Süle, 16 Klostermann, 23 Can, 24 Koch, 26 Günter, 14 Musiala, 17 Neuhaus, 19 Sane, 9 Volland, 11 Werner

Es fehlen: 13 Hofmann (Knie), 18 Goretzka (Trainingsrückstand)