Die Modeschule Herbststraße interpretierte Habsburger-Porträts auf Schloss Ambras.

Foto: Patrick Zeilinger, Gewandmeister in einem Kleid von Gabriela Ramsauer (KunstModeDesign Herbststraße) / Konzept & Foto: Stefan Zeisler © KHM-Museumsverband

Vorlage für das Kleid war eine Rüstung, die "Adlergarnitur Erzherzog Ferdinands II.".

Foto: Francesco Terzio, Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595), Kniestück in Adlerrüstung, um 1559 © KHM-Museumsverband

"Diese üppigen Faltenkaskaden, man hat das Gefühl, die Seide rascheln zu hören." Veronika Sandbichler klingt begeistert. Die Leiterin von Schloss Ambras steht mit der Kuratorin Katja Schmitz-von Ledebur und Stefan Zeisler, dem Kreativchef des Kunsthistorischen Museums, inmitten der Ausstellung Mode schauen vor einem Porträt der Erzherzogin Anna von Österreich.

Das Bild des Malers Jakob Seisenegger zeigt die Erzherzogin in einem Renaissancekleid mit bauschigen Ärmeln und einem Barett. Die Direktorin kennt das Gemälde gut, es ist Bestandteil der Habsburger-Porträtgalerie von Schloss Ambras in Innsbruck.

Die Kostüme der Habsburger und der mit ihnen verbundenen Fürstenhäuser traten bei Sandbichler vor einiger Zeit die Idee zu einer Modeausstellung los. Von London bis Zürich, überall poppten in den vergangenen Jahren Schauen zu Modethemen auf, die sich meist zu Publikumsmagneten entwickelten. Warum also nicht die Besucherinnen und Besucher mit einer Modeausstellung in die Innsbrucker Dependance des Kunsthistorischen Museums Wien locken?

Herrschende Mode

Die Schau fokussiert sich ganz auf jene elitären Kreise, die sich Mode und besondere Textilien überhaupt leisten konnten. "Herrschende Mode war die Mode der Herrschenden", stellt Kuratorin Schmitz-von Ledebur klar.

Grundlage der chronologisch aufgebauten Ausstellung, die sich auf Schloss Ambras nun über zehn Räume erstreckt: die Habsburger-Porträtgalerie. Sie spiegelt die Inszenierungen der Habsburger und die der ihnen verbundenen Fürstenhäuser wider. 50 Bilder aus der rund 200 Stücke umfassenden Sammlung schafften es in die Ausstellung.

Sie will grundlegende Fragen klären: Was wurde und wird über die Kleidung der Porträtierten kommuniziert? Wurde das Äußere von Herrschern in knackig anliegenden Beinkleidern und aufgepolsterten Wämsern ähnlich beschönigt, wie es heute dank Photoshop und Filtern gang und gäbe ist?

Es gehe bei den Porträts um Repräsentation, weniger um reale Abbildungen, sagt Veronika Sandbichler. Die Schau will die historischen Inszenierungen entschlüsseln: "Heute verstecken viele ihre Rolex diskret unterm Ärmel, damals gehörte es zur Tugend eines Fürsten, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Maximilian I. litt unter permanenter Geldnot, musste aber protzen."

Modische Korrespondenzen

Weil das Schloss keine eigene Kostümsammlung hat, verschaffte die Kunst- und Textilhistorikerin Schmitz-von Ledebur die fragilen modischen Objekte nach Innsbruck: Etliche historische Stücke, vom Kuhmaulschuh bis zum Mieder, kamen zusammen. Die Kuratorin ist sichtlich erfreut über die vielen Leihgaben aus Textilsammlungen in Dresden, Nürnberg und dem Wiener Museum für angewandte Kunst.

Zuerst habe man zu jedem Bild eine Realie zeigen wollen, dann habe sich herausgestellt, dass das nahezu unmöglich sei, so Schmitz-von Ledebur. Zwar korrespondieren die Porträts nun mit Kleidungsstücken, Schmuck und Accessoires, um Eins-zu-eins-Darstellungen dessen, was auf der Leinwand zu sehen ist, handelt es sich aber nicht.

Das dreiköpfige Kuratorenteam (dessen "ungewöhnliche Zusammensetzung" sei Voraussetzung für die Ausrichtung der Ausstellung gewesen, so Sandbichler) will stattdessen Verbindungsachsen zwischen den Räumen herstellen – sie sind leider nicht so leicht erkennbar: zum Beispiel zwischen dem Pelzkragen, den Kaiser Maximilian I. auf dem Dürer-Porträt im ersten Raum trägt, und der Darstellung eines Flohpelzes durch Hans Mielich ein paar Räume weiter.

Wer wissen will, warum das haarige Accessoire ein Statussymbol war, sollte allerdings das Booklet oder den Katalog zur Ausstellung zur Hand haben. Dort werden Informationen geliefert, die in den Räumen auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind.

Es lohnt sich aber auch, die Objekte um ihrer selbst willen zu bewundern: die senfgelbe gestrickte Oberhose des Herzogs August von Sachsen mit ihrer gepolsterten Schamkapsel oder die spitzen mittelalterlichen Trippen, die an Helmut-Lang-Schuhe aus den 90er-Jahren erinnern, oder das grasgrüne, mit Metallfäden verstrickte Kamisol – das Oberteil könnte aus einer Gucci-Kollektion von Alessandro Michele stammen.

Nachempfundene Kleidungsstücke

Im dritten Teil entwickelte die Meisterklasse für Bühnenkostüm der Modeschule Herbststraße Kostüme, die von Stefan Zeisler fotografiert wurden. "Was bedeutet historische Mode heute?", fragte sich der Kreativchef und steckte für eine Bilderstrecke diverse Models in die nachempfundenen Kleidungsstücke aus hellen Stoffen.

Deren Entwicklung? Ganz schön aufwendig, meint er: Die Verwendung von Reißverschlüssen wurde vermieden, stattdessen wurden Mieder, Unter- und Reifröcke verarbeitet. Vier der zeitgenössischen Kostüme werden auf dem Schloss zu sehen sein, eines ist schon vor Beginn der Ausstellung in einem Modeshop auf der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck zu bewundern: Gabriela Ramsauer interpretierte die Rüstung Erzherzog Ferdinands II. als Kleid – mit Halskrause und aufwendigen goldenen Verzierungen. Zeisler steckte für die Fotostrecke konsequenterweise einen Mann hinein. (Anne Feldkamp, RONDO, 21.6.2021)