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Pro
von Thorben Pollerhof

So wunderbar, klimafreundlich und praktisch wie das Fahren mit den Öffis beworben wird und auch sein mag, seien wir doch ehrlich: Es ist meistens ein Graus. Besonders im Hochsommer und seit Corona verabscheut man körperliche Nähe zu Fremden – vor allem wenn sie auch noch mit erhobenen Armen und entblößten Achseln dastehen.

Aber gut, es geht nun einmal nicht anders, und wenn ich schon nicht allen anderen sagen kann, dass sie wenigstens die Goschn halten sollen, verstopfe ich mir lieber die Ohren und nutze die Zeit, um mich auf Konzerte zu träumen. Denn man verpasst eh nix.

Zum einen, weil es einem Gott sei Dank fast alle gleichmachen, zum anderen, weil die arbeitende Wiener Gesellschaft in der Regel nach acht Stunden in der Hacke eh keine Lust mehr hat, etwas Sinnvolles von sich zu geben – zu Recht. Die Öffis nimmt man von A nach B und auch nur wegen A oder B. Einziger Lichtblick: Das Öffnen der Türen in die Freiheit ist mit dem richtigen Soundtrack fast schon episch.

Kontra
von Franziska Zoidl

Der Öffi-Alltag kann hart sein. U-Bahnen, in die man sich stapeln soll, quietschende Reifen, streng riechende Sitznachbarinnen: Ich kann verstehen, dass man sich davon manchmal abgrenzen will.

Aber die Antwort kann doch nicht darin liegen, sich die Ohren zuzustöpseln, an der Umwelt keinen Anteil mehr zu nehmen und im schlimmsten Fall auch noch die Mitreisenden mit schlechter Musik zwangszubeglücken. Wer Musik hört, verpasst ja auch die lustigen Gespräche der Touristen, die zum Semmering wollen und nach Simmering fahren, und hört die alte Dame nicht, die am Telefon in schönstem Wienerisch über das Wetter stänkert.

Diese Begegnungen machen das Leben in der Stadt aus. Musik kann man ja auch zu Hause hören. Ja, ich geb’s zu: Als Kind der 90er habe ich einen sauschlechten Musikgeschmack. Ich würde aus Angst, dass mich jemand als Take-That-Fan outet, unterwegs nie Musik hören. So viel musikalische Selbstreflexion würde anderen aber auch nicht schaden. (RONDO, 29.8.2021)