Bei der Nationalratswahl im Herbst 2019 sind mit knapp 40 Prozent mehr Frauen in das österreichische Parlament eingezogen als jemals zuvor. Die verstärkte Präsenz von weiblichen Abgeordneten wurde als ein positives Zeichen für eine Annäherung an den tatsächlichen Anteil der Frauen in der Bevölkerung und als Schritt in Richtung gleicher Teilhabe von Männern und Frauen in der Politik gewertet. Der Einzug in den Nationalrat geht aber nicht zwangsläufig einher mit einer ausgeglichenen Mitsprache in wichtigen Themenbereichen, wie ein Blick auf die Zusammensetzung der Ausschüsse verrät.

Traditionelle Arbeitsteilung

Parlamentarische Ausschüsse sind wichtiger Bestandteil des parlamentarischen Verfahrens. Sie haben eine legislative Funktion, denn vor einem Beschluss im Plenum werden hier Vorberatungen geführt. Gleichzeitig nehmen sie eine Kontroll- und Informationsfunktion ein und sind für Regierungs- als auch Oppositionsparteien ein wichtiges Gremium. Die Mitgliedschaft in wichtigen Ausschüssen, die sich mit für die Bevölkerung besonders sichtbaren oder weitreichenden Themen befassen, generiert für Abgeordnete öffentliche Aufmerksamkeit und Einfluss bei bedeutenden Gesetzesvorhaben.

Die Ausschussmitgliedschaften von Abgeordneten spiegelt nicht den Anteil von Frauen im Parlament oder in der Bevölkerung wider, wie die Abbildung unten verdeutlicht. Politikerinnen sind in erster Linie in sogenannten "Frauenthemen" tätig – also Themen, denen traditionell eine besondere Bedeutung für Frauen nachgesagt wird. Hierzu gehören Gleichstellung, Familie und Jugend oder Kultur. Im Gegensatz dazu ist der Anteil von Abgeordneten in Ausschüssen, die als "hart" oder "maskulin" definiert werden, deutlich geringer. In den Ausschüssen für Wirtschaft, Industrie und Energie oder Landesverteidigung sind Frauen stark unterrepräsentiert und Männer dominieren die Debatten. Auch in prestigeträchtigen Ausschüssen, also jenen Ausschüssen, die besonders sichtbar sind und wichtige Politikfelder beinhalten wie zum Beispiel Finanzen oder äußere Angelegenheiten, haben weibliche Mitglieder mit nur knapp 29 Prozent sehr wenig Einfluss.

Grafik: Sarah C. Dingler

Ähnliche Muster lassen sich erkennen, wenn die prestigeträchtigen Positionen der Ausschussobleute miteinbezogen werden. Diese Funktionen erlauben es, Tagesordnungen in den Ausschüssen zu strukturieren, und sorgen für ein höheres Maß an Sichtbarkeit als reine Mitgliedschaft. Fast drei Viertel der Ausschüsse werden derzeit von Männern geleitet. Weibliche Abgeordnete haben nur in von acht der 30 Ausschüssen den Vorsitz inne, dazu gehört beispielsweise der Ausschuss für Familie und Jugend und der Sportausschuss. Eine Ausnahme stellt Pamela Rendi-Wagner dar, die als Obfrau des außenpolitischen Ausschusses einem traditionell eher "maskulinen" Themenbereich vorsitzt. Etwas besser ist es um den Anteil der Frauen unter den stellvertretenden Ausschussobleuten bestellt: Mit einem Anteil von 35 Prozent nähern sich Frauen ihrem tatsächlichen Anteil im Parlament an – allerdings nur in der zweiten Reihe als Stellvertreterinnen.

Faika El-Nagashi von den Grünen setzt sich insbesondere für Integrations- und Diversitätspolitik – im Nationalrat von vor allem Frauen vertretene Themen – ein.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Gängige Muster auch in anderen Parlamenten

Diese Zahlen untermauern zwei Forschungsstränge bezüglich nationaler Parlamente. Der erste argumentiert, dass Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen bewusst oder unbewusst Frauen eine Kompetenz nur in ganz bestimmten Politikfeldern zuschreiben. Frauen werden tendenziell eher in klar definierten "Frauenthemen" Ministerinnen und sind häufig von "maskulinen" und einflussreichen Ausschüssen ausgeschlossen.

Die Erklärung für diese Muster basiert auf Genderstereotypen. Aufgrund von traditionellen Rollenverteilungen werden Frauen tendenziell Emotionalität (zum Beispiel Wärme) sowie eine Expertise im häuslichen Leben zugeschrieben. Entsprechend werden sie als besonders kompetent in Bereichen der Familie, Bildung oder Gesundheit wahrgenommen. Männer hingegen werden häufiger mit Eigenschaften wie Rationalität, Selbständigkeit und Zielstrebigkeit und somit mit dem öffentlichen Leben in Verbindung gebracht. Ihre Kompetenzen wird erwartet in "maskulinen" Themenbereichen wie Verteidigung, Finanzen und Wirtschaft. Ein zweiter Ansatz erklärt die traditionelle Arbeitsaufteilung mit Unterschieden in Interessen, Prioritäten und Spezialisierungen. Untersuchungen in diesem Bereich zeigen, dass weibliche Abgeordnete sich häufiger als Interessenvertreterinnen der weiblichen Bevölkerung sehen und sich in Themen einbringen (zum Beispiel durch parlamentarische Anfragen oder Plenarreden), welche im besonderen Interesse von Frauen sind. Die Verteilung von Ausschussmitgliedschaft und -Vorsitz ist entsprechend nicht nur das Resultat einer Unterschätzung der Kompetenzen von Frauen, sondern lässt sich auch auf unterschiedliche Präferenzen und tatsächliche Expertise von weiblichen Abgeordneten zurückführen. Beides bedingt sich gegenseitig.

Die ungleiche Teilhabe von Männern und Frauen in parlamentarischen Ausschüssen ist aus demokratiepolitischer Sicht problematisch, da Frauen andere Perspektiven und Sichtweisen in politische Diskussionen einbringen als Männer. Aufgrund geringerer Präsenz bei Debatten und Entscheidungen werden in diesen wichtigen Thematiken die Meinungen von Frauen entsprechend wenig berücksichtigt. Darüber hinaus bleiben Frauen auf den weniger sichtbaren und prestigeträchtigen Positionen und Männer dominieren in der öffentlichen Wahrnehmung das politische Geschehen. (Sarah C. Dingler, 16.6.2021)