Ende Oktober 2010 setzte sich bei der Bürgermeisterwahl in der slowenischen Küstenstadt Piran der sozialdemokratische Kandidat Peter Bossman knapp gegen den damaligen Amtsinhaber durch. Schnell rückte Piran wegen der Herkunft des neuen Bürgermeisters für einige Tage in den Fokus der internationalen Medien. Bossman war nicht etwa ein gebürtiger Slowene, sondern war im weit entfernten Accra auf die Welt gekommen. 1977 musste er Ghana wegen seiner politischen Aktivitäten verlassen, bekam ein Visum für Jugoslawien und wurde bei seiner Ankunft von den Behörden nach Ljubljana geschickt, wo er Medizin studierte. Dort lernte er seine spätere Frau kennen und eröffnete nach seinem Studium eine Arztpraxis an der slowenischen Küste. Nach seinem Sieg bei der Wahl betitelten die internationalen Medien Bossman als "ersten schwarzen Bürgermeister Osteuropas".

Stipendien für den Globalen Süden

Bossman erhielt, wie viele junge Menschen aus dem Globalen Süden während des Kalten Krieges, eine Ausbildungsmöglichkeit in Jugoslawien. Zwischen 1950 und 1990 stellte Jugoslawien den Ländern des Globalen Südens, Befreiungsbewegungen sowie politischen Parteien mehr als 8.000 Stipendien zur Verfügung. Ausbildungsmöglichkeiten gab es für Hoch-, Mittel- und Berufsschulen sowie für kurze Spezialisierungskurse. Der Großteil der Stipendien war aber für eine Universitätsausbildung gedacht, bei der vor allem die Studienrichtungen Medizin, Agronomie, Wirtschaft sowie technische Fächer von den Studierenden belegt wurden. Die Mehrheit der Stipendien ging an die Staaten Afrikas. Daneben gab es auch noch junge Menschen, die mit einer Bildungsförderung internationaler Organisationen oder ihrer Heimatländer in Jugoslawien studierten. Allerdings waren laut Schätzungen der Behörden im oben genannten Zeitraum auch mehr als 10.000 Studierende aus dem Globalen Süden auf eigene Kosten im Land. Die große Mehrheit der Studierenden waren junge Männer.

In den Jahren nach dem Tito-Stalin-Zerwürfnis und dem Ausschluss aus dem Kominform 1948 hatte Jugoslawien unter Präsident Josip Broz Tito neben vermehrten außenpolitischen Kontakten mit dem Westen auch intensivere Beziehungen zu Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika gesucht. Jugoslawien wurde in der Folge mit weiteren Partnerländern aus dem Globalen Süden zu einem der Mitbegründer und wichtigsten Vertreter der Bewegung der Blockfreien Staaten, deren Mitgliedsländer im Ost-West-Konflikt keinem der beiden großen Militärbündnisse angehörten und international unter anderem für friedliche Koexistenz, Gleichberechtigung aller Nationen und Antikolonialismus eintraten. Jugoslawien arbeitete mit seinen Verbündeten im Globalen Süden nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch in Bereichen wie der Wissenschaft, Kultur und Bildung zusammen.

In den letzten Jahren wurden diese besonderen und vielfältigen Beziehungen Jugoslawiens zum Globalen Süden in der Forschung wieder verstärkt diskutiert und untersucht. Historiker setzten sich gleichermaßen mit den vielschichtigen Beziehungen anderer sozialistischer Staaten aus Südost-, Ost- und Mitteleuropa zum Globalen Süden auseinander. Die Verbindungen einiger Staaten des Balkanraums zu Asien, Afrika und Lateinamerika zeigen, dass die Region im Kalten Krieg nicht einfach nur ein Spielball der Supermächte war, sondern vielmehr eine aktive Rolle einnahm und weltweit sehr gut vernetzt war. In diesen außenkulturpolitischen Bemühungen um den Globalen Süden sowie in der globalen ideologischen Auseinandersetzung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielten Stipendien und die Ausbildung junger Menschen eine wichtige Rolle.

Im Kalten Krieg erhofften sich internationale Organisationen wie die Unesco und Befürworter von Stipendienprogrammen und der internationalen Studentenmobilität von Auslandsaufenthalten einen Aufbau enger und friedlicher persönlicher Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Nationen, die eine Wiederholung der Schrecken des Zweiten Weltkriegs unmöglich machen sollten. Jene Staaten, die den Stipendiaten eine Ausbildung ermöglichten, strebten mit ihrer Außenkulturpolitik jedoch auch unilaterale Ziele an. Die Stipendiaten sollten mit einem positiven Gesamtbild der Politik und Kultur ihrer Gastgeber in ihre Heimatländer zurückkehren, dort in wichtigen Positionen arbeiten und als inoffizielle Botschafter die Interessen ihrer ehemaligen Gastländer vertreten.

Auf einer Linie mit der Außenpolitik

Studierende aus dem Globalen Süden, vor allem aus Afrika, wurden zum "Ziel" dieser Bildungshilfe. Der Kalte Krieg eröffnete ihnen neue Ausbildungswege: Während die Universitäten der Kolonialmächte bis dahin das Hauptziel von Männern und Frauen aus den Kolonien war, konnten durch die diversen Stipendien nun Universitäten in Bonn, Leipzig, Prag, Washington oder Moskau besucht werden. Aus afrikanischer Perspektive deckten die Stipendien den Bedarf der jungen Nationen des Kontinents, die in der postkolonialen Ära eine neue, gutausgebildete Elite benötigten, um die künftige politische und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder zu sichern. Die Sowjetunion, die USA sowie andere Staaten aus "Ost" und "West" buhlten nun mit Stipendien um die Gunst einer möglichen zukünftigen Elite, um sie von ihren soziopolitischen Systemen zu überzeugen und sie für die eigenen Interessen zu gewinnen.

Die jugoslawischen Stipendien für ausländische Studierende waren immer auf einer Linie mit der Außenpolitik Jugoslawiens. Während nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem Bulgaren und Albaner im Land studierten, blickte man bei der Stipendienverteilung nach 1948 eher auf die neuen Partner im Globalen Süden. Bereits Anfang der 1950er-Jahre kamen Inder und Burmesen für kurzzeitige Studienaufenthalte nach Jugoslawien. Doch trotz guter bilateraler Beziehungen und trotz Präsident Josip Broz Titos Asienreise 1954/55 nahm die Zahl der Studierenden aus den beiden Ländern nicht besonders zu. Die große geografische Distanz, die hohen Logistikkosten, Probleme bei Unterkunft und Integration sowie Konkurrenzstipendien aus anderen Ländern bremsten die Studierendenmobilität. Außerdem konzentrierte sich Jugoslawien außenpolitisch stärker auf die Staaten Afrikas und den Nahen Osten. 1960, dem von den Vereinten Nationen ausgerufenen "Jahr Afrikas", gab es bereits 496 ausländische Studierende, davon 265 mit einem jugoslawischen Stipendium. Von diesen kamen 36 aus Asien, 91 aus Nordafrika und dem Nahen Osten sowie 123 aus Afrika südlich der Sahara. Ein Jahr vor der ersten Blockfreien-Konferenz in Belgrad 1961 spiegelten die hohen Stipendienzahlen für Algerien, die Vereinigte Arabische Republik, Äthiopien, Ghana, Kenia und Indonesien die guten bilateralen Beziehungen Jugoslawiens zu diesen Staaten wider.

Der Weg zum Stipendium

Studierende aus dem Globalen Süden konnten sich über jugoslawische Botschaften im Ausland oder bei der UN-Vertretung in New York für ein Stipendium bewerben. Neben der Regierung vergaben auch jugoslawische Gewerkschaften und die Massenorganisation "Sozialistischer Bund des Werktätigen Volkes Jugoslawiens" Stipendien an Partnerorganisationen in der ganzen Welt. 1953 wurde die "Kommission für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland" gegründet, die sich unter anderem um Stipendien und ausländische Studierende im Land kümmerte. Die Kommissionsmitglieder wurden von der jugoslawischen Regierung ernannt und planten gemeinsam mit verschiedenen Ministerien, dem Bund der Kommunisten Jugoslawiens, der Studentenorganisation und den Universitäten das Stipendienprogramm für ausländische Bürger; die Bildungshilfe für den Globalen Süden war zu einer multiinstitutionellen und politischen Angelegenheit geworden. Die jugoslawischen Behörden waren sich sicher, dass sie sich in einem Wettlauf um die zukünftige Führungskraft der afroasiatischen Staaten befanden und dass auch diese Studierenden dazu beitragen sollten, die politischen und wirtschaftlichen Ziele Jugoslawiens im Ausland zu erreichen.

Jugoslawien war aus mehreren Gründen ein Studienstandort. Der jugoslawische Sozialismus, die diplomatische, wirtschaftliche und technische Unterstützung für die Länder des Globalen Südens sowie die Vorreiterrolle in der Bewegung der Blockfreien Staaten verschafften dem Land ein gewisses Ansehen. Auch das internationale Auftreten von Tito war ein wesentlicher Faktor. So erklärte ein Iraker, dass er eigentlich geplant hatte, in Paris zu studieren, doch sein Vater schickte ihn wegen Tito nach Jugoslawien. Ein Student aus Uganda legte dar, dass er ein Stipendium aus der Sowjetunion oder China abgelehnt hätte, da er den Kommunismus dort als zu harsch empfand. Doch für viele Studierende waren das Stipendium an sich und die daraus resultierende Möglichkeit auf Ausbildung und ein Leben in Europa der Hauptgrund für ihre Reise nach Jugoslawien.

Nairobi, Kenia, 1970: Tito und seine Frau Jovanka bei einem Treffen mit Kenianern, die in Jugoslawien studiert hatten.
Foto: Muzej istorije Jugoslavije

Alltagserfahrungen der Studierenden

Die "Gäste" erlebten in Jugoslawien aber nicht nur rosige Zeiten, sondern hatten, wie alle Studierende aus dem Globalen Süden in West- und Osteuropa, mit Problemen zu kämpfen. Nach dem Besuch eines mehrmonatigen Sprachkurses in Serbokroatisch, Slowenisch oder Mazedonisch mussten sie Universitätskurse besuchen. Sprachprobleme führten zu schlechten Leistungen, die das Stipendium in Gefahr bringen konnten, was den Druck auf die Studierenden zusätzlich erhöhte. Für Studierende, die sich nicht nur im Studentenwohnheim aufhalten wollten, wurde das Stipendiengeld am Ende des Monats knapp; die Lage erschwerte zudem das Wohnen in Privatunterkünften oder Reisen auf eigene Faust durch Jugoslawien. Die Studierenden fragten daher Vorschüsse bei den Behörden an oder nutzten die Ferien, um in Westeuropa zu arbeiten. In den 1960er-Jahren entzogen sich nicht wenige den Pflichten gegenüber ihren Heimatländern und Stipendiengebern, um ihre Chance auf ein Leben im Westen wahrzunehmen. Ein angolanischer Student etwa fuhr wegen einer medizinischen Behandlung in die Schweiz und kam nicht wieder zurück. Ein anderer Student aus Mosambik verließ während der Korrekturprüfungsphase das Land und schrieb Monate später aus Stuttgart seinem Vermieter in Maribor, dass er sich ein Auto gekauft habe und auf dem Weg nach Paris sei. Lange unentschuldigte Abwesenheiten, schlechte Leistungen und Disziplinarprobleme führten zur Kündigung des Stipendiums.

Unwissen, Diskriminierung und Rassismus gegenüber ausländischen, vor allem afrikanischen Studenten waren auch in Jugoslawien präsent. Vorstellungen von einem zutiefst rückständigen Afrika erschwerten das Zusammenleben. Jugoslawische Frauen in Begleitung von afrikanischen Männern waren manchen ein Dorn im Auge, Auseinandersetzungen wurden nicht selten mit rassistischen Begriffen und körperlicher Gewalt ausgetragen. Nicht alle Jugoslawen, darunter etliche Beamte, hatten die außenpolitische Position und die Solidarität mit dem Globalen Süden verinnerlicht und machten dies im alltäglichen Umgang durch ihre Vorurteile deutlich. Die jugoslawischen Behörden versuchten entgegenzuwirken, indem sie die Erfordernisse bei der Stipendienvergabe evaluierten und Anreize gegen den Lernfrust schufen. In großen Universitätsstädten wie Belgrad, Zagreb oder Ljubljana wurden "Klubs der internationalen Freundschaft" gegründet, um Treffpunkte für aus- und inländische Studierende zu schaffen. Außerdem konnten Studenten nationale Studierendenorganisationen gründen, die sie für gemeinsame kulturelle Veranstaltungen nutzten. 1963 organisierte etwa die indonesische Studierendenorganisation zwei Tanz- und Musikabende, um Geld für die Erdbebenopfer von Skopje zu sammeln. Im Dezember des gleichen Jahres feierten Studierende aus Kenia gemeinsam mit jugoslawischen und afrikanischen Kollegen die Unabhängigkeit ihres Landes. Auch im Museum für Afrikanische Kunst in Belgrad bereicherten Studierende die Ausstellungen mit musikalischen Auftritten. Für die Studierenden war es wichtig, nicht nur ihr Ausbildungsland kennenzulernen, sondern den Jugoslawen auch die eigenen Herkunftsländer vorzustellen. Im Laufe der Jahre konnte die Zahl der Studienabbrüche zwar erheblich reduziert werden, jedoch waren Vorurteile, Diskriminierung und finanzielle Schwierigkeiten dauerhafte und schwer zu beseitigende Probleme.

Das Ende und die Bilanz des Stipendienprogramms

Die jugoslawische Wirtschaftskrise der 1980er-Jahre erreichte auch dieses Stipendienprogramm. Studierende aus dem Globalen Süden sollten zwar noch bis zum Abschluss gefördert, allerdings keine neuen Stipendien mehr angeboten werden. Rückblickend waren im Wettlauf um die zukünftige Elite des lobalen Südens und für den Erfolg der eigenen Ziele die doch niedrigen jugoslawischen Stipendienzahlen im Vergleich zu anderen west- und osteuropäischen Staaten ein Hindernis. Zudem ließen sich die Stipendiaten weder von ihren Gastländern noch von ihren Heimatländern für politische und wirtschaftliche Zwecke instrumentalisieren. In den bilateralen Beziehungen waren die Stipendien jedoch ein fester Bestandteil und Bildungshilfe war eine Form der jugoslawischen Unterstützung, die vor allem für einige asiatische und afrikanische Staaten besonders wichtig war. Ebenso war die Studienzeit in Jugoslawien, trotz der dort erlebten Probleme und Schwierigkeiten, für viele nicht nur wegen der Ausbildung ein entscheidender und besonderer Lebensabschnitt. Bis heute sind Verbindungen zum Studienort und die Freundschaften, die entstanden sind, bei vielen ehemaligen Studierenden aus der ganzen Welt nicht abgebrochen. Außerdem hat sich eine kleine Zahl von Studenten, wie Bossman, der nach zwei Amtszeiten wieder als Arzt tätig ist, dazu entschlossen, ein neues Leben im Ausbildungsland aufzubauen und bis heute auf persönlicher Ebene die postjugoslawischen Republiken mit dem Globalen Süden zu verbinden. (Nedžad Kuč, 16.6.2021)