Eine jahrzehntelange Forderung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde im November 2017 scheinbar endlich erfüllt: Der Nationalrat beschloss mit großem Getöse in wesentlichen Belangen die (längst überfällige) Angleichung der Rechtsposition von Arbeiterinnen und Arbeitern an jene der Angestellten. Vereinheitlicht wurden zunächst die Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankenstand. Für Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte gelten hier seit dem 1.7.2018 tatsächlich die gleichen Regeln.

Problematischer ist allerdings die behauptete Vereinheitlichung im Kündigungsrecht. Beschlossen wurde, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes Arbeiterinnen und Arbeiter nicht mehr ohne Frist und/oder ohne Termin gekündigt werden können. So unglaublich es klingt: Bis heute kann ein Bäcker, eine Bäckerin unter Einhaltung einer eintägigen Kündigungsfrist zum Ende der Arbeitswoche gekündigt werden; wenn sich also der Chef oder die Chefin am Freitag von ihm oder ihr trennen will, ist er oder sie am Sonntag bereits arbeitslos. In der Novelle ist nun vorgesehen, dass auch für Arbeiterinnen und Arbeiter die Fristen und Termine des Angestelltengesetzes einzuhalten sind (die Mindestfrist bei Arbeitgeberkündigung beträgt sechs Wochen, diese Frist verlängert sich mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses; gekündigt werden kann zum Quartalsende oder, wenn sich die Vertragsparteien darauf geeinigt haben, zum 15. oder Letzten des Monats).

Keine sofortige Gleichstellung

Nun heißt es aber weiter warten: Die Einführung der neuen Kündigungsregeln sollte zwar bereits zum 1.1.2021 erfolgen. Im Herbst 2020 wurde der Geltungsbeginn für die neuen Regelungen aber ein erstes Mal auf den 1.7.2021 verschoben. Begründet wurde dies mit Corona. Den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sei gerade in Zeiten wie diesen die Verlängerung der Kündigungsfristen nicht zumutbar, hieß es. Nun soll sich die Einführung der längeren Kündigungsfristen für Arbeiterinnen und Arbeiter ein weiteres Mal nach hinten verschieben. Als neuer Beginn der Geltung wird der 1.10.2021 angekündigt. Es darf allerdings mit gutem Grund bezweifelt werden, dass dieser Termin eingehalten wird. Denn: Die nächste Covid-Welle kommt bestimmt.

Dabei ist die sogenannte Rechtsangleichung im Kündigungsrecht ohnehin mehr Schlagwort als Wirklichkeit. Tritt die Regelung nämlich in Kraft, kommt es – entgegen der öffentlichen Darstellung – auch nach der Neuregelung nicht zu einer (sofortigen) flächendeckenden Gleichstellung zwischen Arbeiterinnen, Arbeiter einerseits und Angestellten andererseits in Bezug auf Kündigungsfristen und -termine. Grund dafür ist, dass das Gesetz selbst eine Ausnahme für "Saisonbranchen" vorsieht.

Kollektivverträge für Arbeiterinnen und Arbeiter können nämlich nach der neuen Bestimmung für Branchen, "in denen Saisonbetriebe überwiegen", von den (längeren) Kündigungsfristen und -terminen zum Nachteil der Arbeiterinnen und Arbeiter weiterhin abweichen. Saisonbetriebe sind dabei "Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten". Verfügt eine Branche überwiegend über solche Betriebe, kann der Kollektivvertrag für die gesamte Branche (und damit auch für Betriebe, die nicht Saisonbetriebe sind) kürzere Kündigungsfristen und abweichende Kündigungstermine für Arbeiterinnen und Arbeiter bei Kündigung durch den Arbeitgeber normieren.

Die Regelung des Kündigungsrechts lässt weiter auf sich warten.
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Alles beim Alten?

Bisher wurde bei dieser Definition des Saisonbetriebs (grob gesagt) auf eine Witterungsabhängigkeit der Tätigkeit an sich abgestellt (weswegen zum Beispiel Theaterunternehmen nicht als derartige Saisonbetriebe angesehen werden, Zirkusbetriebe aber schon). Diese Ausnahme könnte also – so könnte man annehmen – hauptsächlich für Betriebe im Hotel- und Gastgewerbe sowie in der Baubranche relevant werden. Natürlich besteht aber die Gefahr, dass im nunmehrigen Kontext die unklare und offene Formulierung des Gesetzes dazu führt, dass auch andere Branchen unter diese Bestimmung subsumiert werden und der Saisonbegriff – zum Nachteil der Arbeiterinnen und Arbeiter – inflationär verwendet wird. Dass es sich dabei nicht um eine theoretische Furcht handelt, zeigen bereits jetzt (und ohne Anspruch auf Vollständigkeit) zahlreiche Kollektivverträge, so zum Beispiel jener für das Maler-, Lackierer- und Schilderherstellergewerbe, für das Bodenlegergewerbe, für die Glasbe- und -verarbeitende Industrie, für das Glasergewerbe, für das Hafner-, Platten- und Fliesenlegergewerbe und das Keramikgewerbe, für das Güterbeförderungsgewerbe, für das Tapeziergewerbe sowie für private Autobusbetriebe.

In all diese Kollektivverträge wurde rasch eine gewissermaßen vorbeugende Regelung eingefügt, wonach die diesem Kollektivvertrag unterworfenen Betriebe einer Branche zugehörig sind, in der Saisonbetriebe überwiegen, weswegen von den gesetzlichen Kündigungsregeln zum Nachteil der Arbeiterinnen und Arbeiter weiterhin abgewichen werden kann. Mit anderen Worten: Trotz neuem Gesetz bleibt alles beim Alten, auch wenn man in vielen Branchen die Saisonbezogenheit im ursprünglich gemeinten Sinn wohl eher mit der Lupe wird suchen müssen.

"Glücksspiel" Selbsteinschätzung

Die Angleichung der Kündigungsregeln der Arbeiterinnen und Arbeiter an jene der Angestellten wird dadurch jedenfalls wesentlich ausgehöhlt. Die Entscheidung, ob eine Branche eine "Saisonbranche" ist oder nicht, obliegt den Sozialpartnern selbst (freilich mit nachträglicher Kontrolle durch die Gerichte). Allerdings hat diese Selbsteinschätzung, die zur weiteren Verwendung der kürzeren Kündigungsfristen führt, durchaus "Glücksspielcharakter". Liegen die Sozialpartner nämlich in ihrer Einschätzung falsch, ist damit auch für die Wirtschaft ein großes Risiko verbunden. Eine erfolgreiche Prozessführung eines einzigen Arbeiters in einer vermeintlichen "Saisonbranche" hätte Auswirkung auf alle anderen Arbeiterinnen und Arbeiter in sämtlichen Betrieben, die dem gleichen Kollektivvertrag unterworfen sind.

Ob weiters der bloße Umstand, dass in einer Branche überwiegend Saisonbetriebe vorhanden sind, als Rechtfertigung herangezogen werden kann, dass in allen Betrieben dieser Branche von den gesetzlich längeren Kündigungsfristen abgewichen wird, ist aus gleichbehandlungsrechtlichen Erwägungen ebenfalls mehr als fraglich. Warum soll sich eine Kellnerin im Sacher die gleiche Kündigungsfrist gefallen lassen wie ihre Kollegin in einer Skihütte? Hier bleibt interessant, ob die Sozialpartner dieses Risiko auch in Zukunft eingehen oder für ihre Branche nur für tatsächliche Saisonbetriebe die für die Wirtschaft vorteilhaften Verkürzungen regeln. Eine erste Analyse der Kollektivverträge spricht dafür, dass derzeit jedenfalls noch schlicht ganze Branchen als sogenannte "Saisonbetriebe" qualifiziert werden und daher in der gesamten Branche die für die Arbeiterinnen und Arbeiter schlechteren Kündigungsbestimmungen weitergelten.

Kollektivverträge als Hindernis?

Ein weiterer Grund, der eine Vereinheitlichung der Kündigungsregeln verhindern könnte, wird derzeit bereits in der (unseres Erachtens völlig unzutreffenden) juristischen Lehre genannt. Hier wird nämlich die Auffassung vertreten, dass mit der gesetzlichen Angleichung der Kündigungsfristen und -termine in bestehende Kollektivverträge ohnehin nicht eingegriffen wird. Folgen die Gerichte dieser Argumentation, hätte dies ebenso gravierende Auswirkungen: Schon vor der Novelle sah das Gesetz nämlich eine Mindestkündigungsfrist von 14 Tagen (ohne Termin) vor. Allerdings darf im gewerblichen Bereich diese Regel auch zum Nachteil der Arbeiterinnen und Arbeiter abgeändert werden. Daher regeln zahlreiche Kollektivverträge für Arbeiterinnen und Arbeiter die Kündigungsfristen und -termine gesondert; man denke an die oben bereits angeführten Bäckerinnen und Bäcker. Mitgliedermäßig "große" Kollektivverträge sehen dabei zum Beispiel Kündigungen zum Ende der Lohnwoche/Arbeitswoche vor, dies ohne beziehungsweise nur mit sehr kurzer Kündigungsfrist. Mit anderen Worten: Die in den Kollektivverträgen geregelten Kündigungsfristen und -termine für Arbeiterinnen und Arbeiter (auch wenn sie schlechter sind als das bereits geltende und auch das neue Gesetz) würden so lange weitergelten, bis die Kollektivvertragsparteien, also die Sozialpartner, diese auch tatsächlich abändern.

Um schlussendlich die Frage in der Überschrift zu beantworten: Freilich stimmt es aus Sicht der Arbeiterinnen und Arbeiter traurig, dass die lang versprochene Verbesserung im Kündigungsrecht erneut nach hinten verschoben wird. Um allerdings tatsächlich eine Verbesserung der Arbeitssituation für viele Betroffene zu bewirken, müsste der Gesetzgeber wohl erneut tätig werden. Dabei wäre es insbesondere nötig, die viel zu weitreichenden Ausnahmen zumindest einzugrenzen beziehungsweise klarzustellen. (Alois Obereder, Michael Haider, 15.6.2021)