Der Spitzenprädator der Ozeane stellte vor mehr als drei Millionen Jahren wahrscheinlich vor allem Walen nach.
Illustr.: AFP/ Hugo SALAIS / METAZOA STUDIO

Nicht erst seit der chinesisch-US-amerikanischen Monsterfisch-Koproduktion "The Meg" von 2018 beflügelt der größte bekannte Hai, der jemals lebte, unsere Fantasie: Otodus megalodon (oder meist nur kurz Megalodon) verbreitete ab dem Miozän vor etwa 10,3 Millionen Jahren Schrecken unter den damaligen Walen, seiner angenommenen Hauptbeute.

Seemannsgarn

Vor rund drei Millionen Jahren verschwand Megalodon wieder von der Bildfläche. Die Ursache für sein Aussterben ist noch nicht eindeutig geklärt – und einige wollen in obskuren Aufnahmen Belege dafür erkennen, dass der Spitzenprädator seiner Zeit in vereinzelten Exemplaren bis heute überdauert hat. In allen bisher dokumentierten Fällen handelte es sich in Wahrheit um Wal- oder Riesenhaie oder eine ähnlich große rezente Haiart.

Trotz seines hohen Bekanntheitsgrades führt der Megalodon in der Paläontologie eine geisterhafte Existenz. Wie die meisten urzeitlichen Haie mit Knorpelskeletten ist der Gigant im Fossilienbestand fast ausschließlich durch seine Zähne und einige wenige Wirbel vertreten. Dieser Umstand macht es den Wissenschaftern nicht nur schwer, Megalodon in der Haisystematik richtig einzuordnen (weshalb diese Art schon mehreren unterschiedlichen Gattungen zugeordnet worden ist), auch die Größe eines ausgewachsenen Exemplars lässt sich an den bis zu handtellergroßen Beißerchen keineswegs mit Gewissheit festmachen.

Unterschätzter Gigant

Die meisten Experten auf diesem Gebiet gehen mittlerweile von 18 Metern Maximallänge aus – das entspricht einem handelsüblichen Gelenkbus. Vielleicht hat man den urzeitlichen Riesenhai jedoch unterschätzt: Eine neue Methode zur Berechnung der Größe des Megalodon und anderer urzeitlicher Haiarten basiert auf der Breite der Zähne – und dieses Kriterium legt nun nahe, dass der urzeitliche Riesenhai womöglich doch eher 20 Meter lang war.

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Die Größe eines Megalodon lässt sich anhand seiner fossilen Zähne abschätzen – das Ergebnis hängt freilich von der verwendeten Methode ab.
Foto: AP/Bay Area News Group, Aric Crabb

Um die Größe von prähistorischen Haien abzuschätzen, griffen Wissenschafter bisher auf Gleichungen zurück, die auf der Zahnlänge basieren. Grundlage einer solchen Längeneinschätzung ist die Frage, wo im Haimaul sich der entsprechende Zahn befunden hat.

Neue Gleichungen

Der Paläontologe Victor Perez vom Calvert Marine Museum in Solomons, Maryland, kam allerdings zu dem Schluss, dass die Breite eines Haifischzahns eine deutlich akkuratere Beurteilung der Länge des betreffenden Hais gewährleistet. Immerhin liefert dieser Wert auch einen Anhaltspunkt dafür, wie breit der Haikiefer war, in dem der vorliegende Zahn einst saß.

Wenn man davon ausgeht, dass die Größe des Kiefers in einem proportionalen Verhältnis zur Körperlänge des Hais steht, lassen sich sich daraus entsprechende Schlüsse ziehen. Also entwickelte Perez gemeinsam mit Kollegen auf dieser Basis einen neuen Satz von Gleichungen und testeten diese anhand von Megalodon-Zähnen aus dem Florida Museum of Natural History sowie an den Zähnen mehrerer anderer Haiarten.

Genaueres Messwerkzeug

Das im Fachjournal "Palaeontologia Electronica" veröffentlichte Ergebnis liefert nach Ansicht der Forscher ein deutlich genaueres Werkzeug, um die Länge eines Megalodon anhand nur eines einzelnen Zahns abzuschätzen. Den Analysen gemäß dürfte Megalodon tatsächlich größer gewesen sein als bisher gedacht, wahrscheinlich zumindest 20 Meter lang. Dennoch liefert die Methode nach Meinung der Forscher keinesfalls ein endgültiges Resultat: "Obwohl dies möglicherweise unser Verständnis verbessert, haben wir die Frage, wie groß Megalodon war, noch nicht wirklich geklärt", sagt Perez. (tberg, 14.6.2021)