Die WHO erteilte dem Totimpfstoff der chinesischen Firma Sinovac unlängst eine Notfallzulassung. Auch die Entwicklung weiterer Totimpfstoffe ist fortgeschritten.

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Innerhalb von wenigen Wochen waren sie entwickelt, nach knapp einem Jahr an jeweils zehntausenden Personen getestet und dann auch zugelassen: mRNA- und Vektorimpfstoffe gegen Sars-CoV-2. Im Prinzip funktionieren die beiden Impfstofftypen gleich: Ein Bauplan des Virus wird in die Zellen eingebracht – entweder in Form von mRNA mit Lipidnanopartikeln oder in Form von DNA durch inaktivierte Vektorviren. Der Körper stellt das Antigen daraufhin selbst her – ähnlich wie bei einer natürlichen Infektion.

Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat bisher ausschließlich solche genetisch modifizierten Impfstoffe freigegeben. Aber auch sogenannte Tot- und Subunit-Impfstoffe harren in den Startlöchern oder sind in anderen Teilen der Welt bereits zugelassen. Was können sie? Die wichtigsten Fragen im Überblick.

Frage: Was sind Tot- und Subunit-Impfstoffe?

Totimpfstoffe heißen deshalb so, weil sie aus inaktivierten, vollständigen Viren oder aus gereinigten oder rekombinant hergestellten, also also künstlich produzierten, viralen Proteinen bestehen. Subunit-Impfstoffe sind eine Form von Totimpfstoffen. Der Begriff bezieht sich auf einzelne Proteine eines Virus, die mithilfe gentechnischer Verfahren hergestellt werden. Die Herstellung solcher Impfstoffe kommt also ohne die Anzüchtung virulenter Pathogene aus, was für den Produktionsprozess von erheblichem Vorteil ist.

Frage: Wie wirken diese Impfstofftypen?

Im Grunde funktionieren alle Impfungen so: Sie zeigen dem Körper den Krankheitserreger, und der kann daraufhin Abwehrstrategien aufbauen. Anstatt genetischer Informationen über das Virus, wie bei mRNA- und Vektorimpfstoffen, enthalten Totimpfstoffe den Erreger selbst – jedoch ist dieser nicht mehr vermehrungsfähig. Vereinfacht heißt das: Sars-CoV-2-Viren werden inaktiviert, gereinigt und konzentriert.

Bei proteinbasierten Subunit-Vakzinen werden dem Körper hingegen nur bestimmte Bausteine des Erregers, nämlich einzelne Proteine, gezeigt. Der jährlich angepasste Influenzaimpfstoff oder Vakzine gegen Hepatitis B beruhen ebenfalls auf diesem Prinzip.

Frage: Haben diese Impfstofftypen Vorteile im Vergleich zu den bereits zugelassenen mRNA- und Vektorimpfstoffen?

Antwort: Das ist schwer zu beurteilen. Totimpfstoffe sind bereits lange erforscht und erprobt. Gerade für Menschen, die gegenüber genetisch modifizierten Impfstoffen skeptisch sind, könnten sie deshalb wichtig sein, sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz, die Mitglied im Nationalen Impfgremium ist. Zudem erwartet sie, dass Totimpfstoffe eine Alternative für jene werden, die allergisch auf gewisse Bestandteile der mRNA- und Vektorimpfstoffe reagieren. Das sind jedoch nur sehr wenige Personen. Ob Totimpfstoffe gegen Sars-CoV-2 grundsätzlich besser verträglich sind als die relativ reaktogenen mRNA- und Vektorimpfstoffe, lasse sich aber nicht pauschal sagen.

Frage: Haben die Totimpfstoffe auch Nachteile?

Antwort: Gewisse Nachteile im Vergleich zu den "moderneren" mRNA- und Vektorimpfstoffen sieht die Impfstoffexpertin Christina Nicolodi. Denn: Totimpfstoffe lösen vor allem die Produktion von Antikörpern aus, dringen dabei aber nicht in Zellen ein. Das langfristige Immungedächtnis, also etwa die B- und T-Zellen, werde deshalb nicht so stark angeregt. Bei einem Totimpfstoff stellen Körperzellen, anders als bei Vektor- oder mRNA-Impfstoffen, Teile des Virus nämlich nicht selbst her und präsentieren diese dann den B- oder T-Zellen. Vielmehr nehmen bestimmte Fresszellen die inaktivierten Viren oder Viruspartikel auf, wodurch die zelluläre Antwort nicht so gut aktiviert wird.

Auch erzeuge die erste Dosis bei Totimpfstoffen in der Regel keine schützende Immunität, sondern "primed" lediglich das Immunsystem. Erst nach der zweiten oder dritten Dosis entwickle sich eine schützende Immunantwort.

Frage: Wie sieht das bei Subunit-Impfstoffen aus?

Antwort: Auch die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Subunit-Impfstoffen lasse sich nur schwer mit jener von mRNA- und Vektorimpfstoffen vergleichen, da es dazu bisher noch keine großen Phase-III-Studien gibt, sagt der klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger.

In der Theorie haben proteinbasierte Subunit-Impfstoffe aber einen Vorteil: Man kann sie besser standardisieren. Bei mRNA- und Vektorimpfstoffen stellt der Körper das Antigen selbst her, das bedeutet: Die Menge des hergestellten Impfantigens kann nicht kontrolliert werden – sie fällt bei Menschen nach der Impfung unterschiedlich hoch aus. Im Gegensatz dazu wird bei Subunit-Impfstoffen das fertige Antigen verabreicht – alle Geimpften erhalten damit eine gleich hohe Dosis. Das heißt immer noch nicht, dass bei allen die gleiche Antikörperantwort ausgelöst wird, nimmt aber einen Faktor der Unberechenbarkeit heraus.

Frage: Wirken sie bei sogenannten Non-Respondern dadurch besser?

Antwort: Ob Subunit-Impfstoffe bei Non-Respondern – also Menschen, die nach einer Impfung keine signifikante Antikörperantwort ausbilden – besser wirken, ist bisher noch nicht klar. Für Redlberger-Fritz und Zeitlinger gibt es dazu derzeit noch nicht genügend Forschungsdaten. "Auch bei anderen Subunit-Impfstoffen, wie etwa gegen Hepatitis B, gibt es Menschen, bei denen es zu keiner Antikörperantwort kommt", sagt Redlberger-Fritz.

Bei immunsupprimierten Patientinnen und Patienten haben Subunit-Impfstoffe an sich keinen Vorteil. "Entscheidend ist vielmehr, dass diese Patienten, mehrere Dosen bekommen und die Impfstofftypen dabei gewechselt werden", sagt Zeitlinger. In Großbritannien werden solche heterologen Impfschemata für Kombinationen des mRNA-Impfstoffs Comirnaty und des Vektorimpfstoffs Vaxzervia schon länger erprobt. Seit kurzem wird dabei auch der Impfstoff von Novavax miteinbezogen.

Frage: Wie viele dieser Impfstoffe werden aktuell als Kandidaten gehandelt?

Antwort: Acht Totimpfstoffe und sechs Subunit-Impfstoffe befinden sich derzeit in Phase-III-Studien. Die WHO erteilte einem davon unlängst eine Notfallzulassung: dem Totimpfstoff Coronavac der chinesischen Firma Sinovac. Ein zweiter chinesischer Totimpfstoff, jener von Sinopharm, sowie das Subunit-Vakzin NVX-CoV2373 des US-Herstellers Novavax werden gerade geprüft.

In EU-Staaten werden Impfstoffe in der Regel erst nach einer Prüfung durch die EMA zugelassen – sie prüft Coronavac und NVX-CoV2373 derzeit in sogenannten Rolling-Review-Verfahren. Ungarn hingegen weicht von der Impfstrategie der EU ab: Dort wird – ebenso wie in Serbien – der Impfstoff von Sinopharm bereits verimpft.

Zwei weitere Impfstoffhersteller, die mit der EU bereits in Verhandlungen über mögliche Lieferkontingente sind, begannen kürzlich mit Phase-III-Studien: die Impfstoffpartner Sanofi/GSK und der österreichisch-französische Hersteller Valneva. Sanofi/GSK rechnen mit einer Zulassung für ihr Subunit-Vakzin im vierten Quartal dieses Jahres. Valneva will für seinen Totimpfstoff im Herbst Zulassungsanträge stellen.

Frage: Welche der Impfstoffe werden in der EU voraussichtlich auch verimpft werden?

Antwort: Bisher gab es Verhandlungen mit drei produzierenden Herstellern: Sanofi/GSK, Novavax und Valneva. Mit Sanofi/GSK wurde eine Abnahmevereinbarung beschlossen, die erfolgt, sobald sich das Präparat als sicher und wirksam erwiesen hat. EU-Mitgliedsstaaten können ab diesem Zeitpunkt bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen erwerben.

Mit Novavax und Valneva gab es hingegen lediglich Sondierungsgespräche über geplante Verträge im Falle einer Zulassung.

Frage: Welche Rolle werden diese Impfstoffe tatsächlich spielen?

Antwort: Aus europäischer Sicht: in naher Zukunft eine eher geringe. Bis auf Sanofi/GSK unterhält kein Hersteller fixe Verträge mit der EU. Dazu kommt: Ab Jahresende bis 2023 hat die EU 1,8 Milliarden Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer und eines an Varianten angepassten Impfstoffs der Hersteller reserviert. Damit sollen die 70 bis 80 Millionen Kinder in der EU geimpft und Impfungen bei Erwachsenen aufgefrischt werden.

Für Zeitlinger liegt die Bedeutung neuer Zulassungen eher darin, ärmere Länder, die bei der bei Impfstoffverteilung bisher enorm benachteiligt wurden, mit Impfstoffen zu versorgen. Auch Nicolodi sieht die Vorteile von Totimpfstoffen vor allem darin, dass sie günstiger zu produzieren und leichter zu lagern sind – denn sie müssen nicht so stark gekühlt werden wie genetische Vektor- oder mRNA-Impfstoffe. "Ein erheblicher Anteil" der Impfstofflieferungen von Sanofi/GSK soll dem Covax-Programm der WHO, das einen weltweit gleichmäßigen Zugang zu Covid-19-Impfungen sicherstellen soll, bereitgestellt werden, heißt es seitens der EU-Kommission.

Und dennoch: Langfristig könnten Totimpfstoffe auch für die EU wichtig werden, meint Nicolodi. Und zwar als Alternative für jene, die sich aus Skepsis gegenüber anderen Vakzinen bisher nicht haben impfen lassen. (Eja Kapeller, 14.6.2021)